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Melindas Befürchtungen waren nicht unbegründet gewesen. Eine Handvoll Leute lief durch den verwilderten Garten, um die wenigen noch verbliebenen Gegenstände zu begutachten. Zwei Schubkarren, ein Rasenmäher, ein halbes Dutzend Gartengeräte, Dekoartikel aus Plastik: Ein Reh, zwei Wildschweine und eine komplette Zwergenfamilie. Im Schatten vor dem Gartenhaus stand ein Tapeziertisch mit vergilbten Büchern. Daneben saß in einem Klappstuhl eine Frau mit roten Wangen und lächelte Melinda offen entgegen.

Die Frau trug eine dicke Daunenjacke und eine Fellmütze mit Ohrenklappen. Die Füße steckten in knielangen Winterstiefeln. Melinda schätzte die Frau auf Mitte fünfzig. Jetzt beugte sie sich nach vorn, klatschte in die Hände und animierte Zippo mit Rufen zu ihr zu kommen. Melinda ließ die Leine etwas lockerer.

„Was für ein freundlicher Hund!"

Ja, dachte Melinda. Er freut sich über jeden Menschen, der es gut mit ihm meint.

Zippo sprang an der Frau hoch und versuchte ihr das Gesicht abzulecken. Melinda musste Zippo mit aller Kraft zurück ziehen.

„Entschuldigen sie. Ich habe ihn erst seit heute Morgen. Er hat einiges durchgemacht und ..."

Sie suchte nach den richtigen Worten.

„Sein Benehmen ist noch verbesserungswürdig!"

Die Frau machte eine abwehrende Handbewegung.

„Ich bin Elke Schrader. Herzlich willkommen. Gucken sie sich um. Alles muss raus! Das Grundstück wird in nächster Zeit verkauft. Nehmen sie sich was sie brauchen und lassen sie eine Spende hier wenn sie mögen."

Frau Schrader zeigte auf ein rosa Plastiksparschwein, das neben ihr auf einem Campingtisch stand. Noch einmal fuhr sie mit der Hand über Zippos Fell.

„Ein hübscher Hund!"

Bis auf ein paar wenige Gegenstände wie Bauholz, Packungen mit Nägeln und Schrauben, einem Karton voller Elektrogeräte und einer alten Holztruhe war die Gartenhütte leer geräumt. Wenn es hier Fahrräder gegeben hatte dann waren sie nicht mehr da oder standen irgendwo anders. Melinda wühlte kurz in dem Pappkarton und schaute sich die Schraubenpackungen an. Nichts davon konnte sie gebrauchen. Sie streckte die Nase in die Luft. In diesen Wänden nistete der Rauch tausender Glimmstängel. Frau Schraders Großvater musste Kette geraucht haben.

Melinda sah sich um. Dort in der Ecke musste eine Sitzbank gestanden haben. Das Holz war dort heller. Und noch etwas entdeckte Melinda. Ein Stück Papier, das sich in der Fußleiste verklemmt hatte. Sie zog es heraus und drehte es um. Ein altes Foto. Schwarzweiß, mit ausgefransten Rändern. Sie trug es zur Tür, um besser erkennen zu können was darauf war.

Fünf Jungen mit hochgerecktem Kinn blickten ihr entgegen, die dünnen Arme vor den schmalen Körpern verschränkt. Sie trugen kurze Hosen, Hemden mit hoch gekrempelten Ärmeln, Lederstiefel und Koppelschlösser. Die Abzeichen der Hitlerjugend funkelten in der Sonne.

Angewidert starrte Melinda in den Garten hinaus. Am liebsten hätte sie das Bild zerrissen und die Fetzen in der Hütte verstreut. Doch sie entschied sich dafür, es heil zu lassen und steckte es in die Jackentasche.

„Zippo, komm!"

Der Hund blieb sitzen.

„Alles klar, mein Guter? Komm her! Im Garten finden wir bestimmt Wasser für dich!"

Zippo rührte sich nicht von der Stelle, das Hinterteil fest an die alte Holztruhe gepresst.

„Gut. Wenn du nicht willst, dann will ich auch nicht."

Melinda wickelte die Leine um ihr Handgelenk und hockte sich auf die Truhe. Zippo legte sich auf den Boden, den Kopf zwischen die Pfoten. Ein paar Minuten saß Melinda da und starrte vor sich hin. Draußen trällerte eine Amsel, eine späte Wespe flog herein, drehte eine Runde unter der Decke und flog wieder hinaus in den Garten. Melinda stand auf, drehte sich zu der Truhe herum und hob den Deckel an.

Pilzgericht (Krimi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt