Ivana Lockwood

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Währen die anderen in die Pause gingen, gaben mir meine Freunde ein Zeichen, das sie auf mich draußen warten würden.

Ich schluckte, als ich vor Mrs Taylor Pult stand.

"Also, Jolina." Sie strich sich ein paar Haarsträhnen, die sich aus ihrem strengen Dutt gelöst hatten, hinter die Ohren. "Ich weiß, dass du vor ein paar Jahren deine Mum verloren hast und wenn es dir damit noch nicht gut geht, dann sag es mir bitte. Ich könnte dich zum Sozialarbeiter Mr Brown schicken."

Wie sich das anhörte ein paar Jahre... Es waren vier Jahre! Meine Augen wurden etwas feucht. Ja, alle die mich nicht kannten, sahen mich nur, weil ich die wunderschöne Jolina Lockwood war, die von allen Menschen wegen ihres Aussehens vergöttert wurde. Ich hasste alle dafür, das sie mich so sahen, denn sie kannten meine wahre Geschichte nicht. Ivana Lockwood, meine wunderschöne Mum war vor vier Jahren bei einem Autounfall gestorben und die Zeit ließ es sich so anfühlen, als wäre es gestern gewesen. Es war ein Schock für mich. Ich merkte, dass ich nicht mehr ich selbst war. Meine selbstbewusste Art und mein Dickkopf waren mir zwar geblieben, aber mein Humor, meine verständliche und fantasievolle Art waren halb weg. Ich wurde kühl und ernst. Nicht mehr so locker wie früher. Mein Herz war gebrochen. Jeden Tag hatte ich geweint, weil so viele schmerzhafte Erinnerungen in unserem Haus steckten. An den kleinsten Erinnerungen konnte ich zusammenbrechen. Ich liebte Mum einfach so sehr, dass ich nicht von ihr loskam. Ich konnte mir nicht in meiner besten Fantasie vorstellen, ohne sie zu leben.

Betty war immer für mich da. Ich überspielte, dass es mir gut ging. Aber es war überhaupt nicht mehr so. Dad hatte gesagt, dass ich normal weiterleben musste und die Vergangenheit hinter mir lassen sollte. "So hätte Mum es gewollt", hatte er mit Tränen in den Augen gesagt. Obwohl er wusste, dass er es selbst nicht konnte. Stundenlang saß er im Büro und kam erst in der Nacht (wenn überhaupt) nach Hause. Früher, als es Mum noch gab, kam er früher nach Hause. Er wurde traurig und kritisch. So wie ich damals.

Aber ich konnte jetzt sagen, dass es mir gut ging. Ich bin fast wieder die alte Jo - aber ich werde wohl nie mehr so sein, wie früher.

Meine kleine Schwester Scarlett verstand es nur halb, aber sie suchte überall nach ihr. Meine Grams Marry und Grandpa Phil (die Eltern von Mum) standen dann plötzlich vor unserer Türe. Sie sind extra von Wales nach uns zu Cursetown gezogen, wobei sie Städte - auch Kleinstädte -  nicht ausstanden. Grams hatte ihre kleine Bäckerei in dem Dorf, wo sie wohnten, aufgegeben. Dad war ziemlich froh, dass Mum's Eltern ihn unterstützten. Grams kochte wie eine Sterneköchin und backte die besten Torten und Kekse (was man ihr leider auch ansah, denn sie stellte einen Walross in den Schatten). Grams verwöhnte meine kleine sechsjährige Schwester Scarlett und mich. Grandpa hatte an allem und jedem etwas auszusetzen. Meisten las er Zeitung. Ich liebte sie gerade deshalb und es war ein Trost für mich.

Ich schüttelte nach langer Zeit den Kopf. "Nein, ich bin drüber hinweg." Meinen tat ich es natürlich überhaupt nicht so. Nie könnte ich darüber hinweg sein. Ich hatte damit zu kämpfen, dass der Staudamm in meinen Augen nicht zerbrach. Zum Glück konnte ich mich zusammenreißen.

Mrs Taylor sah mich mit ihrem Lehrer-Blick forschend an. "Gut, wie du meinst, aber du kannst jeder Zeit zu mir kommen." Sie sah mich mitleidig an, während sie schon wieder ihre Ordner zusammenpackte.

"Danke, Mrs Taylor", sagte ich, obwohl ich es nicht so meinte. Jetzt war mein ganzer Tag ohne hin schon gelaufen und ich fiel wieder in meine Grübeleien von Mum. Was wäre wenn...

Mit leerem Blick verließ ich das Klassenzimmer.

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Nach der High School standen Betty, Amy, Freya, Henry, Zayn und ich an der Bushaltestelle. Wie ich es befürchtet hatte, regnete es. Wobei regnen nicht der richtige Ausdruck war. Es strömte, aber wir mussten natürlich lachen. So waren wir halt. Diese fünf Menschen waren eine der wichtigsten Personen in meinem Leben und gehörten quasi zur Familie. Sie waren immer für mich da. In schlechten, sowie in guten Zeiten.

Der Rubin gegen den Smaragd Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt