Die Shadowherrscherin Grace Lockwood

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Da stand sie...

Ihr Aussehen ließ mich schwanken. Sie war auch 14 Jahre alt. Ich dachte sie wäre 18 und erhielt in der Hölle das ewige Leben, da sie zu den Shadowdeads gehörte. Sie trug ein weinrotes Seidenkleid. Ich konnte es nicht beschreiben wie es war sich quazi selbst gegenüber zu stehen.

Sie musterte mich amüsiert. Wir schauten uns direkt in die Augen. Das gleiche Gesicht. Die gleichen Augen. Der gleiche Körper. Alles war gleich!

"Na, habt ihr mich vermisst?" Die Shadowherrscherin blickte amüsiert in die Runde. Grace wendete den Blick von mir und betrachtete die anderen. "Armin", sagte sie langsam mit künstlich aufgelegtem Schmollmund und schmolliger Stimme. "Musstest du mit einem so großen Aufgang kommen?"

Ihre Art, das sie sich alles erlauben konnte, machte mich wütend und ängstlich. Aber sie war nicht wie ich. Früher ja, aber jetzt nicht. Wie alle sagten: Sie war selbstverliebt, egoistisch, heimtückisch und böse. Sie war so wie ich, als sie sich noch nicht den Shadowdeads angeschlossen hatte.

Sie kam näher an uns ran. Mit filigranen und langsamen Schritten. (Wie konnte sie nur auf diesen High Heels laufen?)

"Ein ganz schön anderes Zeitalter. Nicht wahr? Jetzt gibt es diese BH's, die anstelle von einem Korsett ein Traum sind, diese High Heels, die Rechte und die Technik", sagte sie.

"Warum sind Sie in dem gleichen Alter wie Miss Jolina Lockwood?", fragte Mr Haddington mit zittriger Stimme.

Sie stand mir jetzt genau gegenüber. Ich lehnte mich zurück. Aber so, dass ich keinen Schritt rückwärts machte. Sie sollte nicht wissen, dass ich Angst vor ihr hatte, was sie aber bestimmt schon längst gerochen hatte. Mein klopfendes Herz und meine weit aufgerissenen Augen ließen Grace grinsen. Ich starrte sie einfach nur an.

Sie nahm eine Haarsträhne von mir und wickelte sie sich um den Finger. Ich bekam eine Gänsehaut und hatte das Gefühl mein Herz sprang mir vor Angst und Aufregung heraus. "Kleine Jo." Sie schnalzte und genoss dabei jedes Wort. "Ich war auch mal so wie du. So selbstbewusst, beliebt, einen Dickkopf und so unschuldig."

"Lassen Sie meine Tochter!", schrie Dad und schubste Grace zurück.

Sie stolperte und ihr Absatz brach. Ihr Bein knickte um. Doch ihre Miene veränderte sich nicht. Sie lachte verführerisch. "Hätte nicht gedacht, dass du dich das traust Charles."

"Für meine Tochter würde ich alles tun!" Dad ballte seine Hände zu Fäusten. "Fassen Sie Jolina ja nicht wieder an!"

Grace zog ihre High Heels aus und lief barfuß (als wäre sie auf dem Laufsteg) auf Dad zu. "Das hast du gerade nicht gesagt!", fauchte sie, als sie Dad gegenüberstand. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast.

"Und ob ich das gesagt habe!" Dad ließ sich nicht einschüchtern.

"Das hast du gerade nicht gesagt!", brüllte sie ihm ins Gesicht. "Niemand erteilt Grace Lockwood Befehle!"

Jetzt sah Dad ängstlich aus.

"Sag: Das habe ich nicht gesagt!" Ihre Augen funkelten.

Dad hatte so panische Angst, das er kein Wort herausbekam.

"Du weißt, dass ich dich töten und mir gleichzeitig einen perfekten Eyelinerstrich ziehen kann."

"Das habe ich nicht gesagt", murmelte Dad.

"Lauter!", brüllte sie.

"Das habe ich nicht gesagt!", sagte er im lauten Tonfall.

"Sehr gut." Ihre Stimme versüßte sich.

Dad schluckte und lehnte sich nach hinten. Alle schwiegen.

"Gib mir deine Schuhe Charles", sagte Grace und ging ein paar Schritte zurück.

Ohne eine Diskussion anzufangen, zog Dad seine Lackschuhe aus. Er reichte ihr sie. Grace zeigte auf den Boden. Dad stellte sie hin ohne Grace eines Blickes zu würdigen.

"Du da. Zieh mir die Schuhe an", befahl sie. Sie meinte einen gutaussehenden jungen Wachen, der neben Mr Haddington stand.

Dieser zögert kurz. Mr Haddington gab ihn einen Ellenbogenstoß. Der Mann zuckte kurz auf, lief dann aber los. Er kniete sich zitternd hin. Grace schmunzelte laut, hob ihr Kleid an und streckte ihr markenloses wunderschönes Bein aus. So sahen also auch meine Beine aus. Ich starrte Grace immer noch an. Ich hatte mich von der Doppelgängersache immer noch nicht beruhigt. Der Soldat griff nach ihrem gepflegtem Fuß und zog ihr die schwarzen Lackschuhe an.

Während er das tat, wiederholt Mr Haddington seine Frage: "Warum sind Sie in dem gleichen Alter wie Miss Jolina Lockwood?"

"Ich muss mich hier auf der Erde meiner Doppelgängerin anpassen. Ich wachse mit ihr", sagte sie, während sie mich ununterbrochen musterte.

"Wie sind Sie hergekommen?", fragte Mr Haddington mit verschränkten Armen.

"Ach Armin, wie kennen uns jetzt schon so lange! Duze mich, sonst fühl ich mich so alt." Sie lächelte künstlich verführerisch. Ihr Grace-Lächeln, was schelmisch, verführerisch, böse, sarkastisch und verschmitzt war.

Er nickte. "Wie bist du hergekommen?"

Als ich bei meiner ersten Begegnung mit Mr Haddington gesagt hatte, er solle mich duzen, war er völlig dagegen. Grace sollte er nicht widersprechen.

"Genug Kraft. Ich bin stärker denn je Armin. Und ich bin noch rechtzeitig durch the portal of the dead gekommen, bevor Jo es verschloss." Ihre Augen funkelten. So böse...

"Wo ist Gilian?", fragte Mr Haddington. Auf seinem Gesicht zeichnete sich eindeutige Angst ab.

"Ach der. Hab ihn umgebracht", sagte sie gelangweilt und mürrisch. "Er war eine ganz schöne Klette und so schwach."

Sie hatte tatsächlich ihren Freund umgebracht! Mit jeder Sekunde wusste ich ihre Gefährlichkeit mehr zu schätzen. Sie meinte es wirklich ernst. Ihr tat es nicht Leid, sie hatte nicht getrauert und empfand keine Reue. Das sah man in ihren smaragdgrünen Augen.

"Warum bist du hier?", fragte Mr Haddington weiter.

"Hab nen Plan", sagte sie lässig. Sie ging auf ihn zu.

Der Soldat war fertig und stellte sich wieder neben Mr Haddington. "Und der wäre?"

"Nur mal langsam", sagte sie verführerisch. Grace strich ihm über das stoppelige Kinn, während ihr Mund ganz nah an seinem Gesicht geheftet war. "Das werdet ihr schon sehen, wenn die Zeit gekommen ist." Ihre Stimme bestand aus purem Sarkasmus.

Mr Haddington fragte nicht weiter. Er stand wie ein Stock da und versuchte sich auf welche Art auch immer unter Kontrolle zu bekommen. Oder eher seine Angst zu verbergen. Was ihm nicht gelang. Er stank nach Schweiß.

Dann verwandelte sie sich und flog mit rasender Geschwindigkeit über unsere Köpfe, sodass alle sich bücken mussten.

Als sie außer Sichtweite war, ging das Getuschel los.

"Und wo ist das Haddingtonbuch?", fragte ich, während ich immer noch versuchte mein Gleichgewicht zu halten.

"Das sehen wir nie wieder", sagte Mr Haddington traurig. "Wir haben zwar Kopien, aber es ist ein Erbstück. Außerdem hat das Buch versteckte Seiten."

Ich hatte Mitleid mit ihm. Aber viel mehr Sorgen machte ich mir um uns alle. Was würde Grace uns antun und was hatte sie für einen Plan? Ich blickte auf die Stelle der Wiese, wo Grace gelandet war. Anstatt einer tiefschwarzen Rabenfeder ließ sie die Lackschuhe zurück.

Der Rubin gegen den Smaragd Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt