Weihnachten liegt in der Luft

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Es war rappelvoll und schon dunkel, als wir durch das geschmückte Tor des Weihnachtsmarktes gingen.

"Lust auf Punsch?", fragte Amy, die sich mit ihren Blicken schon orientierte und die Lage scannte.

Wir nickten und liefen lachend zu dem ersten Stand.

Ohne eine Antwort abzuwarten, rief Amy über das Stimmgewirr: "Ich geb einen aus!" So laut, das sogar ein paar Leute aufschauten.

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"Was soll's sein?", fragte der Verkäufer mit Stoppelbart, als wir endlich dran waren.

"Fünf mal Punsch", antwortete Amy und kramte schon in ihrem Geldbeutel nach Scheinen.

Henry war nicht dabei. Keine Ahnung, was vorhin mit ihm los war. Er wirkte irgendwie angespannt und traurig.

Der Mann füllte fünf Tassen am Zapfhahn auf.

Amy überreichte ihm das Geld. Wir griffen nach den dampfenden Tassen und stellten sie an einen noch freien Bartisch.

Auf dem Weihnachtsmarkt in unserer Kleinstadt Cursetown gab es ein paar Karussells und ein kleines Riesenrad, in das wir aber nicht mehr reinpassten. Die Stände waren hübsch mit Weihnachtsdeko verziert. Es gab Süßigkeitenstände, Dosen-werfen-Stände und andere. Die Stimmung war wirklich gut und vor allem Geschäftsleute, die Feierabend hatten, tranken Einen.

"Hey!" Ein paar Mädels und Jungs aus der Alhambra kamen an unseren Bartisch, von denen ich sogar fast alle leiden konnte. Trotzdem hakten sich die meisten bei mir ein.

"Und, kennst du mich noch?", fragte eine tiefere Stimme, die mich an der Schulter anstupste. Wenigsten schüttelte dieser jemand die drei Mädchen ab, die gerade davon sprachen, was es doch für ein schöner Zufall sei mich hier zu treffen.

Ich drehte mich um und sah einen großen Jungen mit blonden Haaren und blau-grauen Augen. Er war zirka zwei oder drei Jahre älter als ich. "Was?", fragte ich im genervtem Tonfall. Ich wusste, dass ich kein Vorurteil treffen sollte, aber ich konnte mir schon denken was er wollte, wie fast alle Jungs, die mich ansprachen. Und der hier sah nicht gerade so aus, als würde er Punsch trinken mit mir vorziehen.

Er grinste. "Sorry, das ich was anderes dachte, aber es ist klar, dass so eine wie du sich nicht an mich erinnert."

Ich formte meine smaragdgrünen Augen zu Schlitzen. "Ach ja, was soll das denn jetzt heißen?" Ich hob meine Stimme und warf ihm trotzige Blicke zu. Ich wusste schon, was er von mir dachte. So wie alle, die mich nicht persönlich kannten. Ich hasste es einfach nur jeden Tag diese Vorwürfe zu hören, das ich eine von diesen hochnäsigen Zicken sei. Okay, früher war ich das ja auch. Aber ich versuchte mich zu ändern. Auch wenn das nicht immer klappte...

"Sorry, wenn ich dich verärgert hab. Ich bin Rory." Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und rümpfte sich die Nase.

"Joli..."

"Weiß ich doch."

Mein Körper spannte sich etwas an. Das er mir nicht mal die Chance gab -

"Ich bin aus den USA zurück. Ich war dein Klassenkamerad des ersten Jahres auf der Alhambra."

Meine Gedanken zu Ende denken, ließ mich dieser Rory also auch nicht.

Er starrte mich erwartungsvoll an und es entstand eine peinliche Pause.

"Ah! Rory!" Ich hatte keine Ahnung wer er war und versuchte zu lächeln, was bestimmt total gekünstelt aussah.

Er grinste schon wieder und schaute mich forschend an, während er sich das Kinn rieb. "Du hast keine Ahnung wer ich bin oder?"

"Ähm doch ich... ich kann mich erinnern", versuchte ich mich rauszureden, während ich mein Gesicht in der Tasse mit heißem Punsch versteckte und schnell etwas trank.

"Ach, wirklich?" Er hob eine Augenbraue.

Er grinste schon wieder auf seine ganz eigene Art und ich beschloss sein Grinsen Rory-Grinsen zu taufen. "Doch, ehrlich." Ich konnte mich zwar nicht an ihn erinnern, aber trotzdem sollten er und alle anderen nicht denken, dass ich ihrer Meinung nach nur an mich selbst dachte. Ich konnte in seinem Rory-Grinsen raus lesen, dass er wusste, das ich log. "Du bist also aus den USA zurück?", fragte ich interessiert, bevor er etwas erwidern konnte.

Er nickte. "Ja, meine Mum und ich sind mit einer neuen Familie nach England zurückgereist. Weißt du, Mum und ich haben unsere Heimat einfach vermisst."

Ich schlürfte an meinem Punsch und tat immer noch sehr interessiert.

"Das hier ist meine Stiefschwester Vanja." Er zog ein Mädchen in seinem Alter mit langen gefärbten roten Haaren am Ärmel zu uns.

"Hi", sagte sie etwas schüchtern und ich hörte sofort heraus, das sie Amerikanerin war.

"Wir gehen nach den Ferien wieder in die Alhambra", verkündete Rory voller Begeisterung, sodass ein paar der Leute, die sich um uns versammelt hatten, aufschauten. "Deshalb sind wir feiern. Ich habe ein paar alte Freunde zusammengetrommelt."

"Komm Rory, gehen wir weiter", sagte seine Stiefschwester und zupfte ihm am Ärmel.

"Klar." Er wandte sich zu mir um. "Also. Wir seh'n uns dann." Er schwieg kurz und sagte dann: "Ich habe sogar in den USA gehört was passiert ist. Es tut mir Leid."

"Bestimmt", erwiderte ich und schluckte schwer.

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Wir laberten noch ein bisschen mit den anderen und gingen dann zusammen Zuckerwatte essen, Dosen werfen und noch eine Waffel essen, wobei mir jetzt der Bauch weh tat.

Es war schon spät und die anderen waren gegangen, aber wir wollten noch Schlittschuh fahren, wobei ich zugegebenermaßen sehr schlecht fuhr und öfter's auf dem Eis lag, als auch nur einen Meter zu fahren.

Die Schlittschuhe hatten wir uns an dem Verleih geholt. Gerade schnürten wir sie zu. Die beleuchtete Eisbahn war voll, was das Versprechen von Amy brach, die sagte, dass Abends fast nichts los sei.

"Kommt ihr?" Zayn lehnte sich über die Bande. Er und Amy rasten schon wild herum und kreisten die Leute - er vor allem die Mädchen ein.

Zusammen an den Händen gingen wir drei Mädchen mit wackeligen Beinen auf's Eis. Wir hielten uns an der Bande fest und fuhren wie im Entenmarsch langsam am Rand entlang.

"Auch hier?" Ein paar Mädchen aus der Alhambra umarmten uns und fuhren mit uns. Es war unmöglich keine Freunde von mir draußen zu treffen. Ich war eben das It-Girl Jolina Lockwood.

Freya und Betty hatten es schnell wieder raus, aber ich hatte so meine Probleme.

"Alles verlernt?" Zayn grinste und nahm meine Hände.

"Zayn, warte! Nein!", rief ich.

Aber er zog mich schon in die Mitte des Eises. Er drehte sich um und fuhr rückwärts, während ich seine Hände nur noch fester umklammerte.

"Mach dich mal ein bisschen lockerer Jo."

"Nein, Zayn bring mich wieder an die Bande!" Ich hatte wirklich Angst hinzufallen, obwohl ich das für heute schon mehrere Male hinter mir hatte - oder es fing gerade erst an.

"Komm schon, du bist doch sonst immer die Furchtlose."

"Ja, aber beim Schlittschuh fahren ist das was anderes!"

Ich wusste gar nicht, wie um mich geschah, als Zayn mich auch schon auf seine Schultern nahm und so mit mir auf dem Eis hin und her raste. Ich kreischte vor Freude und krallte mich an seinen Haaren fest. Alle starrten uns an. Woher konnte Zayn eigentlich so gut fahren? Ich breitete meine Arme aus, während die kalte Abendluft in mein Gesicht peitschte. Ein paar Leute um uns herum kreischten und applaudierten, die meisten aus der Alhambra filmten und für einen Moment vergaß ich alles und war einfach nur glücklich.

Mein Kreischen verschwand auf einen Schlag. Mir wurde total schwindelig. Alles drehte sich. Mein Herz schlug plötzlich so schnell und das Stimmgewirr hörte ich weit entfernt an meinem Ohr, während es rauschte. Ich konnte mich nicht mehr an Zayn festhalten und knallte auf das Eis, während meine Augen zufielen...

Der Rubin gegen den Smaragd Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt