Grace Lockwood's Tagebuch

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Ich blinzelte und rieb mir meine verklebten Augen. Ich umschlang mein Kissen fester, während ich auf einen Sessel starrte. Die Standuhr zeigte fünf Uhr an. Ich konnte nicht mehr weiter schlafen. Nicht nach dem emotionalen Abend und den Wahrheiten. Mir floss eine weitere Träne übers Gesicht, die ich schnell abwischte. Gestern sank ich hinter meiner Türe zu Boden, während ich stundenlang weinte. Ich war so wütend und konnte mich halbwegs beherrschen mein Turmgemach nicht zu verwüsten. Ich wurde mein ganzes Leben lang belogen! Wie konnte Dad mir nur so etwas antun? Wenn er es mir früher gesagt hätte, wäre jetzt alles anders. Ich stellte mir Situationen vor, indenen ich nicht anwesend sein werde: Geburtstage und Partys, bei der Klassenfahrt nach Frankreich, bei unseren Urlauben, an Weihnachten, mein erster richtiger Kuss, bei meinem High-School Abschluss, bei dem Abschlussball und die Zeit im College. Das werde ich alles verpassen... Ich kuschelte mich in die dicke Bettwäsche und rollte mich zusammen, während eine heiße Träne meine Wange hinunterkullerte.

Ein paar Sekunden vergingen, wo ich einfach nur vor mich hinstarrte, bis ich mich erhob, einen Morgenmantel von meinem Ankleidezimmer holte, ihn anzog und mich auf die Fensterbank setzte. Ich starrte nach draußen. Der Regen von gestern hatte aufgehört. Dafür war es schlammig und trüb. Mein Blick schweifte immer wieder über den kilometergroßen Fogforest. Die Landschaft um das Haddingtonschloss war hügelig und so unendlich groß, wie weit das Auge reichte. Ich erkannte Raben, die sich im Dickicht versteckten. Ich würde nur zu gerne wissen, warum sich ausgerechnet in diesem Wald so viele Raben tummelten. Aber vielleicht bildete ich es mir ja auch nur ein. Die ganze Rabensache wuchs mir einfach über den Kopf!

Seufzend stand ich auf. Was war eigentlich aus meinen Leben geworden? Ich war eine Erwählte, die sich in einen Raben verwandeln wird und ein gewisses the portal of the dead schließen musste. Mein Herz raste deshalb schon die ganze Zeit über, als wäre ich auf irgendeiner Droge. Überall waren Geheimnisse und Lügen versteckt, die ich herausfinden musste. Ich hatte das Gefühl, das mir einiges immer noch verschwiegen wird. Ich glaubte immer mehr daran, dass Dad Mr Haddington verbot, mir alles zu erzählen. Ich wusste erst einen Bruchteil. Aber warum verschwieg man mir so vieles? Glaubten sie, ich würde damit nicht klarkommen? Auf einmal dachte ich, das mich niemand kannte. Nichteinmal ich selbst.

Ich setzte mich an den protzigen Schreibtisch und stützte meinen Kopf in meine Hände. Ich beschloss mehr über dieses Schlafgemach herauszufinden. Wer weiß, vielleicht brachte es mich ja ein Stück weiter. Immerhin gehörte es dieser mysteriösen Grace. Und ich vermutete, dass einiges davon abhing. Immerhin war ich ihre Nachfolgerin.

Ich fing mit dem Schreibtisch an. Ich sah eine Schublade mit einem Schloss. Da musste bestimmt etwas wichtiges drin sein. Zum Glück war sie nicht abgeschlossen, was mich wunderte. Zum Vorschein kam ein altes Buch, das meinem Tagebuch etwas ähnelte. Es war braun und unglaublich staubig. Auf der Vorderseite stand wunderschönen geschwungenen Buchstaben:

Grace Lockwoods Tagebuch

Ich stockte. Wer war sie, das sie überall und doch nie da war? Ein grüner Stein war auf dem Lederbuch. Vielleicht ein Smaragd. Ich berührte ihn vorsichtig. Er musste unglaublich wertvoll sein. Ich löste die Schnürungen und klappte es vorsichtig auf. Ich hatte das Gefühl die Seiten würden mir in den Händen zerbröckeln. Sie waren fest wie ein Stück Stahl und sahen ziemlich abgenutzt aus. Die Schrift war zerkrakelt und unsauber. Auf der ersten Seite stand:

1863

Ich setzte mich auf den Stuhl und begann den ersten Eintrag zu lesen:

Liebes Tagebuch,

ab heute wird alles anders. Ich werde anders sein.

Ich habe den Fluch, der schon Jahrtausende in der Familie Haddington liegt. Ich werde die Erste Lockwood sein. Mein Wesen wird anders sein. Ich werde der Rabe sein...

Ich habe das Gefühl es ist der Anfang einer großartigen Geschichte.

Ich bin Grace Lockwood. Und das ist meine Geschichte.

Ich las mir Grace ersten Eintrag mehrmals durch. Vielleicht war dies der Tag, wo sie sich zum ersten Mal verwandelte. Sie hatte wenigstens Glück, das ihr Onkel Mr Walthari Haddington so schlau war und den mächtigsten Trank der Welt brauen konnte. Vielleicht hätte sich Grace auch niemals verwandeln müssen, wenn ihr Dad oder ihr Onkel nicht gestorben wären. Dann wären sie für Grace da, um ihr den Trank in ihre Getränke zu mischen.

Ich las gierig weiter. Ich wollte so viel wie möglich über sie herausfinden.

Liebes Tagebuch,

Wie soll ich mich Gilian gegenüber verhalten, wenn mein Herz völlig verrückt spielt, wenn ich in seiner Nähe bin? Bei der kleinsten Berührung von ihm, spüre ich jede Zelle meines Körpers. Plötzlich wird alles still um mich herum und ich kann nur mein pochendes Herz und mein Blut in den Adern posieren hören.

Ich liebe ihn.

Es klopfte.

"Ja?", fragte ich und versteckte Grace Tagebuch schnell wieder in der Schublade.

Dad trat ein.

Der Rubin gegen den Smaragd Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt