Mit fast zugekniffenen, von der Sonne geblendeten Augen betrat ich das große offene Schulgelände, das von weiteren total aufgemotzten Mitschülern gefüllt war. Das Übliche; der erste Tag nach den Sommerferien war immer etwas besonderes, wo jeder wieder zeigen musste, wie gut man aussah. Das war bei mir auch immer der Fall, doch diese Sommerferein waren anders gewesen. Sie hatten mein Leben komplett auf dem Kopf gestellt und mir einen großen Teil meiner Motivation geraubt. Ich versuchte zwar immer positiv zu bleiben, immer zu lachen, wie es meine Mutter mir beigebracht hatte und niemals den Spaß am Leben zu verlieren aber ich konnte nicht leugnen, dass ich innerlich am Boden zerstört war. Aber es würde alles gut werden. Wieder. Es musste.
Ich atmete nochmal tief ein, um mein innere Last etwas lockern zu können und trat mit einem Lächeln in die Versammlungshalle der Oberstufe, wo ich sofort von dem lauten dumpfen Durcheinander von Stimmen und Gelächter eingesogen wurde. Niemand gab es jemals zu aber ich wusste, wie sehr sich jeder freute nach den Ferien wieder in der Schule zu sein. Alle Freunde, der Spaß in den Pausen, die Albereien im Unterricht und das Gefühl des Bekannten, Gewohnten. Überall verstreute Mitschüler, die sich entweder mit großen Augen begrüßten oder schon in den Erzählungen der Abenteuer der letzten sechs Wochen waren.
„Bel!"
Ich musste gar nicht suchen und und da sah ich schon Celina auf mich zukommen.
„Cel!"
Ich rannte mit geweiteten Armen auf sie zu und sie machte sich schon bereit meine herzliche Umarmung zu erwidern. Sie hatte viel zu viel Parfum aufgetragen.
„Boa, hat du noch was für den Rest des Schuljahres übrig gelassen?", fragte ich und rümpfte meine Nase nachdem wir uns umarmt hatten.
„Ich wollte am ersten Tag einfach perfekt aussehen und riechen, sorry, hab's etwas übertrieben", lachte sie wobei ihre Ohrringe wackelten. Sie er immer perfekt gestylt. Immer. Egal, ob es um ihre schulterlangen blonden Haare ging oder um ihr makelloses hübsche Gesicht.„Was ist das für ein beschissener Stundenplan", hörte ich die üblich mürrische Stimme von meiner zweiten besten Freundin hinter mir.
„Sheyna, my friend!"
Ich nahm sie direkt auch in eine enge Umarmung, die sie nur ganz leicht und vorsichtig erwiderte.
„Jaja."
Sie stand nicht so auf zu viele Emotionen. Sie behielt stets einen emotionslosen Gesichtsausdruck und redete nur wenn es nötig war. Aber wenn sie sprach, waren es immer wahre Worte.
„Hier, du willst sicher nicht in die Meute da."
Sie reichte mir den Stundenplan und zeigte mit ihrem rot lackierten Daumen auf die Enge hinter ihr, in der sich alle Schüler für die Blätter drängten.
„Wie waren so eure Ferien?", fragte ich sie neugierig anblinzelnd.
„Familienurlaub halt."
Celina zuckte beiläufig mit den Schultern und ich wusste, dass sie mit ihren Augen neue Mitschüler abcheckte.
„Same", gab Sheyna knapp wieder und zupfte an ihrem absichtlich unordentlichen Dutt.
„Bei dir so? Wir haben lange nichts mehr gehört und ihr wart auch nirgends im Urlaub."
„Ach, nichts besonderes. Hab mich eigentlich sechs Wochen nur gelangweilt", log ich abwinkend.Ich wollte einfach nicht, dass sie sich plötzlich mir gegenüber anders verhielten oder irgendwie Mitleid zeigten. Sie wussten, dass der Krebs meiner Mutter seit sechs Monaten wieder zurück war aber wenn ich ihnen beichten würde, dass sie seit einem Monat im Krankenhaus lag, weil es immer schlimmer wird, würden sie sich um mich sorgen wollen. In sorgenvolle Freundinnen-Gesichter zu blicken würde meine Tränen anziehen. Meine Mutter würde bald gesund werden. Das musste sie einfach.
„Manchmal bist du echt langweilig, Bel. Naja, kommen wir zum wichtigsten Thema."
Celina beugte sich mehr in unser Dreieck.
„Habt ihr schon den unglaublich heißen neuen Typen gesehen? Oh mein Gott, ich bin gestorben bei seinem Anblick", sagte sie überdramatisch und fächelte sich Luft zu. Automatisch musste ich an den Jungen von gestern denken. Heißer als er konnte niemand sein. Ich hatte nicht einmal richtig schlafen können, weil er mit seinen unglaublich mysteriösen Augen mir nicht aus dem Kopf gegangen war. Ich wurde den Gedanken nicht los, dass es Arian war und wollte ihn unbedingt nochmal sehen.„Lederjacke?", fragte Sheyna aufgeregt, wobei ich kurz die Luft anhielt.
Heftig nickte Celina antwortend und weiterhin so tuend, als würde sie von dem Anblick des neuen Mitschülers immer noch überwältigt sein.
„Ok, ok, ich muss ehrlich sagen", fing Sheyna an.
„Wenn es um den Jungsgeschmack geht, Celina, bist du eine echte Niete-"
„Heyyy-"
„Aber dieser Junge, Bel, er ist einfach der Hammer."
„Ja? Den will ich aber sehen, wenn du das sagst."
Doch ich wollte nur ihn wieder sehen. Ihn fragen, was das gestern war. Seine Berührung auf meiner Lippe kribbelte immer noch. Ihn fragen, wie er hieß.
„Mein Jungsgeschmack ist scheiße?!"
„Oh ja."
Ich fing an zu lachen, als beide in eine spaßige Diskussion gerieten.Arian
Ich erkannte sie sofort. Dieser Klang war wie das zu Hause meiner Ohren und irgendwie auch meines Herzen. Ihre Lache. Ich hörte sie aus den vielen schrillen Stimmen, die mich umgaben heraus, als wäre es das Einzige, was ich hören wollte. Die schönste Lache überhaupt. Ich drehte mich sofort um und ließ meine Augen über die vielen Gesichter wandern und lauschte wie hungernd der Lache. Ich drängte mich durch die enge Versammlung der Schüler bis der Klang klar und deutlich zu hören war. Ganz vorsichtig drehte ich mich zur Seite und spürte, wie meine gesamte Muskulatur sich anspannte.Annabella.
Ein halber Sonnenstrahl fiel aus der großen Glastür auf ihr Gesicht und ließ ihr Lachen noch mehr erleuchten, als es ohnehin schon tat. So wunderschön. Das ganze laute Getümmel, das in der Halle schallte, vergrub sich in den Hintergrund und ihr Lachen füllte die Leere, die ich so lange gespürt hatte mit einer bekannten, alten Wärme.
Während sie zwei Mädchen beim gegenseitigen Anschreien zusah und ihren Kopf darüber schüttelte, fielen ihre voluminösen langen, Haare vor die Augen, die sie sich umgehend hinter die Ohren strich. Sie trug auch heute noch weißen Nagellack. Weißen Nagellack, den sie nie auftragen konnte, ohne ihre Finger zu verschmieren. Ich wusste, dass sie es war. Ich wusste es einfach. Ich wusste es gestern direkt, als ich ihre Lache nach zehn Jahren wieder zum ersten Mal hörte und direkt erstarrt war. Als ich in diese warmen braunen Augen gesehen hatte, die in der Sonne strahlten. Sie war es. Annabella.
Ganz plötzlich verstummte sie. Nach einem Moment zuckte ihr Gesicht ruckartig in meine Richtung und unsere Blicke trafen sich. Kurz durchdrang mich ein eigenartiges Kribbeln.
Bel
Eine kalte Gänsehaut ließ mich erstarren und ich fühlte mich von seinem eisigen Blick durchbohrt. Also war er der neue Junge in unserer Stufe. Mit einem Motorradhelm in der Hand und derselben Lederjacke um den Oberkörper stand er in aufrechter Haltung da und sah unwiderstehlich sexy und angsteinflößend aus. Ich liebte Jungs, die Motorrad fuhren oder auch nur einen Helm in der Hand hielten und ihm stand das auf jeden Fall besser als jedem anderen.Doch das alles war nur Nebensache. Im Vordergrund stand wieder die Art und Weise wie er mich anstarrte. So distanziert und forschend. Ich konnte diesen Blick einfach nicht deuten. Es verwirrte mich komplett. Doch ich war wieder, auch von dieser Distanz, von dem Grün in seinen Augen und seiner gesamten gefährlichen Ausstrahlung angezogen. Ich wollte mich ihm nähern. Ihn mit dem Namen ‚Arian' ansprechen und sehen, ob er es war. Es ging jedoch nicht. Als nagelten mich seine Augen in den harten Boden. Aber wieso sah er mich so an? Es konnte doch nur bedeuten, dass er mich auch erkannte. Er musste es einfach sein.
Ich war kurz davor unter seinem Blick zu erfrieren, da geschah es wieder wie gestern. Mit einer schnellen Drehung verschwand er aus der Halle.
„Bel?"
Celinas Stimme ließ mich zusammenzucken und sorgte dafür, dass auch die gesamten restlichen Geräusche im Raum in mein Bewusstsein drangen. Ich hatte die komplette Wahrnehmung verloren.
Fragend sah sie mich mit ihren blauen Augen an, doch mein Verstand war immer noch bei den Grünen.„Ich bin gleich zurück."
Automatisch rannte ich in die Richtung in der er rausgestürmt war und knallte dabei fast gegen die dicke Glastür, die zufiel aber schaffte es noch durch ihren Spalt. Mit suchenden Augen lief ich in die ebenfalls gefüllte Aula aber er war weg. Einfach nirgendwo konnte ich ihn sehen und zu übersehen war er mit seiner Größe und Ausstrahlung nicht wirklich.
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Smile With Me
RomanceIch konnte die Hitze seiner Lippen an meinen spüren und hätte am liebsten die wenigen Millimeter zwischen uns sofort geschlossen. „Ich bin nicht gut für dich, Annabella", flüsterte er und strich brennend mit seinem Daumen über meine Lippe wobei sein...