22. Erinnerungen

3.6K 311 18
                                    


Die Rückfahrt verlief sehr ruhig. Magnus fuhr einigermaßen verantwortungsbewusst, Izzy und Simon saßen vorn neben ihm. Simon strahlte ununterbrochen, da Izzy in der Mitte saß und er direkt neben ihr. Er bekam natürlich kaum ein Wort heraus, aber für den Moment schien er überglücklich.
Alec saß direkt hinter Magnus auf der Rückbank, neben ihm saßen Clary und Jace. Sie redeten ebenfalls kein Wort. Das lag vermutlich daran, dass sie ihre Zungen miteinander verknotet haben mussten, denn die komplette Fahrt lösten sich ihre Gesichter nicht voneinander. Alec fragte sich, wie sie wohl atmeten.
Er starrte aus dem Fenster und versuchte noch immer, sich an die vorletzte Nacht zu erinnern. Trotzdem ihm Magnus versichert hatte, dass ihm nichts Wesentliches entgangen war, ließ ihn das nagende Gefühl nicht los, dass er alle Puzzleteile zusammenfügen musste.

Zu Hause angekommen verzogen sich Izzy, Magnus und Alec jeweils in ihre Zimmer. Alec war etwas überrascht, dass Magnus ausnahmsweise mal Izzy nicht am Arsch klebte, dachte sich aber, dass selbst der arrogante Mr. Bane nach zwei Partywochenenden eine Auszeit bräuchte.
Beim Thema Auszeit überlegte Alec, ob er diese Nacht wohl auch schlafen könnte. Obwohl er die letzte Nacht in einem Zelt mit seinem Stiefbruder, den er nicht leiden konnte, verbracht hatte, musste er zugeben, dass es die Erholsamste seit langem gewesen war.

Gegen halb drei Uhr nachts, nachdem er sich unentwegt rastlos hin und her gewälzt hatte, musste er sich eingestehen, dass es wohl auch dabei bleiben würde. Wütend stand er auf. Was machte man um diese Zeit? Wenn er jetzt schwimmen ging, würde er wohlmöglich alle anderen aufwecken. Er zog seine Jogginghose und Laufschuhe an und tat das, was wohl das wenigste Aufsehen erregen würde. Er ging laufen.
Zwei Stunden später kam er durchgeschwitzt und vollkommen übermüdet zurück. Die letzten beiden Kilometer wäre er fast beim Laufen eingeschlafen. Noch unten im Wohnzimmer ließ er sich auf das Sofa fallen und schloss die Augen. Ihm blieben noch ungefähr zweieinhalb Stunden bis er aufstehen musste. Besser als nichts.

Gerade mal eine halbe Stunde später weckte ihn lautes Geklapper aus der Küche. Verschlafen blickte er auf und sah Magnus in der Küche herumhantieren. Verdammter Bane! Alec stand auf und wollte gerade die Treppe hochgehen, als Magnus ihm nachrief: „Geh' bitte erst duschen, der Gestank zieht sonst von deinem Zimmer zu mir rüber!"
Wütend knirschte Alec mit den Zähnen. Seine Hand krallte sich in das Treppengeländer. Unauffällig schnupperte er an sich selbst und musste feststellen, dass Magnus mit seiner Aussage nicht ganz falsch lag. Er roch wirklich nicht gut. Da die Nervensäge ohnehin schon wach war, würde er ihm auch keine ruhige Minute gönnen, also ging Alec in Ruhe duschen.

Im Unterricht fielen Alec immer wieder fast die Augen zu. Ständig musste Jace ihn anstupsen, damit er nicht einschlief. Glücklicherweise war Magnus auch hier auffällig ruhig. Alec wusste nicht warum, aber er hatte das starke Gefühl, dass Magnus' verändertes Verhalten mit dem noch fehlenden Puzzleteil zusammenhing.
Nach der Schule holte Izzy Alec, der wieder zu Fuß nach Hause gehen wollte, kurz ein und erklärte, dass sie mit Clary noch an einem Kunstprojekt arbeiten wollte. „Bitte kratzt euch nicht die Augen aus," bat sie ihn.
Alec rollte mit den Augen. „Solange er mir aus dem Weg geht.."
„Ich weiß, Alec. Er ist nicht so schlecht, wie du denkst."
„Es fällt mir sehr schwer, dir das zu glauben, Schwesterlein."
Izzy seufzte. „Wenn ihr euch einfach nur mal besser kennenlernen würdet. Ihr würdet euch so gut verstehen."
Alec schnaubte abfällig. „Ich denke nicht. Und das müssen wir auch nicht. Ich will einfach nur meine Ruhe." Damit hauchte er ihr liebevoll einen Kuss auf die Wange und machte sich auf den Heimweg.

Zu Hause angekommen, war seine Kehle ganz ausgetrocknet. Es war heute wieder unglaublich heiß und Alec war froh, dass er schon so früh morgens laufen gewesen war. Er ging in die Küche und sah Magnus am Kühlschrank. Ohne ihn zu beachten, ging Alec zum Schrank und holte ein Glas heraus.
„Gibst du mir auch gleich eins?" fragte Magnus, der gerade eine Flasche Orangensaft aus dem Kühlschrank nahm.
Wortlos nahm Alec ein zweites Glas und stellte es vor Magnus. Dieser blickte ihn fragend mit der Flasche an. Alec nickte und schob sein Glas neben Magnus'.
Magnus schenkte den kühlen Saft in die Gläser und wieder fragte Alec sich, warum dieser Typ, der sonst immer ununterbrochen plapperte, gerade den Mund hielt. Irgendwas war komisch..
Er nahm das Glas und setzte an.

Aufgebracht packte Alec Magnus an den Schultern und presste ihn fest gegen die Wand. „Ich bin kein Feigling!"
Ohne darüber nachzudenken, nahm er Magnus' Gesicht in seine Hände und küsste ihn stürmisch. Es war kein einfacher Schmatzer, Alec gab alles. Wütend zwang er seine Zunge in Magnus' Mund, wo sie sofort von Magnus' feuchter Zunge begrüßt wurde. Er packte Alecs Nacken und zog ihn noch näher an sich. Alec keuchte überrascht auf und beide saugten, leckten und bissen einander bis ihre Lippen gänzlich geschwollen waren.
Schließlich löste Alec sich schwer atmend von ihm und lehnte seine Stirn an Magnus'.
„Ich bin kein Feigling."

Alecs Augen wurden riesengroß. Scheppernd fiel ihm das Glas aus der Hand und zerschellte auf dem Boden. Orangensaft verteilte sich auf den Fliesen und auf seinen Schuhen, doch er starrte nur entsetzt Magnus an. Magnus, auf dessen Gesicht sich nun die Erkenntnis ausbreitete, dass Alec das fehlende Puzzleteil gefunden hatte.
Alec fasste sich unbewusst an die Lippen. Orangensaft. Orangensaft und Wodka und Magnus. Magnus' weiche Lippen. Magnus' feuchte Zunge.
Magnus, der kein Wort darüber verloren hatte, was Alec getan hatte. Magnus, der ihm versprochen hatte, dass ihm nichts Wesentliches entgangen war.
Kalt und eisig kroch die Wut Alecs Wirbelsäule nach oben. Er hatte nur zwei Möglichkeiten. Abhauen und sich abreagieren oder Magnus ein für alle Mal auf seine arrogante, verlogene Schnauze zu hauen.
Zitternd kniff er die Augen zusammen, seine Hände waren zu Fäusten geballt, sein Atem ging stoßweise.

Magnus starrte ihn nur an. Warum sagte er nichts? Bevor er etwas Dummes tat, stürmte Alec an ihm vorbei aus der Küche. Er rannte direkt in den Fitnessraum, trat die Tür laut knallend hinter sich zu und begann, auf den Sandsack einzuschlagen, den Adam dort aufgehängt hatte.
Tränen der Wut standen in seinen Augen. Mit jedem Faustschlag stellte er sich vor, es wäre Magnus' Gesicht, das er traf.
Magnus, wie er teuflisch grinste.
Magnus, wie er ihn auslachte.
Magnus, wie er ihn ‚Feigling' nannte.
Magnus, wie er seine Augen schloss, während er an der Badezimmertür lehnte, der unbekannte Typ vor ihm auf seinen Knien.
Magnus, wie er seine Hände in Alecs Nacken legte, während er ihm willig seine Zunge in den Mund schob.
Fuck.

Another Malec Story - Modern FamilyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt