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Gerade als Melinda das Präsidium verließ und hinüber zu ihrem Wagen ging, bog Helmholtz' roter Kombi um die Ecke, rollte durch das schmiedeeiserne Tor und hielt drei Plätze von ihr entfernt. Die Fahrertür öffnete sich. Helmholtz fiel eher aus seinem Wagen, als dass er herausstieg. Die Haare standen ihm wild vom Kopf ab, die Augenringe waren so dunkel, als hätte sie ihm jemand mit Kohle ins Gesicht gemalt. In der Hand hielt er eine Notebooktasche. Er brauchte drei Anläufe, um den Wagen abzuschließen. Eine Fernschließung kannte diese alte Kiste nicht.

Melinda ging zu Helmholtz hinüber und begrüßte ihn. Dieser hob den Kopf und blickte sie aus müden Augen an. Er roch noch immer nach Pfefferminzkaugummi.

„Wir kennen uns?"

„Melinda Sieben. Wir haben uns gestern Nacht im Wald getroffen. Stella Blume. Die Tote."

Er dachte nach. Melinda konnte seinen Gehirnzellen beim Arbeiten zusehen.

„Und was machen Sie dann hier auf dem Parkplatz? Weshalb sitzen Sie nicht in Ihrem Büro?"

Er hielt ihr die Notebooktasche vor die Nase.

„Der Bericht ist da! Der Bericht ist da! Drei Stunden habe ich im kalten Auto zugebracht, und Sie wollen ihn nicht lesen? Sie reißen ihn mir nicht aus der Hand?"

Melinda zeigte ihm ihr freundlichsten Lächeln. Sie wollte keinen Streit mit einem übermüdeten Spurensicherer.

„Muss eben zu einer Zeugenvernehmung. Bullerjahn ist oben. Bin gleich zurück! Lassen Sie sich einen Kaffee aufbrühen!"

Helmholtz brummelte noch irgendetwas Unverständliches in sich hinein, dann zog er sich den Mantel fester um den Körper und schlich davon.

Das alte Forsthaus befand sich am östlichen Rand der Stadt, dort wo die Straßen schmal, der Wald dicht und die Einsamkeit mit Händen zu greifen war. Melinda gefiel das. Sie parkte den Wagen am Wegesrand neben einem übermoosten Holzstapel. Noch immer hingen dichte Wolken am Himmel, ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Sie stieg aus dem Wagen und schloss ihn ab.

Zwei Forstwege führten von hier aus in den Wald, ein dritter zog sich zwischen uralten Kastanien den Hang hinauf. Wenn sie sich nicht irrte, dann führte dieser zu Grambergs Waldgasthaus. Dressler und Gramberg waren gewissermaßen Nachbarn. Zwischen ihren Grundstücken lag nur eine hundert Meter lange Wiese.

Dressler schien ihre Ankunft bemerkt zu haben, was nicht verwunderlich war. Melindas alte Kiste gab seit einigen Wochen beim Schalten und Gasgeben röchelnde Geräusche von sich, doch sie war zu faul und zu geizig, das Auto zur Reparatur zu bringen. Sie hatte ja das Fahrrad. Ihr Auto wollte sie irgendwann auf einem einsamen Parkplatz abstellen, die Nummernschilder abschrauben und vergessen.

Der große, kräftig gebaute Förster stand breitbeinig auf dem Treppenabsatz. In seiner Hand baumelte eine Axt. Melinda sah den Schweiß auf seiner Stirn glänzen. Der Hund erschien neben ihm, blieb kurz stehen, sah Dressler an und kam dann in gemächlichem Trab zum Zaun gelaufen. Er bellte nicht, hob nur neugierig den Kopf und schnüffelte. Ein Jagdhund. Die genaue Rasse kannte Melinda nicht. Er besaß einen hübschen Kopf, einen langen Körper, drahtige Beine. Sein Fell schimmerte grau.

„Melinda Sieben! Ich hatte angerufen!"

Dressler winkte sie heran.

„Haben Sie Angst vor Hunden?"

Melinda schüttelte den Kopf.

„Ich habe selbst einen!"

Nicht so einen schönen, dachte sie, aber ich habe auch einen. Einen Windpudel.

„Auch eine Hündin?"

„Einen Rüden. Zippo!"

„Interessanter Name!"

Pilzgericht (Krimi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt