Melinda hatte etwas mit sehr viel Gemüse bekommen. Auf Bullerjahns Teller dampfte ein riesiges Schnitzel mit Waldpilzen. Arndt schluckte.
„Ein Wasser noch bitte, mit viel Eis und Zitrone!"
Die Kellnerin runzelte die Stirn, kritzelte etwas auf ihren speckigen Block und verschwand. Malzbier und Sprudelwasser, was für ein üppiges Menü.
Es ging ihm nicht gut. Er fühlte sich so dünnhäutig. War es hier wirklich so schmutzig, wirklich so verkommen? Vielleicht hatte er sich einen Virus eingefangen, oder sich bei der Aktion in Winklers Garten verkühlt? In diesem gammeligen Restaurant zu sitzen wurde ihm schon jetzt zur Qual, obwohl er doch erst etwas mehr als dreißig Minuten hier war. Einfach nur die Augen schließen und auf das Ende warten. Einfach nur die Augen schließen.
Bullerjahn kaute vergnügt auf seinem Schnitzel herum und spülte kräftig mit Bier nach.
„Sie sehen nicht gut aus, junger Mann! Nur ein Wasser...? Sie fangen doch nicht wieder an zu tanzen?"
Er schien das lustig zu finden. Die kindliche Freude der Unwissenden. Ihm fiel ein, dass er sein Skizzenbuch nicht eingesteckt hatte. Nur Beas Krimi. Drüben, in der Jacke am Garderobenständer. Ob Bea dieses Gasthaus kannte? Kein schlechter Schauplatz für einen Kriminalroman! Hatte sie selbst vielleicht etwas von dem erlebt, das sie in ihrem Roman beschrieb? War sie ein gebranntes Kind, genau wie er, genau wie Melinda? Wieder sah er unscharf. Er spürte wie sich seine Gedanken verselbstständigten, zu einem wirren Knäuel verknoteten.
Bullerjahn schnippte ein paar Krümel vom Hemd.
„Es ist wahrscheinlich besser, wenn ich ihnen erst morgen erzähle welche interessante Wendung es im Fall Winkler gibt!"
Melinda ließ augenblicklich die Gabel sinken und hörte auf zu kauen. Arndt versuchte möglichst desinteressiert zu wirken. Er sah auf seine Schuhe, dann über die Schulter zur Theke hinüber. Dort stand die junge Kellnerin, rauchte und unterhielt sich mit einem sehr beleibten, vollbärtigen Mann, wahrscheinlich ihrem Chef. Ab und zu sahen beide zu ihrem Tisch herüber. Der Dicke machte auf Arndt den Eindruck, als habe er letzte Nacht irgendwo im Tannendickicht geschlafen und sei gerade eben erst daraus hervor gekrochen. Unrasiert, abstehendes Haar, ungebügeltes, weißes Hemd. Arndt sah die Ränder des T-Shirts, welches er darunter trug.
Was für ein gewiefter Kerl dieser alte Kommissar doch war! Melinda gab ihm was er wollte, ihre ganze Aufmerksamkeit. Mit stummen Gesten forderte sie ihn auf zu erzählen.
„Winkler ist auf der Intensivstation. Wird rund um die Uhr bewacht. Ich rechne damit, dass wir ihn spätestens übermorgen vernehmen können. Die alte Winkler, die übrigens nicht seine Mutter, sondern seine Oma ist, haben wir kurz mitgenommen, aber nach ein paar Stunden wieder nach Hause gebracht. Ballert die mit einem Spielzeuggewehr herum! Die gute Frau ist 92, stellen sie sich das vor. Hatte überhaupt keine Ahnung was ihr Enkel getrieben, geschweige denn was er draußen im Schuppen Hübsches gesammelt hatte. Dass er mit dem Hund auf Kriegsfuß stand hatte sie mitgekriegt, musste das arme Vieh ja ständig vom Heizkörper losbinden und ihm die ganzen Kabelbinder abnehmen, mit denen Sebastian ihn immer wieder gefesselt hatte."
Ein weiterer Bissen, ein weiterer Schluck.
Kunstpause.
Arndts Blick war wieder klar. Jetzt war er doch neugierig geworden.
„Noch am selben Abend haben wir uns das Haus genauer angesehen. Fragen sie mich nicht wie die beiden da gehaust haben! Ist ja praktisch 'ne Ruine. Sauber gemacht hat da seit Jahren keiner mehr. Dann die vielen Ketten an den Heizkörpern. Winkler hatte den Hund wohl ständig festgebunden, damit er nicht rumlaufen konnte. Und dann der Keller ..."

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Pilzgericht (Krimi)
Mystery / ThrillerDer zweite Fall für Holler & Sieben. Eine Tote im Pilzkorb, ein verliebter Förster, ein mysteriöses Phantom, ein Wald voller Geheimnisse und eine Vergangenheit, die einfach nicht ruhen will. Für Holler und Sieben kann es nur heißen: Zähne zusammen...