Etwas regte sich in der Villa Gardon. Jemand war hier.
Grace wurde von knarrenden Geräuschen geweckt. Langsam richtete sie sich auf. Sie lauschte. Sie wusste, dass jemand hier war. Ein Einbruch? Jetzt würde sie bestimmt nicht zu Mr Gardon oder den Angestellten rennen. Sie wird das selbst in die Hand nehmen. Falls es ein Entführer war, war es ihr gleich ob er sie mitnahm oder nicht. Sie wollte ein Abenteuer erleben. Hier und jetzt. Keinen Tag länger würde sie es mit ihrem Onkel Henley Gardon aushalten.
Mutig wie Grace war, tapste sie auf den Marmorboden den Flur entlang. In völliger Dunkelheit. Nur ein paar Kerzen brannten. Die anderen waren erloschen. Sie konnte das laute Schnarchen von ihrem Onkel deutlich hören, der die Tür seines Gemachs einen Spalt weit aufgelassen hatte. Grace verzog den Mund. Alles war so wie immer. Grace schlich die Treppe hinunter. Jetzt war sie im Eingangsbereich. Sie lauschte und wagte kaum zu atmen. Grace blickte sich suchend um und wartete darauf noch ein Geräusch wahr zu nehmen. Ihr Herz konnte man deutlich klopfen hören. Verstohlen blickte sie sich um. "Ist jemand hier?", hauchte sie.
Da! Ein Knistern! Sie fuhr herum und schrie!
Na ja. Das hätte sie fast. Jemand presste ihr die Hand auf den Mund! Diese außergewöhnliche, wunderschöne, junge Frau blieb regungslos stehen. Sie wusste wer es war. Der Einbrecher tat seine Hand von ihrem Mund weg.
"Mr Jorge Robinson?" Sie schnappte nach Luft. "Was machen Sie denn hier?" Grace blickte ihn verwundert an.
"Miss Lockwood, Sie müssen sofort mitkommen!" Er war völlig außer atmen. Er schwitzte und Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
"Aber warum?", hauchte Grace.
"Es könnte jeden Augenblick passieren!" Seine heißere Stimme überschlug sich fast.
"Was passieren?" Auf einmal war Grace besorgt. So hatte sie Mr Robinson noch nie erlebt. Er war so außer sich, sodass er kaum atmen konnte. "Am besten ist es, wenn Sie sich erst einmal hinsetzten." Grace deutete auf ein Designersofa, dass neben den Schuhen und Anoraks stand.
Der Oberbutler schüttelte den Kopf. "Nein, auf keinen Fall!" Er atmete schwer und stützte seinen Händen auf die Knie. "Sie müssen mitkommen! Jetzt!"
Grace blickte ihn prüfend an. "Ich vertraue Ihnen."
In ihrem weißen Seidennachthemd trat sie mit Mr Jorge Robinson durch die Türe. Sie stiegen in die Kutsche, die sofort losfuhr, sodass sich Grace gerade noch an den Polstern festkrallen konnte. Sie blickte noch einmal zurück. Das Herrenhaus ihres Onkel würde sie nie wieder sehen. Schließlich wurde sie von dem schnellem Fahren in den Sitz geschleudert. Grace hatte noch nie eine so schnelle Kutschfahrt erlebt. Ständig wurden sie in enge Kurven gedrückt. Die Kutsche holperte und überschlug sich fast von der Schnelligkeit.
"Warum soll ich mitkommen?", fragte Grace außer atmen, als wäre sie selbst das keuchende Pferd, das vor der Kutsche angespannt war.
"Es könnte jeden Augenblick passieren!", wiederholte der Oberbutler schweißgebadet, als sich das Holpern der gepflasterten Straße legte.
"Was passieren?", wiederholte auch Grace ihren Satz.
"Der Fluch." Seine Augen verfinsterten sich.
Grace musste etwas lachen. Wie bitte? Hatte sie da richtig verstanden?
"Es ist wahr", sagte Mr Robinson bestimmt. "Genau das wollte ihr Dad Mr John Lockwood in dem Brief sagen."
"Ich verstehe nicht ganz."
"Mr Walthari Haddington sollte Ihnen die Wahrheit sagen Miss. Nur leider hatte er ein schwaches Herz und starb, bevor er es Ihnen sagen konnte. Jetzt muss ich das in die Hand nehmen. Das Wissen wurde über die Butlerfamilie Robinson von Generation über Generation weitergegeben." Er blickte ihr fest in die Augen, während Grace ihn nur fassungslos anstarrte.
Sollte sie ihm glauben? Das klang alles so verrückt. Das ergab alles keinen Sinn, dachte Grace, während sie ihn verstohlen anstarrte. Sie starrte ihn an, um in seinen alten Augen, wo die Augenlider fast nur aus Falten bestanden, die Wahrheit herauszufinden. Aber sie fand keine Anzeichen, das er log. "Angenommen Sie haben Recht. Was ist das für ein Fluch?" Grace blickte ihm forschend in die Augen.
"Sie können sich jederzeit in einen Raben verwandeln", sagte er angsteinflößend, während sich dunkle Schatten unter seinen Augen bildeten.
"Wie bitte?"
"Sie haben richtig gehört."
"Aber das ist unmöglich." Sie schüttelte den Kopf.
"Ist es nicht. So vertrauen Sie mir doch Miss Lockwood. Was wollte ihr Dad Ihnen wohl mitteilen, indem er wollte, dass Sie zu Mr Walthari Haddington gehen?" Er blickte sie fragend an.
Grace zuckte mit den Schultern.
Mr Robinson ließ seine Schultern hoffnungslos fallen. "Na, den Fluch Miss. Mr Walthari Haddington sollte Ihnen alles sagen."
Grace sah ihn prüfend an. Sie vertraute ihm und kam langsam zu dem Entschluss, das er nicht log. Sie erinnerte sich noch an ein paar Sätze von dem Brief ihres Dads: Aber eins musst du wissen. Woran du dich festhalten kannst: Es ist wahr. Du bist eine der Erwählten. Alles hängt mit the manuscript of the ravenpassage zusammen. Es war wahr, dachte Grace, während sie Mr Jorge Robinson bestimmend zunickte. Ihr Dad hatte ihr das Wort darauf gegeben. Sie hatte den Fluch und wird sich in einen Raben verwandeln... Was immer das auch zu beudeten hatte...
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Der Rubin gegen den Smaragd
FantasíaDiese Geschichte handelt von einem beliebten Mädchen in ihrer Kleinstadt Cursetown. Jolina Lockwood, die mit einer außergewöhnlichen Schönheit beschenkt wurde. Ihr Leben stellt sich völlig auf den Kopf, als ihre Mum bei einem Autounfall ums Leben ko...