2: Neustart

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Magnus:
Mit einem leicht unwohlen Gefühl im Bauch schaute ich Lijana hinterher, wie sie über den Schulhof auf das Schulgebäude zu lief. Man konnte ihr die Nervosität förmlich ansehen. Ihr war nicht ganz wohl bei der Sache. Ich konnte verstehen, dass sie Angst hatte. Ein Neuanfang war immer schwer, aber sie könnte sich etwas mehr Mühe geben. Ich hoffte so sehr, dass sie Anschluss finden wird. Es würde ihr so gut tun, wenn sie jemanden finden würde, dem sie vertrauen kann. Jemand, der für sie da ist, damit sie endlich wieder auftauen kann. Aber wenn ich ehrlich bin machte ich mir schon gar keine Hoffnungen mehr. Sie hatte damals nach dem Unfall sich komplett zurückgezogen. Sich von ihrer besten Freundin Nora, die sie seit dem Kindergarten kannte abgewandt. Sie war irgendwie zu einer Einzelgängerin geworden. Schmunzelnd erinnerte ich mich daran, wie sie früher, als wir im Urlaub waren, keine zehn Minuten gebraucht hatte, um neue Freundschaften zu schließen. „Magnus kommst du?", riss mich die Stimme von Niklas aus den Gedanken. Erst jetzt bemerkte ich, dass Lijana bereits im Schulgebäude verschwunden war. „Wenn wir noch vor dem Training einkaufen wollen, dann sollten wir jetzt los", erinnerte mich Niklas. Ich nickte, warf einen letzten Blick auf das Schulgebäude, bevor ich mich umdrehte und wieder in Niklas Auto stieg. Dieser startete den Motor und fuhr davon Richtung Supermarkt.
Nachdem wir unsere Einkäufe verstaut hatten, schnappten wir uns unsere Trainingstaschen und verließen erneut das Haus. Der heutige Morgen war etwas stressig. Laut gähnend ließ ich mich neben Niklas auf den Beifahrersitz fallen. „Du hättest vielleicht gestern nicht solange Netflix schauen sollen", meinte mein großer Bruder, mich mal wieder belehren zu wollen. Ich verdrehte genervt die Augen und schnallte mich an. „Was machst du eigentlich immer solange wach?", fragte er mich weiterhin aus. Ich tat so als hätte ich ihn nicht gehört, denn ich hatte keine Lust mich mit ihm über meine nächtlichen Beschäftigungen zu unterhalten. Er musste auch nicht alles wissen. Wenn ich ehrlich bin war ich froh, dass er die eine oder andere Sache über mich nicht wusste. Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster. „Du könntest eindeutig mal eine Freundin gebrauchen", lachte Niklas kopfschüttelnd und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. Bei dem Wort Freundin spürte wie ich leicht rot wurde und drehte deswegen meinen Kopf zu Seite. Ich hoffte er hatte meine Reaktion auf dieses Thema nicht bemerkt. Doch wie immer hatte er mich durchschaut. „Aha, gibt es da etwas, was ich wissen sollte", grinste er mich blöd an. Manchmal war er echt blöd. „Nein, da gibt es niemanden", antwortete ich genervt und starrte wieder stumm aus dem Fenster. „Und da wird es auch keine geben", fügte ich in Gedanken hinzu. Ich wusste zwar, dass er es nur lieb meinte, aber seine ständige Fragerei über mein Liebesleben ging mir langsam echt gewaltig auf die Nerven. „Dann geh doch mal abends raus feiern, anstatt bis nachts in der Wohnung alleine vor dem Fernseher zu sitzen", schlug Niklas vor. „Ich bin glücklich so wie es ist", antwortete ich knapp. Niklas hatte nun auch eingesehen, dass es unnötig war mit mir weiter über dieses Thema zu diskutieren und konzentrierte sich auf den Verkehr. Ich drehte das Radio etwas lauter, sodass es wenigstens nicht ganz so still im Auto war. In Altenholz fuhr Niklas auf den Parkplatz von unserem neuen Trainingsgelände. Bereits von außen sah es so wunderschön aus. Auch wenn ich wusste, dass die Trainingseinheit alles andere als entspannt werden würde, freute ich mich darauf die neue Halle zu betreten. Sobald Niklas eingeparkt hatte, stieg ich aus dem Wagen und holte meine Tasche aus dem Kofferraum. „Moin", grüßte mich Rune. Wie immer grinste er breit. Ich glaub es hatte noch keinen einzigen Tag gegeben, an welchem er nicht gelächelt hatte. Egal, wie früh morgens uns Alfred zum Training berufen hatte. Er wartete am Eingang bis Niklas und ich zu ihm aufgeschlossen hatten und zu dritt betraten wir unsere neue zweite Wohnung. Ich will gar nicht wissen, wie viele Stunden wir hier noch schwitzend verbringen werden. Zu viele! „Und wie war euer morgen so? Schön ausgeschlafen?", erkundigte sich Rune. Schön wär's! Erneut konnte ich mir ein Gähnen nicht unterdrücken, ausgerechnet in dem Moment als uns Alfred entgegenkam. „Morgen, die anderen warten schon hinten. In zehn Minuten fangen wir an", grüßte er uns und lief an uns vorbei. Während Niklas und Rune ein „Guten Morgen", über die Lippen brachten, nickte ich ihm laut gähnend entgegen. Mal wieder einen super Eindruck hinterlassen! „Ok, du hast deinen Bruder heute Morgen eindeutig zu früh aus dem Bett geschmissen", lachte Rune. Ich konnte ihm nur zustimmen. Das war eindeutig zu früh! „Ich hab ihn länger schlafen lassen als geplant, wir haben nämlich alle verschlafen und das ausgerechnet an Lijanas erstem Schultag", berichtete Niklas kopfschüttelnd, während Rune die Tür zur Kabine öffnete. „Du hast verschlafen?" fragte Rune ungläubig. Mein großer Bruder nickte. „Krass, dass ich das mal erleben", rief Rune kopfschüttelnd durch die Kabine. „Was hast du erlebt?", wollte Niko wissen, der direkte neben der Tür stand. „Dass Niklas verschlafen hat", berichtete Rune fassungslos. Es war wirklich eine Seltenheit, dass mein Bruder länger als sieben Uhr schlief. Er war im Gegensatz zu mir und Lijana ein echter Morgenmensch. Manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt mit uns verwandt war. „Was?", kam es nun auch von Andi fassungslos und er imitierte den erschrockenen Smilie von WhatsApp und brachte dabei Miha zum Lachen, der sich kichernd über den Boden rollte. Es war alles wie immer. Ich stellte meine Tasche auf einem freien Platz neben Flamme ab und begann mich umzuziehen. „Ich war heute Morgen mal früh wach, weil Bruno bei mir übernachtet hat und mich dann heute Morgen mit seiner nassen Zunge geweckt hatte, weil er Gassi wollte", berichtete Rune. „Ich dachte gerade du wolltest sagen, weil Stine bei mir war und wir den morgen produktiv nutzen wollten", ließ Andi uns an seinen schmutzigen Gedanken teilhaben. „Du bist blöd", beschwerte sich Rune und warf Andi mit seinem Trainingsshirt ab. Ich setzte mich wortlos auf die Bank und beobachtete wie Rune verzweifelt versuchte sein Trainingsshirt von Andi wieder zu bekommen. Unsere Mannschaft war eine Liga für sich. Wir hatten so viel Chaoten im Team. „Ich bin heute Morgen davon aufgewacht, da die Müllabfuhr gemeint hat, so einen Krach machen zu müssen", jammerte Lukas, der heute wirklich schrecklich aussah. Seine Frisur sitze ausnahmsweise mal nicht. „Jetzt wissen wir warum du so scheiße aussiehst", kam es von seinem besten Freund Niko, der frech grinste. „Könnt ihr nicht einmal nett zueinander sein?", fragte Bammbamm, der irgendwie die Papa Rolle in unserem Team übernahm. „Haaa", triumphierte Rune, der Andi sein Shirt entreißen konnte. Er zog sich das Shirt über den Kopf und begann weiterzuerzählen. Er war heute wirklich sehr unterhaltsam. Er redete gefühlt in einer Tour durch. „Wo war ich? Ach ja! Und während ich dann mit Bruno Gassi war, hab ich mit Disse telefoniert", erzählte er. „Was ist mit Disse?", kam es sofort von Lukas. „Wie geht es ihm?", erkundigten sich sofort alle und überfielen Rune förmlich mit Fragen. Dieser wartete erstmal bis sich alle wieder beruhigt hatten, bevor er begann zu erzählen. Seit Disse Anfang Oktober nach Vadar Skopje gewechselt hatte, fehlte irgendwie jemand im Team. Irgendwie vermissten alle den ruhigen, aber schlagfertigen Rückraumspieler, der morgens mit seiner schlechten Laune immer für Unterhaltung gesorgt hatte. „Ihm geht es gut. Abgesehen davon, dass er so früh aufstehen musste und sich drei Tassen Kaffee in den Magen geleert hat, um einigermaßen wach zu sein", schmunzelte Rune. „Man er fehlt mir so sehr! Immer wenn ich an seiner Wohnung vorbei gehe, wünschte ich er wäre noch hier", seufzte Marko, der neben Disse gewohnt hatte. „Er fehlt uns allen, aber er hat gesagt, dass er am Wochenende vorbeischauen will, weil sie nach dem Spiel gegen die Rhein Neckar Löwen am Mittwoch erstmal zehn Tage frei haben und er mal wieder bei uns vorbeischauen will", überbrachte Rune, die frohe Botschaft, die für Jubel in der Kabine sorgte. „Disse kommt?", fragte Lukas ungläubig und Rune bejahte es ihm erneut. „Wir sollten mal in die Halle, Alfred und Filip warten bestimmt schon", sorgte Dule dann wieder für Ordnung. Ich erhob mich von meinem Platz und folgte den anderen in die Halle. Alfred wollte uns gerade wieder zusammenrufen, als die Tür aufgerissen wurde und Gisli in die Halle stolperte. „Sorry, I'm late", entschuldigte sich der Isländer, der bisher noch kein einziges Mal seit der WM im Training aufgetaucht war, da er an der Schulter operiert wurde und ein paar Tage Zuhause in Island verbracht hatte. „Gisli is back", kreischte Miha und rannte auf unseren Jüngsten zu und fiel ihm um den Hals. Gisli wäre beinahe nach hinten gestrauchelt. „Hey Zwerg mach ihn nicht kaputt", beschwerte sich Niko und begrüßte den Isländer auch mit einer kurzen Umarmung. „Naja so viel kann man da ja nicht mehr kaputt machen", witzelte Andi. Alle lachten los, außer Gisli, der den Witz nicht verstanden hatte und verwirrt eine Augenbraue hob. „Ich dachte du wolltest erst Freitag kommen?", wunderte sich Alfred über die vorzeitige Rückkehr seines Kükens. „Ich war langweilig und dann ich dachte, ich komme zurück", erklärte er uns breit grinsend. „Mir war langweilig", verbesserte ihn Niclas. „Jetzt gibt der Schwede schon Deutschunterricht", lachte Andi. Ich begrüßte Gisli auch schnell mit einer Umarmung, bevor Alfred uns dann alle zu sich rief.

Until I met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt