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Drei Türen gab es hier oben. Nacheinander drückte Melinda die Klinken herunter. Zwei der Türen waren verschlossen, die dritte nicht. Melinda fasste um die Ecke und schaltete das Licht an. Eine Garderobe zur Linken, rechts eine offen stehende Klotür. Weiter hinten ein Wohnzimmer. In einem gigantischen Fernseher spiegelte sich das Flurlicht. Unter der Garderobe standen grobe Stiefel und drei Paar ausgelatschte Sneakers, darüber hingen eine dunkelblaue Allwetterjacke und zwei Kapuzenpullis. Ein Skateboard lehnte an der Wand. Daneben lagen ein Basketball und ein kaputter Regenschirm. Dies war nicht die Wohnung einer jungen Frau. Melinda tippte vielmehr auf Grambergs Zweitwohnung. War er eigentlich verheiratet? Hatte er Kinder? Sie löschte das Licht und zog die Tür wieder ins Schloss.

Was war mit den zwei anderen Türen? Nacheinander blickte sie durch die Schlüssellöcher. Rabenschwärze. Was hatte sie erwartet? Hinter einer dieser Türen hatte Stella gelebt. Noch vor etwas mehr als einer Woche hatte sie dort geschlafen, sich angekleidet, gelesen, geliebt und über ihre Zukunft nachgedacht. Hast du etwas geahnt, Stella? Hast du gewusst, dass etwas Schlimmes geschehen würde, dass dein nächster Ausflug in den Wald dein letzter sein würde?

Sie hörte Schritte auf der Treppe. Dann tauchte Bullerjahns grauer Haarschopf am Ende des Flures auf. In der Hand hielt er einen Schlüssel.

„Erik ist jetzt in der Lage, nach Hause zu fahren. Er wohnt nicht weit von hier. Sein Sohn kümmert sich heute Nacht um ihn."

„Sein Sohn? Du hast ihn angerufen? Was hast du ihm erzählt?"

„Jannek kennt mich. Ich habe ihm gesagt, dass es seinem Vater nicht gut geht und er heute Nacht nach ihm sehen soll. Er ruft mich an wenn irgendwas sein sollte."

Melinda dachte an Stellas aufgedunsenen Kopf, die schimmeligen Pilze, all die glänzenden Maden auf totem Fleisch. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass auch nur einer von ihnen heute Nacht ein Auge zutat, und wenn doch, dann würde die Nacht für jeden von ihnen voller Alpträume sein.

Der Schlüssel passte in die rechte Tür. Melinda hatte auf die linke gewettet. Weshalb genau wusste sie nicht. Beide Türen sahen fast identisch aus. Helles Holz, goldene Beschläge, hier und da ein Kratzer, ansonsten keine Auffälligkeiten. Hatte sie etwas gehört, etwas gerochen? Sie verscheuchte den Gedanken. Die Tür war offen, das allein zählte. Bullerjahn schaltete das Licht an.

Alles hätte sie erwartet, nicht jedoch das. Sie standen in einem etwa zwanzig Quadratmeter großen Zimmer. Weiße Wände, Holzfußboden. Vor dem Fenster ein großer Schreibtisch, rechts an der Wand ein Bett mit kunstvoll verziertem Kopf- und Fußteil, auf dem Boden ein grob geflochtener, sandfarbener Teppich. Es war lange her, dass Melinda so ein aufgeräumtes Zimmer gesehen hatte. In einem kleinen Regal hatte jemand feinsäuberlich Romane nach Farben einsortiert. Auf dem Schreibtisch lagen weißes Papier und verschiedene Schreibwerkzeuge exakt parallel zu den Tischkanten ausgerichtet. Das Bettzeug war Kante auf Kante zusammengelegt. Ohne Falte, ohne knittrige Stellen. Unter dem Bett lugte ein Reisekoffer hervor.

Bullerjahn blieb im Türrahmen stehen während Melinda einmal quer durch das Zimmer ging, am Fenster kurz stehen blieb, hinaus in die Finsternis sah, und anschließend zurückkehrte.

Bullerjahn schien dasselbe zu denken wie sie, aber aus seinem Mund hörte es sich irgendwie provozierend an.

„Ein wenig zu aufgeräumt für eine junge Frau, findest du nicht?"

Melinda hätte jetzt eine Diskussion führen können über das, was junge Frauen so taten und was Männer wie Bullerjahn dachten, dass sie es täten, aber dazu war sie jetzt zu müde. Sie wollte hier nichts anfassen, nicht ohne Handschuhe, nicht ohne Beweismittelbeutel und auch nicht ohne Siggi Helmholtz' sachkundigen Rat.

Pilzgericht (Krimi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt