Zwanzig

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Ich konnte nicht verhindern, dass meine Hand zu seiner Wange glitt, wodurch er sofort Inne hielt, zurückwich und sich zum Lenkrad umdrehte. Wie auf Kommando fing es an leicht zu regnen.
„Arian, du hast ein tolles Lachen. Wieso versteckst du das?"
„Es gibt keinen Grund zu lachen", sagte er bloß und umklammerte das Lenkrad fest, während er stur beobachtete, wie die Tropfen auf die Scheibe fielen. Seine Aussage machte mich traurig und ich wollte nicht nur etwas sagen, um ihn zu überreden oder sonst was. Diese Kälte und Härte zum Leben lag tief verborgen in ihm und ich wollte sie wirklich aus ihm herausholen.

Ich öffnete die Autotür, sodass das Prasseln deutlicher wurde.
„Was machst du da?"
Ohne auf ihn zu achten streckte ich meinen Arm heraus und spürte, wie vorsichtig und behutsam nasse Tropfen auf meine Haut fielen und die Hitze des Sommers kühlten.

Arian
„Du wirst nass, Annabella."
Sie hörte nicht auf mich, trat jetzt komplett aus dem Auto und schloss die Autotür, wodurch sie mich nicht würde hören können. Was machte sie da? Es regnete nicht ganz so stark aber genug, um sie bald ganz zu durchnässen und genau das schien sie zu wollen. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und schloss ihre Augen, als wolle sie die Berührung des Regens spüren. Etwas an ihrem sorglosen Anblick, wie sie einfach in den Tropfen dastand und vergaß, wo sie war schien mich anzuziehen. Ich wollte plötzlich auch raus. Zu ihr.

Ich öffnete ebenfalls die Tür und trat in den Regen.
„Was machst du da?"
Meine Worte schienen ihre Ruhe kein Wenig zu stören. Sie war komplett versunken in das Hier uns Jetzt.
„Komm her", sagte sie nur, ohne ihre Haltung zu ändern. Irgendwie gehorchte ich ihr automatisch und näherte mich ihr. Ich konnte meinen Blick nicht von ihrem Gesicht abwenden, so bezaubernd sah das aus. Ein kleiner Sonnenstrahl schien durch die dichten Wolken darauf hinab.
Sie stellte sich wieder aufrecht mir gegenüber hin und nahm meine Hand. Es war ganz komisch, wie nur diese eigentlich kleine Berührung mich erfüllte. Sie drehte meine Handfläche nach oben, um mich den Regen darauf zu spüren zu lassen.
„Wenn man einfach so durch den Regen läuft, kommt er einem vor wie ein Wasserfall. Nur Wasser, das auf einen herabfällt", begann sie zu sprechen und betrachtete meine Hand.
„Man versucht nicht einmal die einzelnen Tropfen, die diesen Wasserfall ausmachen, zu beachten."
Sie schien langsam in ihre eigenen Worte versunken zu können.

Sie ließ meine Hand wieder los und befahl mir :„Mach deine Augen zu."
„Wa-"
„Mach doch einfach", sagte sie genervt augenrollend und ich hatte ihr noch nie richtig entgegenwirken können.Seufzend schloss ich meine Augen und war bereit ihr noch mehr zuzuhören. Irgendwie gefiel mir dieser Moment.
„Konzentrier dich mal auf jeden einzelnen Tropfen, Arian. Manche fallen leichter auf die Haut, manche fester. Lass all deine anderen Sorgen los und genieß, wie die frischen Tropfen in diesem heißen Wetter deine Haut kühlen. Lass alles andere los. Alles, was dich nicht lachen lässt."
Während sie sprach fuhr sie mit ihrer warmen Hand über meinen Arm und ließ ihn nicht los.
„Es gibt Gründe zum Lachen, Arian. Wir nehmen sie aber zu wenig wahr. Es sind die kleinen Tropfen, die sich gut anfühlen aber wir lassen sie mit den anderen verschwimmen und beachten sie nicht."

Ihre sanfte Stimme drang durch meine Ohren, während ich mich tatsächlich einließ und ganz langsam versuchte die einzelnen Tropfen zu spüren, die unter dem Rausch aller anderen auf meiner Haut niederprasselten. Je länger ich mich in das Geschehen der Natur ziehen ließ, desto mehr vergaß ich alles andere und hörte bald nur noch das Aufschlagen des Regens auf dem Boden, roch nur noch den süßen Geruch, wie sich Nässe und Hitze vereinte und fühlte mich immer leichter. Was wohl mehr an Annabella neben mir lag, die ihre Hand wieder an meiner gelegt hatte und jedes Gefühl verstärkte. Zum ersten Mal nach so langer Zeit wollte ich wieder frei sein und wirklich alles loslassen. Mit ihr.

Bel
Ich betrachtete ihn, wie er seinen Kopf dem Regen entgegen geneigt hatte und komplett versunken war. Ich hätte ihn die ganze Zeit angucken können und das schöne Gefühl in mir würde sich nicht verringern. Es war jetzt kein richtiger Regenschauer, weshalb wir noch nicht ganz durchnässt waren aber er war genug, um seine lockeren Haare schwer auf seine Stirn fallen zu lassen.
In der anderen Hand sammelte ich langsam etwas Regen und als genug drin war warf ich ihn schnell damit ins Gesicht und trat vorsichtshalber zurück. Ihn schien das kein Bisschen was auszumachen . Er öffnete bloß seine Augen und drehte seinen Kopf grade, während er mich mit einem desinteressierten Blick musterte. Ich streckte ihm kindisch die Zunge heraus und hatte nicht erwartet, dass er wirklich langsam einen Schritt auf mich zumachte.

Ich trat weiterhin zurück und hörte nicht auf ihm die Zunge rauszustrecken oder mich von seiner dunklen, etwas einschüchternden Miene beirren zu lassen.
„Stop."
Ich hielt meine Hand hin.
„Ich habe gerade spontan Lust bekommen zu tanzen."
„Tanzen?", fragte er und hob eine Augenbraue.
„Hier, genau jetzt."
Breit grinsend fing ich an mit meiner Hüfte zu wackeln und musste lachen, als er mich konfus ansah. Ich wusste, wie verrückt ich manchmal rüberkam aber ich versuchte einfach nur jeden Moment zu genießen, der es wert war.

„Ok, ich habs bei dir zu Hause verstanden. Da hast du Musik angemacht aber hier?"
Ich zuckte bloß die Schultern und verstärkte meine Tanzbewegungen wobei meine nassen Haare mir ins Gesicht fielen.
„Ist doch egal, dance with me, du Stein!", rief ich laut kichernd und genoss das freie Gefühl in dem fallenden Regen meinen Körper schwungvoll zu bewegen, alle Sorgen loszulassen und einfach jetzt zu leben. Ich griff blind nach seiner Hand und versuchte ihn irgendwie mit mir zum Tanzen zu bringen, doch nur sein Arm bewegte sich irgendwie, was mich amüsierte. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie witzig das alles aussah aber es machte mich glücklich.

Als ich etwas erschöpft stehen blieb fiel mir sein ruhevolles leicht lächelndes Gesicht auf, während wie uns immer noch bei den Händen hielten. Dekan mir langsam näher und packte mich plötzlich bei der Hüfte und ehe ich mich versah drängte er mich gegen den Baumstamm. Sein Körper presste an meinen, was sich wegen unserer nassen Kleidung umso intensiver anfühlte und mein Herz zum Rasen brachte.
„Warum bist du immer so...so...",fing er an die richtige Bezeichnung zu finden, während er mit seinem stechenden Blick in meine Augen bohrte.
„So?"
Mein Sprechen wurde mir schon schwer bei dieser Nähe.
„Ich weiß nicht. So...Annabella halt."
„Ich weiß nicht", lachte ich.
„Vielleicht, weil ich Annabella bin? Oder...weil ich nicht so hart bin wie du?"

Ganz langsam breiteten sich seien Mundwinkel aus und er fing an tief zu lachen und warf seinen Kopf in den Nacken.
„Genau, daran liegt's bestimmt", sagte er immer noch lachend und ich stimmte mit ein. Nicht, weil ich irgendetwas witzig fand, sondern weil sein Lachen einfach bezaubernd war. Es fühlte sich wundervoll an. Zusammen mit ihm zu lachen. Wir früher immer.

Sein Lachen ebbte ab, als er mich betrachtete und mit seinen unergründlichen Augen auf meinen Mund blickte. Seine Hand löste sich von meiner Hüfte und fuhr zu meinem Gesicht, wo er mir die nasse Haarsträhne wegstrich. Die Wassertropfen, tropften von seinen Haaaren über sein Gesicht und ließen ihn noch heißer aussehen. Ich verstand gar nicht, was hier oder überhaupt mir mir passierte, als er seinen Kopf meinem immer näher senkte. Um durch die Hitze, die in mir aufstieg und meiner rasenden Atmung nicht in Ohnmacht zu fallen schloss ich meine Augen. Das laute Aufschlagen des Regens auf den Boden verschwamm immer mehr in den Hintergrund und ich meinte das laute Klopfen meines Herzens hören zu können, als seine Wange meine berührte.

Meine Hände ruhten auf seiner breiten Brust, die sich darunter mit derselben Geschwindigkeit hob und senkte wie meine und seine Hände, die beide wieder meine Hüfte stützten brannten sich durch den kalten, nassen Stoff meines Tops. Ich spürte den Regen schon längst nicht mehr, wie er auf uns durch die Blätter des Baumes fiel. Dann glitt seine Hand langsam aber mit Druck höher und fand an meiner Taille Halt.

Ich war kurz davor meinen Verstand zu verlieren, da entfernte er seinen Kopf und löste sich leicht.
„Scheiße", zischte er an meinem Ohr und ich öffnete verwirrt die Augen. Ich guckte in die Richtung, in die er starrte und bemerkte ein davonbrausendes Auto, das genauso teuer aussah, wie Arians.
„Ich hab's wieder vergessen", brummte er und ließ mich umgehend los.
Aufgebracht fuhr er sich durch die nassen Haare und warf seinen Kopf in den Nacken.
„Was...was ist-"
Bevor ich etwas fragen konnte ergriff er meine Hand und zog mich zu seinem Auto. Er öffnete die Beifahrertür und schob mich hinein.
„Ich bringe dich jetzt nach Hause", sagte er, ohne mich anzusehen und schloss die Tür, um selbst eilig einzusteigen.
„Drei verpasste Anrufe."
Gestresst guckte er auf das Display seines Handys, das im Auto lag und brauchte nur einen Handgriff, um auch schon loszufahren, während ich noch ganz betäubt von allem war und nichts verstand.

„Was geht hier ab, Arian?"
„Nichts geht hier ab. Ich bringe dich einfach nach Hause."
„Aber du bist gerade voll-"
„Mir ist etwas wichtiges zu erledigen eingefallen und deshalb bin ich in Eile."
„Und dieses Auto?"
„Annabella, du stellst zu viele Fragen. Sei einfach still."

Er setzte mich vor unserem Haus ab und ich bekam nicht mal die Gelegenheit ihm für irgendetwas zu danken, da raste er wieder weg. Der Regen hatte schon etwas aufgehört. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht öffnete ich die Tür und ging rein. Ich fühlte mich irgendwie ganz anders und vermisste sofort seine Nähe. Verträumt von dem Tag lehnte ich mich gegen die Tür und konnte mein Grinsen einfach nicht loswerden.

Smile With MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt