49: Filips Geheimnis

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Rune:
Verwirrt schaute ich Franz hinterher, der wortlos sich umdrehte und Richtung Ausgang lief. Ich glaub ich hab noch nie so dumm aus der Wäsche geschaut, wie in diesem Moment. Ich kam mir irgendwie vor wie Gisli, wenn er mal wieder keine Ahnung hat, wovon wir sprechen und sich ein riesen großes Fragezeichen über seinem Kopf bildet. „Sorgt lieber dafür, dass Magnus glücklich ist und nicht all zu sehr trauert?", hallten die Worte des Leipziger in meinem Kopf. Was ist denn passiert? Ich war komplett verwirrt. Langsam machte ich mir echt Sorgen und ein unwohles Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Irgendwas stimmte hier so ganz und gar nicht. „Bin ich der einzige, der gerade nur Bahnhof versteht?", fragte Miha in die Runde, doch wie alle schauten genauso verwirrt wie unser kleinster. „Ich glaub, dem hat einer jetzt so richtig ins Hirn geschissen. Er war ja noch nie der hellste, aber jetzt ist er vollkommen von allen guten Geistern verlassen", meinte Andi rücksichtlos wie immer und öffnete nichts ahnend die Kabinentür, aus welcher soeben Franz gekommen war. Sofort vernahmen wir ein lautes Schluchzen aus dieser. Es dauerte keinen Moment dann sahen wir was Sache war. Magnus saß zusammengekauert auf dem Kabinenboden, seine Haare komplett verwuschelt und schluchzte laut vor sich hin. Niklas tigerte in der Kabine auf und ab und schien fieberhaft über etwas nachzudenken. Disse saß schweigend auf der Bank und ich spürte, dass er sich gerade unheimliche Vorwürfe machte, weshalb auch immer. „Was ist hier passiert? Trauerfeier? Sollten wir nicht eher feiern, dass wir den Leipziger los sind?", fragte Andi und ich warf ihm sofort einen warnenden Blick zu. Das war jetzt absolut nicht der richtige Zeitpunkt für seine dummen Kommentare. Das sollte er echt mal lernen. Er sollte mal ein Gefühl dafür bekommen, wann er seine Kommentare loslassen kann und wann nicht. Magnus, der das natürlich gehört hatte, fing noch lauter an zu weinen und mein ganzer Magen zog sich zusammen. Ich konnte es absolut nicht leiden, Menschen heulen zu sehen. Ich konnte das einfach nicht mit ansehen. Automatisch fühle ich mich dann immer schlecht, dass ich glücklich bin und andere gerade leiden. Sofort ließ ich mich neben den Dänen auf dem Boden nieder und legte tröstend meinen Arm um ihn, während ich verständnislose Blicke der anderen erntete. Sie konnten es einfach nicht verstehen. „Was ist denn überhaupt passiert?", fragte Peke und schaute Niklas erwartungsvoll an. „Magnus glaubt neuerdings er sei schwul und stand gerade eben küssend mit Franz Semper in der Kabine", berichtete Niklas das Ereignis. In seiner Stimme klang so viel Wut mit „Du bist so ein Arschloch, ich hasse dich", schrie Magnus seinen Bruder an und stürmte aus der Kabine an Filip und Alfred vorbei, die dem Links Außen verwirrt hinterherschauten. „Musste das jetzt sein?", fragte ich. Er sieht doch, wie schlecht es seinem Bruder geht und dann drückt er rücksichtslos den Finger noch tiefer in die Wunde. „Was ist hier los?", fragte Alfred sofort und schaute uns alle mit einem tötenden Blick an, der sagte, dass er sofort eine Antwort wollte, sonst hagelt es Konsequenzen. „Magnus denkt seit neustem er ist schwul", kam es erneut verständnislos von Niklas. „Und was ist das Problem? Bin ich auch", kam es auf einmal und alle schauten den Co Trainer fassungslos an. Selbst Alfred schaute seinen Assistenten verwirrt an. „Ich dachte du bist verheiratet mit einer Frau'?", kam es genauso verwirrt von Dule, der seinen Kumpel verwirrt anschaute. Auch ich war verwirrt. Ich glaub es gab so einiges was wir über unseren ehemaligen Mannschaftskollegen nicht wussten. „War ich. Bis ich Lion kennengelernt hab", antwortet Filip und man spürte wie schwer es ihm fiel darüber zu sprechen, aber es ihm auch gut tat. „Und deine Familie?", kam es geschockt von Patrick. Alle schauten den Tschechen mit teils verwirrten, aber eher auch besorgten anstatt verständnislosen Blicken an. „Ich hab es meiner Frau gesagt und wir sind im guten auseinandergegangen. Sie ist mit den Kindern nach Pilsen zurück und in den Ferien kommen sie halt zu mir, dass ist die Vereinbarung. Und als dann das Angebot von Alfred kam, hab ich keine Sekunde gezögert, weil ich dann näher bei Lion bin. Er arbeitet hier in Kiel", antwortete Filip. Es herrschte einige Minuten lang komplettes Schweigen und alle mussten das gesagte erstmal verdauen. Mein Blick wanderte durch die Gesichter aller. Bei Disse blieb ich hängen, der irgendwie komplett in Gedanken versunken war. Ich spürte, dass irgendwas nicht stimmte. Ich musste nachher unbedingt mal mit ihm reden. Irgendwas bedrückte ihn. „So jetzt ist es raus. Ich hoffe ihr akzeptiert mich so wie ich bin", antwortete Filip. Miha war der erste, der seine Worte wiederfand. „Und wann lernen wir ihn mal kennen?", fragte unser Zwerg mit leuchtenden Augen. „Mal schauen, vielleicht bring ich ihn beim nächsten Mannschaftsessen mal mit", meinte Filip und zwinkerte dem Slowenen mit. Ich versuchte mir gerade echt vorzustellen, wie dieser Lion wohl aussieht. Generell schwirrten auf einmal so viele Fragen in meinem Kopf, dass ich komplett vergaß, was mit Magnus war. Den anderen schien es genauso zu gehen, bis Dule sich einmischte. „Jungs, wir sollten jetzt mal echt schauen wo Magnus ist", meinte der Kroate. „Ich such ihn mal", meinte Filip und drehte sich wortlos um. Ich hoffte einfach, dass er ihn finden würde. Vielleicht würde es Magnus ja gut tun, mit jemanden zu reden, der ihn versteht. Ich fände es nicht schlimm, wenn Magnus schwul ist. Ich hatte absolut nichts dagegen. Ich finde jeder sollte den lieben dürfen, den er liebt. Egal welches Geschlecht welche Herkunft, was die Eltern sagen- Jeder hat ein Recht darauf mit dem Menschen glücklich zu werden, der für ihn der Richtige ist. Niklas hingegen, schien es einfach nicht wahrhaben zu wollen. Er hatte sich schweigend auf die Bank gesetzt und den Kopf unter seinen Händen vergraben. Steffen hatte sich neben ihn gesetzt und redete beruhigend auf ihn ein. „Jetzt mach dir keine Vorwürfe. Magnus ist in letzter Zeit etwas komisch, aber vielleicht ist das gerade eine Phase in der er sich selbst finden muss", versuchte Raffi ihn zu beruhigen. „Wieso hab ich verdammt nochmal nichts gemerkt? Ok, da war dieser Traum, aber ich dachte ich mach mich einfach nur unnötig verrückt und jetzt wird das Realität", schluchzte Niklas. Es war so ruhig wie nie in der Kabine. Niemand traute sich etwas zu sagen. Alle saßen stumm auf ihren Plätzen. Einige verschwanden wortlos in der Dusche, andere zogen sich um. „Super Spiel von euch Jungs! Ich bin stolz auf euch! Ich denke, wir sollten jetzt alle erstmal eine Nacht darüber schlafen und dann sehen wir uns morgen im Training und wenn es noch Klärungsbedarf gibt, dann können wir es dann ja da machen", schlug Alfred vor und verabschiedete sich. Ale nickten stumm und wünschte ihm noch einen schönen Abend. Ich fühlte mich wie nach einer Neiderlage, obwohl wir gerade enorm wichtige Punkte im Meisterschaftsrennen eingesammelt hatten. Doch die Freude über den Sieg schwappte irgendwie nicht über. Sie wurde überschattet von der Sache mit Niklas und Magnus. Mein Blick fiel auf Disse, der stumm zu Boden schaute. Ich konnte nicht anders als aufzustehen und mich neben meinen Kumpel zu setzen. "Hey, was ist denn los?", fragte ich ihn und legte meinen Arm um mich. "Hätte ich die beiden nicht verraten, wäre das alles nicht passiert", antwortete Disse und in seiner Stimme schwangen Schuldgefühle mit. "Du hast sie erwischt?", fragte ich geschockt und Disse nickte mit dem Kopf. "Jetzt mach dir keinen Kopf. Das hätte jedem Trottel von uns passieren können und jeder von uns hätte genauso reagiert", sprach ich ihm aufmunternde Worte zu. "Aber....", wollte Disse Widerspruch einlegen, "ich wusste einfach nicht, ob Niklas das weiß und ja", stammelte er. "Niemand macht dir einen Vorwurf. Und Magnus wird sich auch wieder beruhigen. Und das mit den beiden wird sich schon noch klären. Das war einfach nur eine beschissene Situation", versuchte ich das ganze sinnvoll zu erklären. Ich hoffte einfach, Disse würde sich nicht weiter den Kopf zerbrechen. Morgen Abend würde er ja wieder zurück nach Skopje fliegen und da sollte er seinen Kopf wieder voll bei der Sache haben. Ich hoffte einfach, die ganze Sache wird sich noch klären.

Until I met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt