25: Gefesselt

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Gisli:
Angespannt saß ich neben Lijana auf dem Sofa in Niklas Wohnzimmer und fieberte mit meinem Team vor dem Fernseher mit. Wie gerne würde ich dort jetzt auf der Platte stehen und auch meinen Beitrag zum Spiel leisten. Wenigstens auf der Bank sitzen zu können, wäre ein Traum. „Spiel raus zu Magnus, der ist ganz frei", schrie Lijana den Fernseher an. Eigentlich war Lukas gemeint, der sich gerade auf die gegnerische Abwehr zu bewegte und der Rechts Außen der Göppinger verließ seine Position, um auszuhelfen. Als hätte dieser Lijanas Hinweis verstanden spielte der Schwede den Ball per Bodenpass zu Lijanas Bruder weiter. Diese bekam den Ball zu greifen und sprang ab und wollte den Ball an der Hüfte vorbeiziehen. Doch ihm verrutschte der Ball und segelte Meter weit am Tor vorbei. Der Torhüter stärkte sein Selbstbewusstsein, obwohl er den Ball nicht mal gehalten hatte. Magnus lief mit einem enttäuschten Blick zurück in die Abwehr. „Was macht er denn? Den hätte er einfach hoch ins lange Eck ziehen sollen", kommentierte Lijana die Situation lautstark. „Und du brauchst dich nicht so geil fühlen", regte sie sich anschließend über Prost auf. Ich schüttelte lachend den Kopf und konzentrierte mich auf das Spielgeschehen. Sie waren schnell zurückgelaufen, weshalb sie einen Konter oder eine zweite Welle verhindern konnten. Andi Wolff hinter den Pfosten visierte den Ball genau, als würde er herauslesen können, wann dieser auf sein Tor kommen wird. Es waren vier Minuten gespielt und es stand 1:2. Doch in diesem Moment feuerte Tim Kneule an Pekes Hüfte vorbei einen Hüftwurf, den Andi nur schlecht erkennen konnte. „Mist", fluchte Lijana. Wenn sie so weitermacht, muss ich mir echt Sorgen machen, dass Lijana noch einen Herzkasper bekommt. Die Jungs kamen immer besser ins Spiel und konnten sich langsam auf vier Tore absetzen. Gerade gelang es Dule erneut einen Ball aus der Abwehr zu fischen und er spielte einen langen Pass nach vorne zu Magnus, der bereits auf dem Weg zum gegnerischen Tor war. „Komm Magnus! Diesmal packst du es", feuerte Lijana ihren Bruder an. Dieser sprang hoch. „Aufsetzer rechts", sagte Lijana die Wurfrichtung vor, die sie wählen würde. Magnus befolgte zwar ihre Anweisung, doch er setzte den Aufsetzer zu hart auf und der Ball segelte über die Latten hinweg ins Tornetz. „Man Magnus! Was ist denn heut nur mit dir los?", fauchte seine kleine Schwester, die während des Gegenstoßes aufgesprungen war und sich nun fassungslos auf das Sofa fallen ließ.  Auch ich war verwirrt. Was war heute nur mit Magnus los? Normalerweise war er Mister Zuverlässig. „Ich fass es nicht! Wie kann man so eine Chance nicht nutzen", Lijana kam immer noch nicht drauf klar, was für einen Fehler sich Magnus gerade geleistete hatte. Anstand 6:11 stand es nun 7:10! Schmunzelnd musterte ich Lijana von der Seite die die Beine angewinkelt hatte und gebannt auf den Fernseher starrte, als würde sie am liebsten gleich dort reinspringen und allen erklären, wie man richtig Handball spielt. Ich hatte immer gedacht ich wäre einer der beim Zuschauen nie still sitzen kann. Doch bei Lijana traf das noch mehr zu. Sie rutschte die ganze Zeit nervös hin und her. Keine Sekunde lang saß sie still. Sie lebte das Spiel förmlich mit! Sie schaute es nicht! Nein, sie spielt es in ihrem Kopf mit. Immer wieder murmelt sie leise Spielzüge und Auftakthandlungen vor sich hin. Schreit den Bildschirm ab, wieso er nicht an den Kreis spielt, oder wieso man die Lücke nicht nutzt. Aber im Gegensatz zu meinem Bruder, der auch immer Klugscheißern muss, wenn wir zusammen Handball schauten, verstand sie wenigstens etwas davon. Ich war beeindruckt von immer Verständnis Handball zu spielen. Man spürte förmlich wie sie diesen Sport lebte. Sie hatte ein unglaubliches Talent. Umso trauriger war es, dass dieses Talent ungenutzt blieb. Ich hoffte einfach, dass die Sache mit der Prothese funktioniert und sie wirklich bald wieder auf dem Spielfeld stehen kann. Ich würde unglaublich gerne mal mit ihr zusammen in der Halle spielen. „Yes", kreischte Lijana, die erneut aufgesprungen war. Erschrocken zuckte ich zusammen und bemerkte, dass sich einiges getan hatte. Es waren nur noch zwei Minuten bis zur Halbzeitpause. Die Jungs führten nur noch mit einem Tor, welches gerade durch Niko erzielt wurde. Was ist denn hier passiert? Halbzeitstand lautete dann 11:12 für die Kieler. „Wieso verschießen sie so viele freie Chancen?", fluchte Lijana, „wenn die die Fehler konsequent nutzen würden, dann würden sie jetzt mit fünf Toren führen." Doch manchmal ist kritisieren einfacher, als wenn man dann wirklich auf dem Spielfeld steht und in einem Bruchteil von Sekunden eine Entscheidung fällen muss und sich dann etwas zögerlich für die Falsche entscheidet, weil man sich unsicher ist, ob man die Richtige getroffen hat „Und an meiner Stelle würde ich Magnus auf die Bank setzen, der ist heute ja ein komplett Ausfall. Er verwirft drei klare Chance!", führte sie ihre Fazit der ersten Halbzeit weiter aus. Ich konnte nur lachend den Kopf schütteln. „Was? Rede ich zu viel?", stellte Lijana geschockt fest, doch ich schüttelte den Kopf. Beruhigt atmete sie auf. „Wo bleibt denn eigentlich die Pizza?", schmollte sie und schaute mich mit ihren blauen Augen flehend an. „Ich kann nicht zaubern", entschuldigte ich mich, doch in diesem Moment klingelte es an der Haustür. „Pizza", kreischte Lijana und wollte über mich drüber springen und Richtung Tür rennen. Sie blieb dabei jedoch an einem Kissen hängen, rutschte weg und landete direkt auf mir. Kichernd rollte sie sich von meinem Schoß, bis sie sich dann über den Fußboden rollte und sich vor Lachen den Bauch hielt. Kopfschüttelnd stand ich auf um die Bestellung entgegen zu nehmen. Nicht das der Pizzabote die Pizza wieder mitnimmt. Ich öffnete die Tür, bezahlte die Pizza und bedankte mich nochmals, bevor ich die Tür schloss. „Pizza", kreischte Lijana, wie ein durchgeknalltes Einhorn hüpfte sie im Flur auf und ab, während sie die Pizza visierte wie ein bettelnder Hund. „Ok, ich frage mich gerad echt, wie deine Brüder es nur mit dir aushlaten", lachte ich. Empört verschränkte sie die Amre vor der Brust. „Hey", beschwerte sie sich. „Ich hab nur Hunger", verteidigte sie sich. Bevor sie mir noch den Pizzakarton aus der Hand reißt und die Pizza anschließend mit samt dem Karton verspeist, schleppte ich die Pizza ins Wohnzimmer und stellte sie auf dem Wohnzimmertisch ab. Während mir der Duft nach Pizza Salami in die Nase stieg, machte sich auch mein Bauch knurrend bemerkbar. Lijana ließ sich neben mich aufs Sofa fallen und griff gierig nach einem Stück. „Du bist ja schlimmer als mein Hund, wenn er hungrig ist", lachte ich und schüttelte den Kopf. Von Lijana kam nichts mehr außer genüsslichem Schmatzen. Ich angelte mir auch ein Stück. Genüsslich biss ich in die Pizza. Himmlisch! Nur gut, dass Alfred das gerade nicht sah. Genüsslich aßen wir die Pizza, während der Halbzeitpause. Pünktlich zum Anpfiff der zweiten Halbzeit waren wir dann fertig. Hoffentlich werden die nächsten dreißig Minuten besser.

Until I met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt