63: Haltegriff

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Lijana:

Eine mir sehr nahestehende Person hatte einmal zu mir gesagt: "Das Leben ist wie eine Achterbahn, es gibt viele Berg und Talfahrten, aber wenn man durchhält wird man am Ende des Lebens aus seinem Wagon aussteigen und mit einem stolzen Gefühl sich aus dem Leben verabschieden können:" Dieser Satz stammt von meinem damaligen behandelten Oberarzt. Er war in diesem Tiefpunkt meines Lebens ein wichtiger Haltegriff gewesen. An ihm habe ich mich festgehalten, wenn ich das Gefühl hatte, dass mir der Boden unter den Füßen wegbricht. Obwohl er eigentlich genug zu tun gehabt hatte, war er jeden Abend nach Feierabend bei mir vorbeigekommen, hat sich neben mich ans Bett gesetzt und mir einfach nur zugehört. Er hatte nicht viel sagen müssen, Es hatte einfach gereicht, jemanden an seiner Seite zu spüren, dem man sein Herz ausschütten konnte. Diesen Haltegriff hatte ich nun nicht mehr. Ich war auf mich alleine gestellt. Ich musste wohl oder Übel lernen, mit meinen Problemen alleine fertigzuwerden. Ich hatte eigentlich gedacht, dass Gisli so etwas wie mein Haltegriff werden könnte. Ein Wegweiser, der mir die schönen Seiten des Lebens zeigt. Doch wie Dr.Johanson damals prophezeit hatte, das Leben ist eine Achterbahn. Nach einer Auffahrt folgte eine Abfahrt. Seufzend rutschte ich von meiner Fensterbank. Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus. Ich muss jetzt einfach raus. Kurzerhand entschied ich mich eine Runde laufen zu gehen. Denn Joggen hatte mir schon immer geholfen Frust loszuwerden. Wenn es im Training mal nicht so gelaufen ist wie ich es mir gewünscht hätte bin ich danach meistens noch eine Runde joggen gegangen um runterzukommen. Es beruhigte mich. Und die Chance zu haben wieder laufen zu gehen, war für mich das größte Geschenk gewesen. In der Hinsicht hatte sich Kiel doch für mich gelohnt. Ich hatte wieder ein Ziel vor Augen, dass ich von ganzem Herzen erreichen wollte. Einmal wieder dieses Kribbeln spüren, wenn ich an der Sieben Meter Linie stehe und die Entscheidung des Spiels in meinen Händen liegt. Ich liebte dieses Nervenkitzeln. Dieses direkte Duell. Spieler gegen Torhüter. Beide haben die Chance die gefeierten Helden ihres Teams zu sein oder der unglückliche Verlierer. Während ich mir meine Laufsachen überstreiften folgte mein Blick, den ganzen THW Kiel Bildern an der Wand. Und sofort war er wieder da dieses schmerzhafte Stechen in meiner Brust, was mir das Gefühl gibt, das mir der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Sofort musste ich wieder an ihn denken. Während ich seine kastanienbraunen Augen vor mir sehe, diese bezaubernde Lächeln, welches mein Herz höher schlagen ließ, rollten mir dicke Tränen über die Wange und tropften von meinem Kinn auf meine Hose. Wieso hatte ich mir überhaupt Hoffnungen gemacht? Hätte ich einmal mein verdammtes Gehirn benutzt, dann hätte ich mir verdammt nochmal denken können, dass jemand so gut aussehendes garantiert nicht single ist. Zwar doch klar das er irgendwo eine perfekte Freundin hatte. Die bildhübsch und nahezu perfekt ist. Und ich? Was bin ich bitte dagegen? Ein missglücktes Etwas des Schicksals! "Du bist ein verdammter Krüppel!Schau dich doch an", schrie ich mich selbst an. Wutentbrannt und tränenüberströmt zitterte ich am ganzen Körper. Mein Blick lag auf dem Spiegel gegen über von mir, der an meiner Schranktür hing. Und ich schaute der bitteren Realität entgegen! Ich war nicht einmal hübsch, wenn man sich die scheiß Prothese wegdenkt! Ich war nicht mal annähernd die, die ich mal gewesen bin. Wo ist mein durchtrainierter Körper hin? Das Lächeln, von welchem alle geschwärmt hatten. Wo ist es? In den Abgrund gerissen, wie mein linkes Bein! Dieser scheiß betrunkene Autofahrer hatte mir alles genommen! Mein Traum vom Handballprofi! Meine Chance ein normales Leben führen zu können! Mein Körper! Und irgendwie hatte er auch mein gesamtes Leben unter die Räder genommen. Man könnte fast sagen mein Leben ist wie ein Blattpapier: Es würde am Tag des Unfall zerknüllt und jetzt wird es nie mehr perfekt sein! "Also hör dir auf irgendwelche Hoffnungen zu machen! Das mit Gisli und dir ist Geschichte! Er hat eine Freundin und er wird sie garantiert nicht aufgeben für ein missglücktes Stück Scheiße!", ermahnte ich mich selbst. Seufzend wischte ich mir mit dem Handrücken dir Tränen aus dem Gesicht. Irgendwas sagte mir, dass ich jetzt gehen sollte, bevor ich noch wutentbrannt meinen Spiegel zerschlagen werde, weil ich mein eigens Ich nicht ertragen konnte. Mit immer noch viel Wut im Bauch, wobei ich nicht wusste, auf was oder wen ich jetzt genau wütend war, vermutlich auf mich selbst am meisten, verließ ich mein Zimmer und lief die Treppe nach unten. Im Haus war es totenstill. Kein Wunder! Es war vierzehn Uhr nachmittags, da waren meine Eltern auf der Arbeit! Ich war sogar froh, niemand der beiden hier anzutreffen. Denn in meinem jetzigen Zustand würden sie mich eh nicht nach draußen lassen. Zu sehr Angst hätten sie, dass ich mir irgendetwas antun könnte! Doch ich musste jetzt einfach raus. Joggen! Für eine kurze Zeit alles vergessen. Die Wut aus meinem Körper rauslaufen, beziehungsweise raus schwitzen. Je nachdem wie man es sieht. Ich schlüpfte in meine Laufschuhe, steckte mir einen Haustürschlüssel ein und startete meine Playlist. Ein letzter prüfender Blick durch den Hausflur. Dann zog ich hinter mir die Haustür zu und setzte mich in Bewegung. Der Wind wehte mir durchs Haar und der Geruch mach Meerluft wehte mir entgegen. Ich schloss für einen Moment die Augen und spürte wie langsam die Wut von mir abfiel. Jetzt gab es nur noch die Natur und mich. Im Takt der Musik lief ich die Straße hinunter zum Wasser. Das Gefühl wenn meine Prothese auf den Teer aufprallte, fühlte sich irgendwie befreiend an. Als würde mir eine Last von der Schulter genommen werden. Diese neue Prothese hatte mir meine Freiheit wiedergegeben. Einige Minuten lief ich die einfach den Weg am Wasser entlang und genoss die Stille der Natur. Abgesehen von ein paar schreienden Möwen, dem Rauschen des Wassers und ein paar Spaziergängern war nichts los. Was mir wenn ich ehrlich bin auch nichts ausmachte. Besser gesagt, ich war sogar froh darüber. So hielt sich die Wahrscheinlichkeit, dass ich jemanden sehe, den ich kenne, in Grenzen. Je weiter ich lief desto schwächer wurde dieses brennende Gefühl der Wut in meiner Brust und ich beruhigte mich so langsam wieder. Für einen Moment schaltete ich alles um mich herum aus. Die ganzen Dinge, die mich die letzten Tage so belastet hatten, konnte ich für den Moment vergessen. Nach einiger Zeit wurde ich langsamer und blieb an der Stelle stehen, wo ich öfters Halt machte. Meistens setzte ich mich immer auf einen der Felsen und schaute stumm hinaus aufs Wasser. Auch heute lief ich zu einem der freien Steine und setzte mich. Mein Blick war stur gerade aus aufs Wasser gerichtet. Irgendwo da draußen, müsste Kiel liegen. Da ich jedoch absolut keine Ahnung von Geographie hatte, beschäftigte ich mich erst gar nicht genauer damit. Außerdem war ich doch eh hier rausgegangen um für einen Moment abschalten zu können. Doch wie immer wenn man gerade am liebsten nichts denken möchte, ließ sich der Kopf einfach nicht ausschalten. Ich war gerade wieder in Gedanken versunken, da lief auf einmal Perfect von Ed Sherran und sofort musste ich an den Abend in der Karaokebar denken. Während ich wieder die Bilder von Gisli und mir auf der Bühne im Blick hatte, liefen langsam Tränen über die Wange. Er fehlte mir. Sie fehlten mir. Kiel fehlte mir. In der kurzen Zeit hatte ich die Stadt trotz der vielen Rückschläge in mein Herz geschlossen. Ich sah dieses Lächeln und das Leuchten in seinen wunderschönen Augen, während er nur wenige Zentimeter von mir entfernt auf der Bühne gestanden war. Ich wollte diese Erinnerung verdrängen. Ich wollte ihn vergessen. Doch ich konnte nicht. Und je länger ich mich dagegen wehrte umso mehr wurde mir bewusst, wie wichtig er mir geworden ist. Ich wollte ihn nicht vergessen! Ich wollte wieder seinen Körper an meinem spüren. Seine Nähe genießen können. In seine wunderschönen Augen schauen und von seinem Lächeln auch zum Lachen angesteckt werden. Da war er wieder dieses ziehende Schmerz in meiner Brust. Dieses Gefühl der Sehnsucht. Mein Herz schien nach ihm zu rufen. Doch er hörte mich nicht. Und noch immer war da diese Frage, auf welche ich wohl nie eine Antwort bekommen werde: Wieso hat er mich geküsst? Hatte er doch Gefühle für mich? Oder hat er es einfach nur als nette Geste gemeint? Es fühlte sich so an als würde mich diese Ungewissheit von ihnen heraus auffressen. Ich hatte bereits oft mit dem Gedanken gespielt ihn einfach eine Nachricht zu schicken und ihn diese Frage zu stellen. Aber was sollte ich schreiben: Du Gisli nur aus Interesse hast du den Kuss überhaupt ernst gemeint? Er würde mich für komplett bescheuert halten. Oder noch schlimmer, er könnte denken ich wäre in ihn verliebt. Warte was, rede ich hier eigentlich? War ich in Gisli verliebt? Wie definiert man Liebe? Ich muss ja eingestehen, dieser Kuss. "Halt! Lijana, du machst schon wieder genau den gleichen Fehler. Wieder lässt du deinen Gefühlen Oberhand gewinnen! Er hat keine Gefühle für dich. Er hat eine Freundin, also sehe doch endlich ein, dass das aus uns eh nichts werden wird. Schlag ihn dir verdammt nochmal aus dem Kopf!", ermahnte ich mich selbst. Völlig durch den Wind fuhr ich mir durchs Haar. Was macht er bloß mit mir? Das irgendjemand am Ende der Ostsee an der Kieler Förde saß und mich genauso sehr vermisste, wie ich ihn, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen.

Auf einmal riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken. "Lijana?", fragte eine tiefe, warme und sehr vertraute Stimme. Dr.Johannson? Verwirrt drehte ich mich um und tatsächlich stand er da. Mein Haltegriff, der mich wieder auf die Beine gezogen hatte, als mein Leben am Abgrund stand. Fassungslos schaute ich ihn an und spürte wie das Gefühl der Freude in mir hochstieg. Ich hatte die letzten Tage oft überlegt im Krankenhaus ein Besuch abzustatten. Doch irgendwie hatte ich mich nicht getraut. Ich war noch nicht bereit gewesen, an den Ort meiner schlimmsten Erinnerungen zurückzukehren. Doch es gab auch zahlreiche schöne, genau wie diese. Ich war mittlerweile aus meiner Schockstarre erwacht und fiel meinem damaligen Zuhörer dankend um die Arme. Wer weiß ob ich es ohne ihn so weit geschafft hätte. Auch er schien sich unheimlich darüber zu freuen mich wieder zu sehen. Ich spürte seinen stolzen Blick, während er an mir hinabblickte und mich stolz musterte. "Du läufst wieder?", fragte er mich. "Ja ich laufe, mein neuer Freund in Kiel hat mir ein Teil meines Lebens wiedergegeben", verkündete ich stolz und zog mein linkes Hosenbein nach oben. Dr.Johansons Augen strahlten. "Ich wusste, dass du es schaffen wirst, wieder auf die richtige Spur zu kommen", schmunzelte er und zwinkerte mir zu. "Und wie geht es Ihnen?", fragte ich neugierig. "Erstens über das sie sind wir lange schon hinaus", lachte er und ich schaute beschämt zu Boden. "Und zweitens mir geht es gut. In der Klinik warten wie immer viele Patienten auf mich, aber ich musste meine freie Zeit bevor die Nachtschicht nutzen, um etwas an der frischen Luft laufen zu gehen", lachte er. "Kenn ich, ich musste heute auch einfach raus, um abzuschalten und nachzudenken", seufzte ich. Er hatte sofort erkannt, dass mir etwas auf dem Herzen lag und schaute mich mit seinem typischen auffordernden Blick an, wie damals als ich im Krankenhausbett lag und er wortlos neben mir saß und meine Sorgen angehört hatte. "Ach halb so wild nur etwas Liebeskummer", winkte ich ab, doch meine Stimme klang, unerwartet traurig. "Lass uns doch eine Runde laufen und einfach mal reden. Ist ja schon eine lange Zeit her", schlug er vor und boxte mir aufmunternd gegen die Schulter. Ich konnte einfach nicht anders als lachend zuzustimmen. Zusammen liefen wir dann das Ufer entlang und ich erzählte ihm, was seit meinem Tag, als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, so alles geschehen ist. Wie immer hörte er aufmerksam zu. Ab und zu mussten mir laut loslachen, zum Beispiel als ich von meinen elegant wie ein Walross ersten Versuchen zu joggen erzählte oder wenn als ich ihm Marvin beschrieben habe. Am Ende hatte ich nichts ausgelassen. Auch das mit Gisli nicht. Und es hat gut getan mit jemanden darüber gesprochen zu haben. Irgendwann musste er sich dann leider Richtung Krankenhaus verabschieden. Doch er bot mir an, mal in seiner Mittagspause auf einen Kaffee vorbeizuschauen, dann würden wie nochmal in Ruhe quatschen können. Ich versprach ihm, mal wieder vorbeizuschauen. Dann verabschiedeten wir uns voneinander und ich lief wieder mit einem zufriedenen Gefühl nach Hause.

Hoffe das Kapitel hat euch gefallen 😂🥰🤪! Ich schaffe es regelmäßig upzudaten😂👌! So ich muss jetzt schlafen auch wenn ich morgen nur zwei Stunden Unterricht haben weil wir auf der Vocatium so ner Messe für Studiengänge sind, wo wir uns so Termine machen konnten was uns interessieren würde und die Leute von den Unis dann Fragen stellen und so🤪🥰. Bin mal gespannt wie das abkaufen wird🤪! Werde mir auf jeden Fall: Medizintechnik (Prothetik), was auch mit der Story etwas zu tun hat, mich hat dieses Thema irgendwie schon immer interessiert, Journalismus und und Medien und Sportmanagment mal anhören🤪👌!

Wenn ihr die Möglichkeit hätte euch mal was über verschieden Studiengänge anzuhören, was würdet ihr nehmen?
Ich hätte gerne noch Wirtschaftschemie genommen, aber das gibt es halt nur an wenig Unis🤯🥴! Das ist halt blöd, aber ich wurde halt so gerne wissen, ob das was für mich wäre, weil ich Chemie und Wirtschaft beides eigentlich voll gerne mache🤯😂! Aber ja... gab es halt nicht, aber ich hör mir mal das andere an😂🙈! Bin echt gespannt wie das abkaufen wird... ich frag mich nur, ob ich da alleine sitze oder ob da mehr Leute sind🤯😂! Jetzt hab ich etwas Panik😂🤪!  Naja Gute Nacht😂❤️!

Until I met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt