Arndt verließ das Schlafzimmer und ging ins Bad. Das Aufstehen war ihm erstaunlich leicht gefallen. Der Blick in den Spiegel signalisierte ihm: es geht bergauf mit dir, Junge, bald bist du wieder fit! Er ließ Wasser in die Wanne und goss einen großen Schwung Kiefernduft hinein. In der Küche hörte er Bea mit Töpfen und Geschirr herumhantieren. Vor einer halben Stunde war sie hergekommen, um nach ihm zu sehen. Welch ein Engel! Sie bot ihm an, eine schnelle Kartoffelsuppe zu kochen, das würde ihn kräftigen, ihm die Angst nehmen. Er hatte spontan zugesagt.
„Angst? Wovon redest du, Bea? Ich hatte Fieber, habe geschwitzt wie ein Schwein, aber Angst?"
„Du hast Mattias was von einem Wandersmann erzählt, so einem Waldkerl aus Ästen und Rinde, der in deiner Zimmerecke hockt!"
Arndt war ein Stück näher an Bea herangetreten und blickte ihr fest in die Augen.
„Alles klar bei dir? Wovon zum Teufel redest du?"
Jetzt war Bea diejenige, die irritiert dreinblickte.
„Mattias hat dich mit Müh und Not zurück ins Bett manövriert, nachdem du mit fiebrigen Augen und gläsernem Blick im Präsidium aufgetaucht bist und Nachforschungen über Stella Blume anstellen wolltest! Du hast wirres Zeug geredet!"
Arndt konnte es nicht glauben.
„Mag sein. Aber da war kein Mann aus Holz, da war bloß eine Hornisse in meinem Zimmer, eine verdammte Hornisse, nichts weiter!"
Beide schwiegen. Auf dem Herd köchelte die Suppe. Es duftete herrlich nach Brühe, Speck und Thymian.
Während Arndt die Badezimmertür hinter sich zuschloss und sich aus dem Schlafzeug schälte, fragte er sich, wie Melinda auf die Idee mit dem Wandersmann kam. Was sollten diese abgedrehten Geschichten? Sein Blick fiel auf den Badezimmerschrank. Er stand halb offen. Arndt wusste, was sich darin befand. Er hatte ihn nur einmal geöffnet, am Tag ihrer Ankunft. Arndt gab sich einen Ruck und zog die Tür auf. Da standen sie, vier Kunststoffdosen, zwei für Melinda, zwei für ihn, darin rosafarbene Pillen, welche ihnen einen normalen Alltag, ein gesundes Auskommen mit ihren Traumata ermöglichen sollten.
Arndt nahm die Dosen nacheinander heraus und öffnete sie. Melindas Dosen waren beinahe leer. Arndt rechnete im Kopf die Tage aus, die sie schon in Osterode waren, und erschrak. Melinda hatte mehr Tabletten geschluckt, als sie gedurft hätte! Seine eigenen Dosen hätten voll sein müssen, nicht eine der Pillen hatte er geschluckt und es war ihm nicht schlecht ergangen. Arndt hatte sich von Anfang gegen den Chemiecocktail gewehrt. Er wollte sich sein Bewusstsein nicht manipulieren lassen! Was war nur mit dieser Frau los? Melinda musste sich auch bei seinen Pillen bedient haben.
Bea schnalzte tadelnd, als Arndt, nur mit einem Handtuch bekleidet, in die Küche kam und sich an den Tisch setzte. Sie stellte einen Teller Suppe vor ihm ab und setzte sich ihm gegenüber.
„Und dir geht's wirklich besser?"
Arndt nickte stumm und löffelte Suppe. Seine leichten Gliederschmerzen und den schweren Kopf wollte er Bea lieber verschweigen. Sie würde ihm sonst niemals erlauben, das Haus zu verlassen, und das musste er, wenn er Melinda retten wollte.
Er verzichtete auf einen Nachschlag.
„Wo stecken Melinda und Mattias?"
Bea wusste auch nicht mehr, außerdem wollte sie noch einmal zurück ins Präsidium. Zippo drehte sich in seinem Körbchen, dann hob er den Kopf und sah Arndt mit erwartungsvollen Augen an.
„Musst auch mal wieder vor die Tür, was, alter Junge!"
Arndt klatschte in die Hände und Zippo kam zu ihm gelaufen.
„Vier Augen sehen mehr als zwei! Lass uns Melinda finden!"
Arndt zog sich an. Auf dem Weg nach draußen blickte er sich noch einmal in seinem Schlafzimmer um. Nein, da war kein Mann aus Borke und Zweigen, nur ein Kleiderschrank und ein zerwühltes Bett! Arndt atmete erleichtert auf, rief Bea einen Abschiedsgruß zu und verließ mit Zippo an seiner Seite die Wohnung.
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Pilzgericht (Krimi)
Misterio / SuspensoDer zweite Fall für Holler & Sieben. Eine Tote im Pilzkorb, ein verliebter Förster, ein mysteriöses Phantom, ein Wald voller Geheimnisse und eine Vergangenheit, die einfach nicht ruhen will. Für Holler und Sieben kann es nur heißen: Zähne zusammen...