"Ja bitte?", hörte sie Mr Walthari Haddington rufen.
Grace trat ein. Mr Haddington saß an seinem Schreibtisch. Mit gefalteten Händen und grübelnder Miene musterte er sie, als Grace an seinem Schreibtisch trat. Auch wenn Grace es niemals zugeben würde, fand sie ihn immer noch gruselig. Sie dachte, die Angst würde verschwinden, denn früher war sie ein Kind und hatte verständlicherweise mehr Angst. Aber ihre Furcht hatte sich nicht verringert, auch wenn Grace jetzt erwachsen war. Seine grauen Augen und die dunklen Schatten, die sich darunter bildeten, sahen so herzlos und kalt aus, als würde Mr Walthari Haddington nichts empfinden. Das Einzige was Grace an ihm mochte, war seine selbstbewusste und mystische Art.
Dieser Arbeitsaal hatte Grace schon immer fasziniert. Er unterschied sich von den anderen Räumen. Während das ganze Schloss pompös war, war dieser Arbeitsaal sehr antik und alt. Er hatte spezielle Geräte, wovon Grace noch nie etwas gehört hatte, obwohl sie von einem Professor unterrichtet wurde. In seinem Arbeitsaal gab es eine Türe, die alt und zerfallen war. Grace hatte schon oft gerätselt, was dort drin wohl sein mochte. Nur ihr Dad, Mr Walthari Haddington und Eingeweihte durften ihn betreten. Auch jetzt warf Grace einen Blick zur Türe, als hoffte sie, sie würde sich auf magische Weise öffnen lassen.
"Warum sind Sie hier Miss Lockwood?", fragte er, während sich seine Augen in ihre bohrten, als könne er Grace Gedanken lesen.
"Ich bin gestern 18 Jahre alt geworden." An ihrer Miene konnte man nicht ablesen, ob sie sich darüber freute.
"Schön zu hören Miss. Gratulation nachträglich."
Sie nickte ihm dankend zu.
In seiner grüblerischen Art bildeten sich Falten an seiner Stirn. "Aber was geleitet Sie deshalb zu mir? Ich bin mit ihrer Familie nicht mehr im Geschäft wie Sie wissen." Er seufzte und ließ seine Hände auf den Tisch sinken. Mr Haddington war sehr traurig über Mr John Lockwood's Tod. Seitdem hatte er keine Geschäfte mehr mit den Lockwoods. Für Mr Haddington war Grace Dad nicht nur ein Geschäftspartner. Sondern auch ein Freund.
"Gestern, zu meinem 18. Geburtstag, hat mir mein Onkel Mr Henley Gardon diesen Brief gegeben." Grace holte aus ihrem großen Kleid einen Briefumschlag heraus. Er war etwas braun und verwelkt. Mit einem roten Siegel, wo ein Rabenkopf abgebildet war, war der Briefumschlag verschlossen. Auf der Vorderseite stand:
Für dich Grace. Meine Tochter.
Mr Gardon hatte ihn Grace am gestrigen Morgen gegeben, als sie all ihre Geschenke auspackte. Mr Gardon sagte, er solle den Brief an Grace 18. Geburtstag für sie, von ihrem Dad geben.
In dem Brief stand:
Liebe Grace,
ich weiß, dass du mich schrecklich vermisst. Ich dich auch. Diesen Brief hältst du nun mit 18 Jahren in den Händen und es schmerzt mich, nicht mitansehen zu können, wie du aufblühst.
Hör zu Grace! Du bist in größter Gefahr! Du musst großes vollbringen.
Du dachtest immer Mr Walthari Haddington und ich bauen Kaufhäuser. Aber das war eine Lüge, um dich zu beschützen. Wir sind Wissenschaftler und es gibt etwas, was die meisten Menschen sich nicht vorstellen können. Mr Walthari Haddington und ich haben lange geforscht und es entdeckt. Ich habe keine Zeit mehr, um dir das alles zu erklären Grace. Meine Stunden sind gezählt.
Gehe zu Mr Walthari Haddington. Er wird dir alles erklären.
Aber eins musst du wissen. Woran du dich festhalten kannst: Es ist wahr.
Hör zu, das Einzige was Mr Walthari Haddington und ich wollten, ist dich zu beschützen. Damit du ein unbeschwertes Leben führen kannst. Aber wir können dich nicht beschützen. Niemand kann das.
Deine Mum und ich sind nicht auf natürliche Weise gestorben.
Du bist die eine der Erwählten.
Alles hängt mit the manuscript of the ravenpassage zusammen.
Wir sehen uns.
Ich liebe dich.
Dad
Grace hatte sich den Brief hundert Mal durchgelesen und überlegt, was er damit meinen könnte. Sie verstand nicht. Die Handschrift ihres Dad's war kaum lesbar, als hätte er keine Zeit mehr gehabt, diesen Brief zu schreiben. Jetzt wollte sie die Wahrheit von Mr Walthari Haddington hören.
Seine Augen wurden leer, als er Grace den Brief zurückgab. Vielleicht war das seine Option, um die Traurigkeit zu verbergen. "Ihre wunderschöne Mum Mira Lockwood wusste zu viel. Schlaue Frau." Er stoppte. "Ihr Dad John wollte dem nahe kommen, was ihre Mum entdeckte. Aber Mira hatte keine Zeit mehr das Entdeckte auszusprechen."
"Meinen Sie the manuscript of the ravenpassage?", fragte Grace mit einem fragendem Blick.
Bei dem Wort the manuscript of the ravenpassage keuchte und rang Mr Haddington nach Luft! Er fasste sich an den Hals.
Er stand auf und fiel zu Boden...
Grace rannte zu ihm und kniete sich neben ihn. "Oh nein! Was ist denn los Mr Haddigton?" Verzweifelt sah sie sich um. "Hilfe! Ich brauche Hilfe!", schrie sie. Sie legte behutsam ihren Zeigefinger und Mittelfinger auf seine Halsschlagader, die nur noch leicht pochte. Zum ersten Mal, seit Grace Mr Walthari Haddington kannte, konnte sie Angst in seinen Augen sehen.
"Miss Lockwood! Sie... Sie..." Er hustete und keuchte, während er dabei Blut spuckte. "Sie müssen... müssen verschwinden..." Es strengte ihn an, die Wörter auszusprechen. Blut quoll aus seinem Mund. Er versuchte noch etwas über seine Lippen zu bringen: "Sie dürfen ihm niemals vertrauen."
"Mr Haddington! Mr Haddigngton! Was meinen Sie damit? Und wem soll ich nicht trauen?" Grace kullerten verzweifelt Tränen über die Wangen, während sie immer wieder um Hilfe schrie. Sie legte ihre Hand auf sein Herz. Ein paar Schläge konnte sie noch fühlen! Vielleicht war noch Hoffnung! Er war doch der Einzige, der ihr die Wahrheit entpuppen konnte! Über den Tod ihrer Eltern und das Geheimniss über the manuscript of the ravenpassage.
Grace schrie immer wieder um Hilfe, während sie ihre Hand auf sein Herz presste.
Plötzlich spürte Grace nichts mehr. "Was? Nein, nein!" Sie hatte soeben den letzten Schlag seines Herzens gespürt. Sein Körper lag reglos am Boden. Kein Leben floss mehr durch seinen Körper. Grace Tränen tropften auf seinen Anzug. Sie hielt mit der linken Hand Mr Haddingtons Hand fest. "Alles wird gut." Grace wusste nicht einmal, ob sie das selbst beruhigen sollte oder ob sie noch Hoffnung hatte, dass Mr Haddington dies hörte. Aber sie wusste, dass nichts mehr zu machen war.
Das getrocknete Blut klebte an seinem Mund. Er war tot...
Mr Robinson stolperte durch die Türe. "Ist etwas passiert Miss Lockwood? Was waren das für Schreie? Ich dachte schon - " Mr Robinson stoppte, als er den reglosen Körper von seinem Herren am Boden sehen lag. Sein Gesichtsausdruck erfror und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte man, dass der Oberbutler vor Schreck zu Eis gefror. "Ist er... ist er", fragte er mit nassen Augen. Er wagte das Wort nicht auszusprechen. Er wollte und konnte es nicht glauben, was vor seinen Augen geschah.
Grace nickte, während sie versuchte an ihren Tränen nicht zu ersticken.
Mr Robinson kam mit langsamen Schritten auf die wunderschöne Grace zu, die die Hand seines Herren noch immer festhielt. "Was ist passiert Miss?"
"Ich weiß es nicht." Weinend betrachtete Grace Mr Haddington.
Mr Robinson strich sanft mit seiner Hand über Mr Walthari Haddington's Augen.
Sie schlossen sich...
DU LIEST GERADE
Der Rubin gegen den Smaragd
FantasyDiese Geschichte handelt von einem beliebten Mädchen in ihrer Kleinstadt Cursetown. Jolina Lockwood, die mit einer außergewöhnlichen Schönheit beschenkt wurde. Ihr Leben stellt sich völlig auf den Kopf, als ihre Mum bei einem Autounfall ums Leben ko...