London, Villa Gardon, 17. 2. 1863

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Grace Lockwood und ihr Onkel Mr Henley Gardon saßen sich gegenüber auf Sesseln. Mr Henley Gardon und Grace hielten den Afternoon Tea ab. Sie waren im Wohnsaal. Der Kamin knisterte und gab viel Wärme ab, während draußen in Cursetown ein Sturm tobte. Grace stellte sich vor, wie andere Menschen auf der Straße Zuflucht vor dem Sturm suchten und ihre zerrissene Kleidung festhielten, damit der Wind sie ihnen nicht vom Leibe riss. Sie dagegen saß mit Mr Henley Gardon im warmen Wohnsaal. Die Angestellten verwöhnten sie und ein Pianist spielte auf dem Flügel. Zu gerne hätte sie den armen Menschen geholfen. Ihr Dad John hatte das früher oft mit Grace gemacht. Stattdessen saß sie hier fest. Mr Henley Gardon ließ sie nicht einmal unbeaufsichtigt vor die Türe oder auf den Balkon. Von Liebe konnte man bei den beiden nicht reden. Der Grund der bestehende Sicherheit für Grace war, dass sie die Einzige Erbin des Vermögens der Gardons war.

Grace rührte in ihrem Tee herum. Ein Strudel bildete sich. Wie ein Tornado. Er war frei und niemand konnte ihm etwas vorschreiben, dachte sie. Der goldene Löffel klirrte immer wieder an der Tasse, während sie rührte.

"Grace, lass das bitte", sagte Mr Henely Gardon in seinem genervten Tonfall, den er mit seiner höflichen Stimme überspielte, obwohl er es gar nicht so meinte. Am liebsten hätte er Grace angebrüllt. Am liebsten wäre ihm Grace zart und höflich, aber sie war wie ein ungezähmter Mustang, wie er zu pflegen sagte. Am liebsten würde er sie gar nicht hier haben wollen. Am liebsten würde er ihr einen Fußtritt geben und herausschmeißen - aber das ging nicht. Mr Henley Gardon war ein Earl. The Earl of Gardon. Und er wollte seinen guten Ruf nicht verlieren, indem er seine Nichte rausschmiss. Dazu war Grace nämlich viel zu beliebt, wegen ihrer Schönheit und des sozialen Arrangement, das sie früher mit ihrem Dad stark zum Volk verband. Außerdem ging es um das Erbe, da Mr Henley Gardon bis jetzt noch keine Nachfolger hatte, die er seine Kinder nennen konnte. Er hasste Grace abgrundtief. Genauso wie seinen Bruder Mr John Loockwood, der ebenfalls ein Earl war. Deshalb musste Grace ihn auch Mr Gardon nennen anstatt Onkel. Aber das war Grace gleich. Sie hasste ihn ebenfalls so sehr, wie er sie.

"Entschuldigt, Mr Gardon." Grace nahm einen Scone mit Cotted Cream. Am liebsten hätte sie den Scone Mr Gardon einfach ins Gesicht gespuckt.

"Zum Glück ist das mit Mr Haddington geklärt. Wir hätten ein Vermögen für ihn zahlen müssen! Und warum warst du ohne meine Erlaubnis draußen? Du weiß das ich das nicht dulde Grace!" Er sah sie mit funkelnden Augen an. "Zum Glück siehst du wie eine unschuldige Taube aus - " Er stoppte. "Und nicht wie eine Mörderin."

Grace stöhnte. "Mr Gardon, ich habe Ihnen doch schon hundert Mal erklärt, dass er umgefallen ist!"

Mr Gardon unterbrach sie: "Ja!" Er lachte spöttisch, währen er sich von dem Porzelanteller ein Stück Victoria Sponge nahm. "Bei dem Wort the manuscript of the ravenpassage." Er schnaubte und schüttelte beschwörerisch mit seinen Händen.

"Es ist aber so gewesen!", sagte Grace lauter, während sie versuchte sich zu beherrschen, was sie nur schwer konnte.

"Nicht in diesem Ton Fräulein!"

Grace lehnte sich stöhnend zurück und lauschte dem Flügel. Am liebsten hätte sie dem Pianisten auf die Finger gehauen. Diese fröhliche Atmosphäre passte nicht zu der Anspannung, die im Saal herrschte. Grace war energiegeladen. Vor allem aber wütend auf Mr Gardon. Dieses Gespräch hatten sie schon tausend Mal geführt. Er glaubte ihr einfach nicht. Wie konnte er denn denken, dass sie eine Mörderin sei, wenn er sie schon von Baby auf kannte? Aber Mr Henley Gardon würde Grace alles zutrauen.

Mr Walthari Haddington's Tod hatte alle im Schloss überrascht. Es war ein paar Tage her. Grace hatte keine Antwort auf dem Brief ihres Dad's und sie wusste nicht, warum er bei dem Wort the manuscript of the ravenpassage umfiel und schließlich starb.

Zum Glück wusste sie nicht, warum Mr Walthari Haddington wirklich starb, denn das würde ihr Herz brechen.

Sie war unwissend... Und das war auch gut so. Na ja, so dachte es ihr Dad John Lockwood.

Der Rubin gegen den Smaragd Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt