Einundsechzig

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„Danke", sagte ich seufzend zu Azat, der Arian gerade auf sein Bett legte. Er war direkt im Auto eingeschlafen und Sheyna, Celina und ich hätten ihn nicht hier herbringen können. Wir beide guckten ihn an. Wie er mit gespreizten Armen und Beinen dalag und irgendetwas unverständliches murmelte, wie die ganze Fahrt über auch.
„Boss hat getrunken?", fragte Azat sichtlich überrascht und ungläubig darüber.
„Nicht nur ein Bisschen und er wollte sogar noch mehr."
Seufzend legte ich seine Beine zurecht und zog ihm seine Schuhe aus.
„Ich weiß, ich muss es nicht sagen aber", fing Azat an, als er rausgehen wollte.
„Bitte passen Sie auf Boss auf...er...er ist wirklich stark aber ich habe auch immer gesehen, wie verletzlich er ist. Georgios war mehr als nur ein Onkel für ihn. Ich habe ihn nie so glücklich gesehen wie mit Ihnen und...bitte holen Sie den glücklichen Boss wieder zurück. Er hat es wirklich verdient."

Ich lächelte warm und nickte ihm verständlich zu.
„Mach ich."
Er nickte mir ebenfalls zu und warf nochmal einen mitfühlenden Blick auf Arian, bevor er rausging. Es wärmte mein Herz, wie gefühlvoll er Arian gegenüber war. Ich setzte mich neben ihn aufs Bett und musterte sein Gesicht. Wie seine dunklen Haare verwuschelt und unordentlich auf seiner Stirn lagen, wie er mit leicht geöffnetem Mund einfach schlief. Als sei nichts los. Sorglos. Obwohl sein Inneres voller stürmischer Unruhe war.

Seufzend legte ich meine Hand auf seine Wange und strich mit meinem Daumen drüber. Azat hatte vollkommen recht; Arian war verletzlich. Er war immer noch ein das kleine Kind, das sich nach Liebe sehnte. Ich hielt es jedoch nicht aus, dass er seinen Schmerz zu unterdrücken versuchte. Er sollte ihn mit mir teilen, wie er es schon immer gemacht hatte. Damit ich ihm diesen nehmen und ihn stattdessen mit voller, selbstloser Liebe füllen konnte. Damit ich ihn glücklich machen konnte. Ich verstand zwar nicht, wieso er sich dagegen wehrte mir seine Verletztheit zu zeigen aber ich wusste, wie ich damit umzugehen hatte.

Ich beugte mich über ihn und legte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn, woraufhin er sich leicht regte.
„Ich...liebe dich, Annabella", nuschelte er und zog mich abrupt an sich.
„Ich liebe dich so sehr."
Er umklammerte meinen Oberkörper und vergrub sein Gesicht in mein Dekolleté.
„Ich liebe dich auch", flüsterte ich legte meine Arme um seinen Kopf.
„Ich liebe dich auch."

Euphorisch öffnete ich die schweren Gardinen, sodass strahlendes Morgenlicht ins Zimmer und direkt auf Arians Gesicht strömte. Wie zu erwarten verzog er das Gesicht und knurrte gestört, doch es waren schon zwei Uhr nachmittags. Jetzt konnte er ruhig aufwachen. Mit gerunzelter Stirn blinzelte er ein paar Mal.
„Guten Morgen Sonnenschein! Wir haben 14 Uhr, das Wetter ist ziemlich gut; warm und hell und zu Frühstück, naja, Mittags-Frühstück gibt es leckere Pfannkuchen und Obst. Mann es war schwierig alle Zutaten in deiner Küche zu finden."
Ich nahm das Tablet vom Tisch und drehte mich zu ihm um. Er hatte sich aufgesetzt und schaute mit immer noch verzerrtem Gesicht umher.

„Kopfschmerzen?", fragte ich, als er sich zischend an seinen Kopf fasste.
„Und mir ist verdammt schlecht", antwortete er mit einer Stimme, die seine Aussage unterstrich, woraufhin ich bloß meine Schultern zuckte.
„Was hast du sonst erwartet? Dass du dich wie neugeboren fühlst? Du wolltest sogar noch mehr."
Ich legte das Tablett mit den duftenden, warmen Pfannkuchen wieder ab, da es nicht danach aussah, dass er jetzt essen konnte oder wollte. Er stützte sich an die Bettlehne an und seufzte tief, während er seinen Hals reckte. Ich blieb einfach mit verschränkten Armen stehen und beobachtete, wie er sich über das Gesicht fuhr.

Als er mich dann ansah, biss er sich auf die Unterlippe und ich wusste genau, was sein trister Blick bedeutete. Er schämte sich etwas für seine Tat.
„War eine beschissene Idee, stimmt's?", sagte ich verstehend und hob meine Augenbraue. Doch anstatt mir recht zu geben und es zuzugeben, fing er an zu lächeln.
„Warum? Ist doch ganz normal oder nicht? Partys, Alkohl, Kater."
Ich verdrehte meine Augen und stöhnte genervt.
„Ich meine, das macht man doch in diesem Alter. Sich betrinken, Spaß haben...ich weiß gar nicht, warum das so eine große Sache ist."
Er versuchte sicher und locker zu klingen aber ich hörte die Unsicherheit heraus. Wieso zur Hölle tat er das?
„Du wolltest nur ganz normal Spaß haben also..."
Ich hob skeptisch eine Augenbraue und er zuckte seine Schultern nickend.
„Das war also kein Versuch deinen Kummer wegzusaufen oder so."
Er schüttelte verneinend seinen Kopf, woraufhin ich auf ihn zustampfte, einfach nach einem Kissen neben ihm griff und direkt in sein Gesicht warf.

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