31: Neustart

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Kapitel 30:
Niklas:
Es war wie immer acht Uhr, als ich mich an diesem Sonntag Morgen aus dem Bett schälte. Auf den ersten Moment, wirkte alles wie immer. Doch als ich mit meiner Jeanshose und einem Pulli auf dem Arm, aus meinem Zimmer in den Flur trat, um Richtung Badezimmer zu gehen, hörte ich Musik:

I am tired of this place, I hope people change
I need time to replace what I gave away
And my hopes, they are high, I must keep them small
Though I try to resist I still want it all
I see swimming pools and living rooms and aeroplanes
I see a little house on the hill and children's names
I see quiet nights poured over ice and Tanqueray
But everything is shattering and it's my mistake
Only fools fall for you, only fools
Only fools do what I do, only fools fall
Only fools fall for you, only fools
Only fools do what I do, only fools fall

Aus dem Badezimmer vernahm ich Lijanas Stimme, die lauthals zu ihrer Playlist mitsang. Einen Moment lang war ich verwirrt, weshalb meine kleine Schwester an einem Sonntag morgen bereits so früh wach war, doch jetzt fiel mir der Termin wieder ein. Heute würden wir zu dieser Prothesenfirma fahren, wo wir uns mal diese angebliche Sportprothese anschauen, mit der Lijana vielleicht wieder Handball spielen kann. Ich war noch nicht wirklich überzeugt davon, dass es funktionieren wird. Doch Lijana wirkte seit wir zugestimmt haben, dorthin mitzukommen und uns das ganze Mal anzuschauen so glücklich wie seit langem nicht mehr. Ich wusste weder wann sie das letzte Mal freiwillig am Wochenende früh aufgestanden ist, noch wann sie das letzte Mal unter der Dusche gesungen hat. Schmunzelnd musste ich daran denken, wie es immer klingt, wenn Magnus unter der Dusche singt. Noch eine der zahlreichen Gemeinsamkeiten der beiden. Sie singen beide gerne unter der Dusche beziehungsweise wenn sie im Bad sind. Nur bei Magnus klingt es um einiges schiefer, als bei Lijana. Doch diese Aussage revidierte ich sofort, als „And I will always love you", von Whitney Houston aus dem Badezimmer kam. Ich musste mir die Ohren zuhalten so schief war es.  Was für mich immer noch eine medizinisches Wunder war, wie Magnus bei diesem Lärm schlafen konnte. Ich wette Lijana hat mit ihrem Geschrei, die halbe Nachbarschaft gerade aufgeweckt, doch Magnus schläft tief und fest weiter. Manchmal frag ich mich, ob ich überhaupt mit den beiden verwandt bin. Aber meine Eltern waren generell eher wie ich. Sie waren auch eher Frühaufsteher, aber das Singen in der Dusche haben sie eindeutig von meinem Vater. Wenn der morgens in der Dusche singt, dann würde man am liebsten das Weite suchen. Da sind Lijanas und Magnus Gesangsversuche noch harmlos. Vor allem wenn er dann wieder mit seinen dänischen Volksliedern daherkommt. Grauenhaft. Ich entschied mich mal an die Tür zu klopfen, um zu schauen, ob sie schon aus der Dusche draußen ist. Ich musste einige Male klopfen bis Lijana dann die Tür öffnete und  sie mittlerweile zu Ed Sherran tanzte. Auf ihrem Gesicht war ein überglückliches Strahlen zu sehen. Ihre Augen leuchteten wieder und ich spürte wie es mir warm ums Herz wurde. Wie sehr hatten wir alle dieses ausgelassene Lachen vermisst? „Bin gleich fertig", flötete diese und wippte weiter zur Musik während sie sich die Haare kämmte. Kopfschüttelnd legte ich meine Sachen auf dem Schränkchen ab und putzte mir schon einmal die Zähne, während ich im Augenwinkel Lijana beobachtete die weiter fröhlich zur Musik sang. „Du ich überlege die ganze Zeit, wie ich Magnus am besten aus dem Bett werfen kann. Eimer Wasser, wäre zu krass, Sonst ist er wieder so sauer auf mich", ließ sie mich an ihren Plänen teilhaben. Dein Gesang reicht, hätte ich fast gesagt, aber das wäre extrem fies gewesen und so schlimm sang sie dann auch wieder nicht. Wenn ich mich an die ein oder andere Kabinenfeier denke, was dort so gesungen wird. Dann war das hier dagegen angenehm. „Ich hab's", triumphierend schaute mich Lijana an. Ich zog fragend die linke Augenbraue nach oben. „Wirst du gleich sehen", antwortete meine kleine Schwester geheimnisvoll und verschwand aus dem Bad. Ihre Musik lief weiter über Magnus Musik Box, die auf der Fensterbank stand. Ich putzte meine Zähne zu Ende schaute neugierig in den Flur hinaus. Von unten konnte ich ein Poltern aus der Küche hören. Einige Minuten später kam Lijana mit zwei Topfdeckeln zurück. „Machen wir ihm ein kleines Ständchen", grinste sie frech. Lijana konnte echt fies sein. Aber die kleinen Stichelleinen zwischen uns hatte es schon immer gegeben. Ich will gar nicht wissen wie viele Streiche wir uns schon gegenseitig gespielt haben. Magnus hatte mal über Lijana einen mit Mehl gefüllten Luftballon platzen lassen. In meinem Zimmer hatte er mal kleine Böller gezündet und fast meine Gardine dabei an gekokelt. Wir hatten einigen Unsinn im Kopf gehabt. Aber das war das schöne an Geschwistern. Man spielt sich Streiche, streitet sich, hasst sich das ein oder andere mal, aber in den schweren Situation hält man immer zusammen und im Herzen liebt man sie einfach. Ich kann es mir gar nicht vorstellen wie langweilig es sein muss ohne Geschwister aufzuwachsen. Ich bin so froh, dass ich mit den beiden zusammen aufgewachsen bin. Ich will nicht wissen, wie öde meine Kindheit ohne den beiden gewesen wäre. Auch wenn wir beide je sieben Jahre auseinander sind, hatten wir immer ein gutes Verhältnis gehabt. Vielleicht liegt es gerade an dem Altersunterschied. „Ist das zu fies?", riss mich Lijana zweifelnde Stimme as den Gedanken. Sie hielt etwas skeptisch die Topfdeckel in der Hand. Ich schüttelte lachend den Kopf. Im Vergleich was Magnus sich schon alles erlaubt hat ist das harmlos. „Denk an den Mehlluftballon", erinnerte ich sie. Daraufhin bildete sich ein wütend funkelnder Blick in Lijanas Gesicht. „So ist es richtig", lachte ich.. Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen öffnete sie Magnus Zimmertür. Es war stockdunkel und außer einem ruhigen gleichmäßigen Atmen vernahm man nichts. Im Bett konnte man eine zusammengekauerten Deckenhaufen sehen unter welchem Magnus tief und fest schlief. Lijana zählte leise hinunter bevor sie dann die Topfdeckel im Sekundentakt gegeneinanderschlug, sodass ich, weil ich neben ihr stand einige Meter zurückgehen musste und mir die Ohren zuhalten. Magnus zuckte erschrocken aus dem Schlaf hoch und schaute mit aufgerissenen Augen in unsere Richtung. Erschöpft ließ er sich zurückfallen und vergrub grummelnd den Kopf unter seinem Kopfkissen. „Aufstehen", quiekte Lijana die die Topfdeckel fallen ließ, die klirrend zu Boden flogen und zu Magnus ins Bett sprang und begann diesen durch zu kitzeln. Grummelnd und schlecht gelaunt versuchte Magnus mit Händen und Füßen die Kitzelattacke abzuwehren. Doch Lijana hatte sich auf ihn gesetzt und konnte ihn so ungehindert Kitzeln, während Magnus sich auch sehr wehrlos zeigte und nur ein genervtes Murren von sich gab. „Lass mich", brummte er. Kopfschüttelnd verließ ich wieder Magnus Zimmer und verschwand im Badezimmer, um mich fertigzumachen. Im Hintergrund konnte ich nun Lijana kreischen hören, Vermutlich wehrte sich Magnus nun endlich und startete einen Gegenangriff. Solange Magnus aufgestanden ist, bis ich aus dem Bad komme ist ja alles in Butter. Tatsächlich hatte Lijana es geschafft, dass Magnus pünktlich fertig angezogen zum Frühstück erschien. Und seit langem Mal wieder hatte er sein Handy nicht dabei, sondern war auch wieder geistig anwesend beim Frühstück. Lijana strahlte weiterhin wie ein Honigkuchenpferd. „Du kannst es gar nicht erwarten", stellte Magnus amüsiert zu und zwinkerte seiner kleinen Schwester zu. „Wir dürfen das Training heute Nachmittag nicht vergessen", erinnerte ich Magnus. Dieser nickte nachdenklich. „Ach komm, die anderen haben dir doch wieder verziehen", war ich derjenige, der ihm Mut zu sprach. „Ja, aber Andi schaut mich immer noch so böse an und wenn ich dann gegen ihn werfen muss, hab ich immer Angst er würde mich am liebsten gleich verspeisen wollen", erklärte Magnus und schaute etwas  dumm aus der Wäsche. Lijana prustete los und verschluckte sich dabei an ihrem Müsli, während Magnus beschämt rot anlief, weil er selbst bemerkte, wie kindisch seine Aussage gewesen ist. „Was?", beschwerte er sich, „stell du dich mal Andi gegenüber", forderte er indirekt seine kleine Schwester auf. „Würde ich gerne machen, aber das muss noch ein paar Wochen dauern, dann werde ich euch wieder platt machen auf dem Feld", prophezeite sie übermütig und ihre Augen leuchteten. Ich hatte Angst sie würde die ganze Sache auf die leichte Schulter nehmen. Es wird einige Monate dauern, auch wenn die Prothese funktionieren sollte, bis sie wieder spielen könnte. Ich hoffe einfach sie erwartet nicht zu viel und macht sich falschen Hoffnung, welche sie am Ende wieder enttäuschen.

Until I met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt