England, Fogforest, Ravenstreet, Haddingtonschloss, 14. 2. 1863

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Die Kleinstadt Cursetown lag ruhig im Lande England. Wenn man eine Reise machte und über die Hügel des Forest of Curses ging, gelangte man irgendwann in einen Teil des Waldes, den die Menschen Fogforest nannten. Dieser Teil des Waldes war gefürchtet. Der Waldteil hatte sich den Namen bei den Menschen gemacht, da ungewöhnlich viele Nebelschweden gruselig über den Waldboden schwebten. Dort passierten merkwürdige Dinge. Menschen verschwanden auf unerklärliche Weise oder falls sie zurückkamen, waren sie eine andere Person. Der Fogforest veränderte einen Menschen, falls man den Weg zurückfand. Nirgendwo sonst gab es so gefährliche Moore, die Menschenleibe verschlangen. Der Fogforest war gefürchtet. Ganz tief im Fogforest lag das sagenumwobene Haddingtonschloss, wo Wissenschaftler für das Königshaus forschten. Die Menschen erzählten sich Sagen, dass die Familie Haddington in Verbindung mit dem Fogforest stehen solle...

Gerade rollte eine Kutsche über den Kiesweg des Vorhofes, wo ein großer Springbrunnen in der Mitte stand. Das Haddingtonschloss. Dort wohnte der Wissenschaftler Mr Walthari Haddington, was mächtiger Herrscher bedeutete, mit seiner Familie. Er war einer der wichtigsten und einflussreichsten Männer Großbritanniens. Heute wird er ein schreckliches Ende erleben...

Das mächtige Haddingtonschloss stand in hell beleuchteten Fackeln. Der Fogforest bildete düstere Schatten ab, während schwache Nebelschweden auf dem Waldboden schwebten. Die Wachen hielten ihre Augen aufmerksam in die Dunkelheit des Fogforests. Sie waren bestens ausgestattet, als würden sie jede Sekunde einen Angriff erwarten.

Der Kutscher hielt an und machte die Türe auf. Er streckte höflich seine Hand aus.

Eine ungewöhnliche schöne Frau zog ihre Hand von deren des Kutschers weg. Miss Grace Lockwood, die stets ihren eigenen Kopf hatte.

Die Wachen beobachteten diese wunderschöne Frau mit weichen Gesichtszügen. Obwohl sie während der Arbeit keine Emotionen zeigen durften, schaffte diese Frau es doch, sie zu verzaubern.

Mit hoch erhobenen Hauptes stieg Grace Lockwood alleine aus. Mit ihren strahlenden Augen blickte sie sich unwissend um. Sie wusste nicht, dass sie heute mitansehen musste, wie jemand starb.

Ihre außergewöhnlichen smaragdgrünen Augen blickten das mächtige Haddingtonschloss liebevoll an. Fast ihre ganze Kindheit hatte sie hier verbracht. Wie lange sie doch nicht mehr hier war und trotzdem schien alles noch so vertraut, als wäre sie nie weg gewesen.

Es war Abend. Die Wachen liefen im Marsch auf und ab. Die Luft war kalt und immer wenn Grace atmete, kamen aus ihrem Mund warme Luftwölkchen. Ihre Lippen bebten und sie zitterte am ganzen Körper. Sie bedankte sich bei dem Kutscher und lief mit ihrem pompösen Kleid die breiten Treppenstufen zu dem mächtigen Haddingtonschloss hinauf, das mit seinen großen Säulen, den vielen Goldverzierungen, den hohen Türmen und der prächtigen Größe, im wahrsten Sinne des Wortes unendlich mächtig und prächtig aussah.

Da sie schon lange nicht mehr hier war, kannten die Wachen vor dem Haupteingang Grace nicht. "Wohin des Wegs, Miss? Wie heißen Sie?", fragte einer von den Wachen.

"Ich bin Grace Lockwood", sagte sie selbstbewusst, denn sie wusste, was dieser Name hier zu bedeuten hatte.

Die Gesichtszüge des Mannes wurden weich und er konnte keine Bedrohung mehr in Grace sehen. Er nickte ihr freundlich zu und ließ sie mit einer einladenden Handgeste hindurch.

Grace klopfte mit einem Türklopfer in Form eines gemeißelten Rabenkopfs gegen die große Flügeltüre.

Ein alter Butler im schwarzen Anzug, weißen Samthandschuhen und wenigen grauen Haaren öffnete ihr die Türe. "Miss Lockwood?" Er lächelte sie erfreut an. "Sie haben sich aber lange nicht mehr blicken lassen. Seitdem das mit ihrem Dad - " Er stockte und blickte verzaubert in ihre wundervollen smaragdgrünen Augen. "Sie sind zu einer außerordentlichen Schönheit herangewachsen, Miss."

Grace kannte ihn schon von ihrer Kindheit an. Mr Jorge Robinson, der Oberbutler. Er hatte ihr die besten Naschereien serviert, wenn sie an langen Arbeitstagen auf ihren Dad, John Lockwood, wartete, der mit dem berühmten Wissenschaftler, Waltahri Haddington, geschäftlich arbeitete.

Auch wenn Grace schon viele Jahre nicht mehr hier war, erkannte sie Mr Robinson trotzdem noch. Bloß das er natürlich älter war und ein paar Falten mehr bekommen hatte. Aber sein Lächeln war immer noch dasselbe.

Ihr Dad, John Lockwood, war vor sechs Jahren, während einer Geschäftsreise gestorben. Grace war gerade zwölf Jahre alt, als das Unglück auf dem Schiff passierte. Das hatte sie zumindest immer gedacht. Aber gestern hatte sie einen Brief erhalten, der alles veränderte. Ihre Mum, Mira Lockwood, war plötzlich verschwunden als Grace ein paar Jahre alt war. Niemand kannte den Grund für ihr Verschwinden. Bis auf gestern, denn der Brief, den Grace zu ihrem 18. Geburtstag bekommen hatte, veränderte alles. In ihrem Kopf herrschte das reinste Chaos, dass sie überhaupt nicht deuten und sortieren konnte. Deswegen war Grace hier.

Sie wusste von ihrem Dad John, das ihre Mum Mira eine romantische und abenteuerlustige Frau war. Auch wenn Grace sie nicht genau kannte, liebte und bewunderte sie ihre Mum zutiefst.

Jetzt wohnte sie bei ihrem Onkel Henley Gardon, dem Bruder ihres Dads, den sie abgrundtief hasste und nicht als ihren Onkel bezeichnete. Er schenkte ihr keinerlei Aufmerksamkeit und interessierte sich nicht für sie. Er war zwar reich, wie Grace Dad es gewesen war. Aber kein Stück so gnädig und warmherzig wie sein Bruder John Lockwood es war.

"Guten Abend, Mr Robinson." Grace lächelte ihn ebenfalls an. Sie trat in das mächtige Haddingtonschloss, wobei ihre Stöckelschuhe auf den Marmorplatten aufschlugen.

"Was führt Sie zu so später Stunde zu uns, Miss?", fragte Mr Robinson mit seiner rauen, alten und heißeren Stimme.

Grace antwortete ihm nicht. "Ist Mr Haddington zu sprechen? Es ist dringend."

Mr Robinson nickte. "Ja, er empfängt Sie bestimmt oben im Arbeitszimmer, Miss. Für Sie hat er immer Zeit." Er deutete mit seinem knochigen Zeigefinger auf die große Treppe mit dem goldenen Geländer. "Den Weg kennen Sie ja."

Grace nickte und stieg die riesige Treppe hinauf. Sie lief ein paar Gänge entlang, die mit einem roten Teppich ausgelegt waren. Im gleichem Abstand, als hätte man auf jeden Millimeter geachtet, standen brennende Kerzenständer. Ab und an sah man Kamine mit knisterndem Feuer, was die Stimmung im Haddingtonschloss gemütlich machte. Die Wände waren mit vielen Gemälden der Haddingtons ausgestattet. An der Decke hingen Kronleuchter und in Vitrinen konnte man wertvolles Porzellan und andere Sammlerstücke bewundern. Der Hauptbestandteil des Schlosses war Gold. Manchmal kamen Butler mit Getränken auf einem Silbertablett Grace entgegen. Sie kam immer wieder in große Säle, wo jeweils ein Flügel und unterschiedliche Streichinstrumente auf einer Tribüne standen. Hier feierten sie immer Feste mit dem wichtigsten und einflussreichsten Adel Großbritanniens. Queen Viktoria war hier oft zu Gast. Man munkelte sogar, das sie eine Affäre mit Mr Walthari Haddington hatte. Grace hatte sogar schon mit ihr gesprochen. Auch die Medicis und andere Könige aus der ganzen Welt waren mit den Haddingtons befreundet.

Auch wenn Grace ihre ganze Kindheit hier verbracht hatte, kannte sie das Haddingtonschloss immer noch nicht, denn es war tausend Mal größer wie der Buckingham Palace und überwältigender mit den hohen Türmen und der verspielten Architektur.

Grace holte tief Luft und blieb für ein paar Sekunden regungslos vor der Türe des Arbeitszimmers stehen. Wenn Walthari Haddington ihr doch nur alles erklären könnte wegen des Briefs, wäre ihr Problem gelöst. Viel mehr aber hatte sie davor Angst, das Walthari Haddington ihr nichts sagen würde und sie für den Rest ihres Lebens unwissend blieb.

Die Tür stand einen Spalt weit offen. Grace klopfte trotzdem.

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Vielen Dank für das Lesen des ersten Kapitels. Lasst mir bitte gerne Feedback und Verbesserungen in den Kommentaren da.

Eine kleine Info. Ich nehme am Wave Award 2019 teil. Die Votingphase beginnt am 7.11.2018 und endet am 17.11.2018. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn ihr mich unterstützt, indem ihr mir ein Vote bei xcasanovax in dem Kapitel TAGTRÄUMER hinterlasst, wo ihr mich findet. In dem Kapitel Votingphase - INFO wird euch nochmal alles bestens erklärt.

katherine_fields

Der Rubin gegen den Smaragd Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt