73: Wieso muss Liebe so scheiße sein ?

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Lijana:

Wieso muss Liebe so scheiße sein? Wieso ist erwachsen werden so kompliziert? Wieso können wir nicht für immer Kind bleiben? Mit diesen Fragen hab ich mich die letzten Tage oft beschäftigt. Sehr oft sogar, wenn ich ehrlich bin. Eigentlich war ich den ganzen Tag in meinem Zimmer gesessen hab lustlos aus dem Fenster gestarrt und mir über diese Frage den Kopf zerbrochen. Nun sitze ich immer noch auf der kleinen Fenstersims in meinem Zimmer und bin trotzdem nicht schlauer geworden. Noch immer wusste ich keine Antwort auf diese Fragen. Ich wurde von einem Klopfen an meine Zimmertür aus den Gedanken gerissen. "Lijana?", vernahm ich die Stimme meiner Mutter, die kurz darauf ihren Kopf bereits ins Zimmer hineinsteckte. Sie hatte diese nervige Angewohnheit, zwar zu klopfen, aber ihr Kopf war bereits im Zimmer bevor man mit "Ja", antworten konnte. Ich wand meinen Blick vom Fenster ab, wo es in Strömen regnete, weshalb ich mich gegen eine Joggingrunde am Wasser entschieden habe. Fragend schaute ich zu meiner Mutter, die gerade ins Zimmer kam. "Willst du nicht mal aus deinem Zimmer kommen?", fragte sie und schaute mich Mitleid an. Mitleid! Das letzte was ich gerade gebrauchen konnte! Ich schüttelte stumm den Kopf. Was sollte ich denn machen? Im Regen duschen? Mir eine heftige Erkältung einfangen, damit mein Schicksal komplett ist? "Willst du nicht mal zu Nora gehen? Ihr beiden solltet euch doch mal aussprechen. Ich sehe doch, dass sie dir fehlt", versuchte meine Mutter weiterhin meine Laune aufzuheitern, jedoch ohne jeglichen Erfolg. Ich schätzte ihr Arrangement wirklich, aber gerade hatte ich absolut keine Lust auf irgendetwas. Und vor allem nicht auf Nora. "Ich will mit niemanden reden, außerdem ist Nora mir scheißegal", antwortete ich leicht zickig und fühlte mich im Nachhinein gleich wieder schlecht, weil sie absolut nichts dafür konnte, dass mein Leben nun einmal so beschissen war. Auch wenn ich nicht anfangen wollte zu weinen stiegen mir unwillkürlich Tränen in die Augen. Der stechenden Schmerz in meiner Brust, das Gefühl, dass deine Gefühle nicht erwidert werden. Das Unterbewusstsein, dass er womöglich gerade mit seiner Freundin unterwegs ist und die beste Zeit seines Lebens hat, während du dir die Augen aus dem Gesicht heulst. Ein demütigendes Gefühl. Die reinste Qual!  "Ach Kleine", ich spürte die Hand meiner Mutter, die über meine Wange strich, bevor sie mich in ihre tröstenden Arme zog und ich mein Gesicht in ihrer Bluse vergrub und laut losschluchzte. Was habe ich falschgemacht, dass mich mein Leben so hasst? Wo bleibt die Bergauffahrt, oder ist meine Achterbahn des Lebens eine reine Bergabfahrt? "Es wird wieder besser werden", versuchte meine Mutter mir weiterhin Mut zu zusprechen. Doch ich hatte den Glaube daran verloren. Würde dieser Schmerz jemals wieder nachlassen? Gibt es irgendeine Medizin gegen Liebeskummer? Wie kann ich ihn für immer aus meinen Gedanken streichen? Laufen hilft! Die letzten Tage war ich oft laufen gewesen. Sogar zweimal am Tag. Mittlerweile lief ich dieselben Strecken wie vor dem Unfall, zu Zeiten wo ich darauf trainiert habe irgendwann aufs Handballinternat wechseln zu können.  Ein kleiner Lichtblick in meinem Leben, das ansonsten den Bach hinunterlief. "Heute Abend Famileinessen", sagte meine Mutter dann nach einer Weile, in welcher ich einfach ihre Nähe genossen habe. Sollen die sich doch  einen gemütlichen Abend machen, dann hab ich wenigstens meine Ruhe und kann irgendwelche Serien schauen und mit einer Packung Eis im Selbstmitleid versinken. "Du kommst mit", meinte meine Mutter dann sofort, als hätte sie meine Gedanke gelesen. Genervt verdrehte ich die Augen. Murrend schleppte ich mich rüber zu meinem Bett und ließ mich erschöpft auf dieses fallen. Ist das ihr verdammter Ernst? In diesem Zustand setzte ich außer zum Joggen keinen Fuß  aus dieser Tür. "Niklas und Magnus kommen", verkündete sie freudestrahlend. Auch wenn ich die beiden echt vermisste und mich freute, sie wiederzusehen. Aktuell hätte ich am liebsten einfach meine Ruhe. "Komm das wird bestimmt lustig. Nur wir fünf. Wie früher", versuchte meine Mutter mich weiter zu begeistern. Ich nickte nur stumm. Niklas und Magnus bedeutete sofort wieder Erinnerung an Kiel. Und Kiel verband ich unmittelbar mit Gisli und schon war es da wieder. Mein bescheuerten Herz, dass in unnatürliche Geschwindigkeiten gegen meinen Brustkorb hämmert, während ich die kastanienbraunen Augen des Isländer vor mir sah. Gefolgt von der ernüchternden Wirklichkeit! In der Realität, wo Gisli eine Freundin hatte, ich ein Krüppel bin und aus uns nie etwas werden wird. Doch mein Herz wollte das einfach nicht einsehen. Gekonnt wehrte es sich gegen mein Verstand, der bereits weiter war in Sachen Gisli aus dem Kopf verdrängen und sich abzulenken.  Doch eine Person, die einem so verrückt werden lässt, kann man nicht einfach aus dem Gedächtnislöschen. Das Gehirn ist leider kein Smartphone, bei welchem man nur ein paar Köpfe drücken muss und schon ist die Erinnerung gelöscht. Doch das war andererseits auch gut so, jedoch in Sachen Liebeskummer unangebracht. Da wäre die Vorstellung mit dem Smartphone-Gehirn schon deutlich angenehmer. "Ich lass dich dann mal wieder alleine und geh nach unten und fang schon mal an alles herzurichten. Wenn du mir helfen willst, kannst du ja kommen", entschied meine Mutter und verließ mein Zimmer wieder. Nachdem die Zimmertür ins Schloss gefallen war, ergriff ich seit Stunden mal wieder mein Handy. Drei neue Nachrichten von Marvin. Da ich etwas Ablenkung und seine schlechten Witze gebrauchen konnte öffnete ich den WhatsApp Chat und begann zu lesen:

Until I met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt