Einundsiebzig

5.8K 360 116
                                    

So Cold

Ich konzentrierte mich mit stehengebliebenem Herzschlag darauf, irgendeine Bewegung seinerseits zu sehen. Ich hatte es mir nicht eingebildet; meine Berührung hatte etwas in ihm geregt!

Doch folgte keine weitere Regung.
Nicht in seinem Gesicht, nicht an seinem Körper.

Ein halber Seufzer mit einer Mischung aus einem Schluchzen verließ meinen Mund ehe ich meine andere Hand ebenfalls anhob, um seine komplett umklammern zu können. Sie war kalt. Eiskalt.

Dann passierte es nochmal. Seine Brust hob sich abrupt, um tief Luft einzuatmen und mein Herz klopfte automatisch mit neuer Hoffnung geweckt mit intensiver euphorischer Geschwindigkeit.

„Ja, du spürst mich", flüsterte ich mit verzogenem Gesicht, als Versuch reden zu können, während ich nichts weiter wollte als diese schwere Kraft loszulassen und rastlos loszuweinen. Ich nickte sicher und presste meine Lippen aufeinander, um dieses zerstörende Gefühl in mir auszuhalten.

„Arian", fuhr ich fort nachdem ich fest über die Enge in meiner Kehle geschluckt und tief durchgeatmet hatte. Ich blieb einen Moment still und konnte den heftigen Schlag gegen meine Brust spüren, als ich nicht wie sonst immer ein zufriedenes Lächeln von ihm bekam, weil er es so schön fand, wie ich seinen Namen aussprach...

„Ich weiß du kannst mich hören."
Ich strich mit meinem Daumen über seinen Handrücken und legte meinen Kopf schief.
„Du kannst mich hören und spüren...immer. Hast du nicht selbst mal gesagt, du könntest mich hören, wenn ich nichts sage und mich spüren, wenn wir uns nicht anfassen."
Ein schmerzvolles Lachen entfuhr mir bei der Erinnerung an seinen Worten. Gleich darauf flossen wieder weitere Tränen brennend über meine Wangen, weil meine Lache einsam im Raum hallte, ohne im Einklang mit seiner zu sein.

Ich versuchte krampfhaft die Schluchzer zurückzuhalten, die drängten aus meiner zugeschnürten Seele zu entfliehen, konnte dennoch nicht verhindern, dass die Tränen meine zugekniffenen Augen verließ. Tief atmete ich mehrmals durch und zwang mich dazu mich zusammenzureißen, was einer der schwersten Aufgaben war.
„Nein", sagte ich mit schwacher Stimme und wischte mir die Nässe von den Wangen.
„Ich weiß, du hasst es, wenn ich weine."
Erzwungen lächelnd sah ich ihn wieder an.

Ich kann dich nicht weinen sehen, Annabella
Wein nicht, bitte...

„Aber wenn wir jetzt mal ehrlich sind...die richtige Heulsuse warst ja immer du."
Ich hob andeutend meine Augenbraue, als würde ich ein ganz gewöhnliches neckendes Gespräch mit ihm führen.
„Ich meine, bei jeder Kleinigkeit warst du am Boden zerstört, wie damals, als du die Rose verloren hattest, die du mir schenken wolltest."
Ich wischte mir die unkontrollierbaren Tränen weg aber redete euphorisch weiter.
„Oh Gott, ich kann mich noch an deinen Gesichtsausdruck erinnern. Deine Lippe war vorgeschoben und deine Augen voller Tränen."
Lachend schüttelte ich meinen Kopf bei der Erinnerung, die sich fest, wie jede andere unserer gemeinsamen Kindheit, in mein Gedächtnis gebrannt hatte.

Doch ebbte mein einsames, leeres Lachen schnell wieder ab, als der unglaubliche Schmerz des Hier und Jetzt mein Herz quälend zusammenzog und das höllische Bewusstsein weckte, dass ich ganz allein über unsere gemeinsamen Erinnerungen lachte.

Seufzend blickte ich ihn verloren an.
„Und das einzige, was dich immer wieder glücklich gemacht hat, war ein Lächeln von mir", flüsterte ich und musste meine Zähne aufeinander pressen, um die aufkommende Welle der unglaublichen Qual zurückzuhalten.

Smile With MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt