25. Paralysiert

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„Guten Morgen," flötete Izzy als Alec mürrisch in die Küche schlurfte. Sie saß am Küchentisch und lackierte sich die Nägel.
"Morgen," murmelte Alec und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
"So gut geschlafen?" fragte Izzy fröhlich. Alec rollte mit den Augen, sagte jedoch nichts. Natürlich hatte er kein Auge zugemacht. Er war etwa zehn Minuten vor seinem Wecker eingedöst, doch als Schlaf konnte man das nicht bezeichnen.
Er setzte sich neben seine Schwester und rieb sich das Auge.
"Wo ist Magnus?" fragte Izzy.
"Woher soll ich das wissen?" fauchte Alec zurück.
Beschwichtigend hob sie ihre Hände. "Sorry, war nur eine Frage."
Wie auf's Stichwort kam Magnus um die Ecke geschlendert. "Guten Morgen," sagte er freundlich.
"Siehst du, Alec? Magnus hat offenbar besser geschlafen als du." stellte Izzy fest.
Alec war zu müde, um einen bissigen Kommentar abzugeben. Er wagte es nicht, in Magnus' Richtung zu sehen und stand stattdessen auf, um sich auf das Sofa im Wohnzimmer zu setzen und in Ruhe seinen Kaffee zu trinken.
Magnus schaute ihm still nach, sagte jedoch nichts. Er setzte sich neben Izzy und strich ihr liebevoll über den Arm. Izzy blickte argwöhnisch zwischen beiden hin und her. "Habt ihr euch schon wieder gestritten?" fragte sie skeptisch.
Alec trank seinen Kaffee und tat so, als hätte er sie nicht gehört. Magnus schaute kurz zu ihm, dann zurück zu Izzy. "Nein, alles gut bei uns." sagte er nur. "Voll schöne Farbe, wo hast du die denn her?" schwärmte er nun über ihren Nagellack.
"Ja, findest du nicht? Sie heißt 'Now or never' und ich musste sie einfach haben." legte Izzy los.
Alec seufzte und ging zurück in die Küche, um sich Kaffeenachschub zu holen. Seine Müdigkeit schien heute noch stärker zu sein als sonst. Er füllte seine Tasse erneut und goss sich den Rest aus der Kanne gleich in eine Thermoskanne, die er mit in die Schule nehmen wollte. Anders würde er diesen Tag heute nicht überstehen.
"Du kannst für die anderen Menschen in diesem Haus auch noch was übrig lassen," motzte Izzy.
Teilnahmslos sah Alec sie an. Er war zu kaputt, um zu diskutieren.
Magnus stand auf und ging zur Kaffeemaschine. "Schon gut, Isabelle. Ich koche uns neuen. Ich denke, wir lassen Alexander heute mal in Ruhe."
Alec warf ihm einen finsteren Blick zu. War das jetzt sein Ernst? "Ich muss los," murmelte er und wollte schon raus gehen.
"Wenn du möchtest, können wir dich auch mitnehmen," bot Magnus an. "Dann kannst du noch zwanzig Minuten auf dem Sofa pennen."
Alec blieb zögernd stehen. Ohne Magnus anzusehen schüttelte er den Kopf und sagte nur: "Wir sehen uns dann in der Schule." bevor er nach draußen ging.

In der Schule lehnte Alec an seinem Spind und trank den Rest aus seiner Thermoskanne.
"Alles gut bei dir?" fragte Simon, der neben ihm lehnte.
"Ja, wieso?" fragte Alec heiser. Seine Stimme war vor Müdigkeit ganz belegt.
"Naja, du siehst ganz schön fertig aus. Steckt dir das Wochenende noch in den Knochen?"
"Kann sein, hab nicht gut geschlafen."
Ein leises abfälliges Knurren von Simon ließ ihn aufblicken. Magnus und Izzy kamen gerade den Flur entlang, Izzy hatte sich bei Magnus eingehakt.
"Da läuft nix, Simon." erklärte Alec.
"Woher willst du das wissen? Die sind doch praktisch an der Hüfte zusammengewachsen." maulte Simon.
"Kumpel, pass' auf. Wenn du willst, lege ich ein gutes Wort für dich bei Izzy ein."
Simon starrte ihn entsetzt an. "A-aber darum geht es doch gar nicht!" versuchte er abzulenken.
Alec rollte mit den Augen. "Oh bitte, du hast versucht, ihre Füße zu küssen."
"Da war ich betrunken!"
"Aber Kinder und Betrunkene sagen immer die Wahrheit. Ist doch nicht schlimm, dass du auf sie stehst."
Simon senkte den Kopf. "Ich weiß ja, dass ich keine Chance habe. Aber sie hat was Besseres verdient als diesen.. diesen Schleimer."
Mitfühlend klopfte Alec ihm auf die Schulter. "Dann halt' dich mal ran."
"Werde ich." war Simons finstere Antwort.

"Alec," flüsterte Jace und rüttelte an seiner Schulter.
"Was?" murmelte Alec.
"Ähm.. du musst aufwachen."
"Wieso?" Er hatte seinen Kopf auf seinen Armen abgelegt und war gerade abgedriftet, nachdem er aus dieser Position heimlich Magnus, der schräg vor ihm saß, beobachtet hatte.
"Weil die Stunde vorbei ist und wir beiden die einzigen sind, die noch da sind." flüsterte Jace.
Alec schreckte hoch. Das Klassenzimmer war leer.
"Warum weckst du mich nicht, Jace?"
"Habe ich doch." flüsterte Jace noch immer.
"Du musst nicht mehr flüstern, Jace."
Alec trank den Rest aus seiner Cola-Flasche, die er sich in der letzten Pause aus dem Automaten in der Cafeteria geholt hatte, und packte seine Sachen zusammen.
"Wollen wir heute noch eine Runde Basketball spielen?" fragte Jace.
"Sorry, Mann. Ich bin sowas von fertig, ich denke, ich muss mich erst mal eine Runde auf's Ohr legen."
"Und was legst du dir dann auf's Ohr?" fragte Jace neugierig.
"Nein Jace, ich gehe schlafen."
"Am Nachmittag? Das musste ich früher auch immer. Fand ich voll doof."
"Ich bin einfach nur müde, Jace. Ich ruf dich an, okay?"

Als Alec endlich zu Hause ankam, wollte er nur noch auf's Sofa fallen und hoffen, dass er schlafen konnte. Er warf seinen Rucksack in die Ecke und ging zum Sofa, das bereits belegt war. Magnus lag dort, eine Kuscheldecke über sich gelegt, und schlief. Alec blieb zögerlich hinter dem Sofa stehen und beobachtete ihn. Es war das erste Mal, dass er seinen Fast-Stiefbruder aus der Nähe und in Ruhe betrachten konnte. Seine Haut war honiggolden, seine Haare wie immer perfekt gestylt, selbst wenn sein Kopf auf einem Kissen lag. Die kleinen Barthaare um seinen Mund sahen unglaublich weich aus und Alec erinnerte sich kurz daran, dass sie das auch waren. Er hatte sie bei ihrem Kuss gespürt. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Was machte er hier? Schnell ging er nach oben in sein Zimmer, suchte seine Badehose heraus, zog sich um und ging anschließend nach draußen in den Pool.

Zwanzig Minuten später stieg Alec aus dem Pool. Die Erfrischung hatte ihm gut getan, doch plötzlich spürte er wieder die Müdigkeit seinen Körper übermannen. Alec trocknete sich im Gehen ab und stapfte zurück ins Haus. Als er am Wohnzimmer vorbei ging, blieb er zögerlich stehen. Ob Magnus immer noch schlief? Alec schlich langsam Richtung Couch und versuchte einen Blick darauf zu erhaschen. Die Couch war leer. Erleichtert atmete er auf. Dann würde er heute doch noch etwas Schlaf bekommen. Hastig flitzte Alec in sein Zimmer und schlüpfte in seine schwarze Jogginghose und streifte sich ein frisches T-Shirt über. Er schnappte sich seinen iPod vom Nachttisch und kehrte zu seinem besten Freund, der Couch, zurück. Die anthrazitfarbene Fleecedecke, in der kurz zuvor noch Magnus geschlafen hatte, lag nun unordentlich auf dem Sofa. Was soll's, dachte sich Alec, er hatte schließlich auch schon in Magnus' Bettwäsche geschlafen.. Er zog die Decke bis zu seinem Kinn und Alec stieg Magnus' markanter Geruch in die Nase. Fuck. Wieder tauchten dutzende Erinnerungen und Bilder vor Alecs innerem Auge auf. Alec startete seine Playlist auf seinem iPod und betete für einen plötzlichen Tiefschlaf, der ihn für einige Stunden aus diesem ganzen Schlamassel erlösen würde. Das letzte Bild, das vor ihm auftauchte, war ein friedlich schlafender Magnus, bevor Alec erschöpft die Augen zufielen.

Während Alec schlief, kam Magnus aus seinem Zimmer die Treppe herunter. Als er in die Küche gehen wollte, fiel sein Blick auf das Sofa, auf dem Alec lag. Kurz blieb er stehen und lächelte. Dieses Mal würde er auch keinen Wecker stellen.

Als Alec aufwachte, sah er auf dem Couchtisch vor sich einen Teller mit Sandwiches stehen. Offenbar hatten die anderen bereits ohne ihn zu Abend gegessen. Verwundert setzte er sich auf und schaute sich um. Er nahm den Teller und machte sich auf den Weg nach oben. Er klopfte kurz an Izzys Tür und schaute in ihr Zimmer. Izzy lag auf dem Bett und blätterte in einer Modezeitschrift.
"Habt ihr ohne mich gegessen, Iz?" fragte er.
"Ja, du warst so müde, da hat Magnus uns gebeten, dich einfach schlafen zu lassen. Ich hab' dir Sandwiches hingestellt."
"Danke, das ist lieb von dir. Ich geh' dann auch gleich ins Bett."
"Gute Nacht."

Oben setzte Alec sich auf sein Bett und aß die Sandwiches. Er fühlte sich tatsächlich etwas erholt. Allerdings befürchtete er, dass seine Nacht wieder ähnlich wie die vorigen verlaufen würde, jetzt, wo sein Akku zumindest ein bisschen aufgeladen war. Er ging ins Bad und putzte sich die Zähne.

Hinter der Tür zum anderen Zimmer lag Magnus nur in Boxershorts auf dem Bett, seine Arme hinter seinem Kopf verschränkt und starrte an die Decke. Er fragte sich, ob er wohl heute Nacht schlafen können würde.

Another Malec Story - Modern FamilyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt