Die letzten 15 Jahre waren verdammt schwer gewesen. Ich hatte während meiner langen Zeit in der Hölle total vergessen, wie anstrengend es war, ein Engel zu sein. Die Verantwortung, der Stress, aber vor allem: Die Streitereien. Der Konkurrenzkampf war hart, alle wollten Michaels freigewordene Stelle als Vaters Arschlecker einnehmen, ich verstand nur nicht, wieso das Ganze.
Damals, bevor ich aus dem Himmel verbannt worden war, war es noch ziemlich simpel gewesen: Michael, Gabriel, Uriel und ich. Wir wussten immer, ein weiterer Erzengel würde irgendwann dazukommen, doch das war nicht wichtig, noch nicht zumindest. Gott erschuf noch weitere Engel, doch sie waren so klein und unbedeutend, im Gegensatz zu uns. Wir wussten, wir waren, wie die Menschen es so schön nannten: „Etwas Besseres". Michael allen voran. Er war der älteste und stärkste. Dennoch war ich mächtiger als er, als all meine Brüder zusammen, da Vater in meine Entstehung am meisten Zeit investiert hatte. Er hatte an meinen Brüdern gesehen, was er falsch gemacht hatte und es in mir perfektioniert. Ich war als erster vollendet gewesen und dann hatte Vater das Interesse an uns Engeln verloren.
Seine Aufgabe war es zu erschaffen. Sobald er das zu seiner Zufriedenheit getan hatte, war ihm der Rest egal. Er vernachlässigte mich und meine Brüder also und kümmerte sich um die Erschaffung der Erde... der Menschen. Er vergaß uns, er vergaß mich und gab mich somit zum Abschuss für meine Brüder frei.
Ich hatte mehr Macht als sie, ja, aber ich hatte sie noch nicht entfalten können und auch keine Ahnung, wie das ging, also stand ich ihnen hilflos gegenüber. Hin und wieder nahm Michael mich in Schutz, da er es häufig mit zu verschulden hatte, dass die anderen mich zu ihrem Opfer machten.
Jetzt, wo Michael allerdings in der Hölle war und ich im Himmel, hatte sich einiges geändert. Wir beide waren verbannt worden, da wir versucht hatten, unser eigenes Ding durchzuziehen. In den Augen der anderen hatten wir rebelliert - und verloren.
Ich hatte mich seitdem aber nicht wirklich geändert, nein, ich hatte mich verbessert. Ich war stärker, schlauer und selbstbewusster geworden. Keiner der anderen Engel agierte gegen mich und wenn doch, taten sie es so, dass ich es nicht mitbekam, da sie zu viel Angst vor mir hatten.
Niemand von uns hatte Vater zu Gesicht bekommen, seit er Michael in die Hölle verfrachtet hatte. Er war nicht im Himmel, nicht auf der Erde und in der Hölle erstrecht nicht. Er war weg. Bisher war er auch nicht sehr aktiv gewesen, doch zumindest anwesend, selbst, wenn Michael Befehlshaber gewesen war. Die anderen Engel stritten sich nun schon, seit er verschwunden war, darum, diesen Platz einzunehmen. Uriel und Gabriel waren natürlich die Top-Anwärter, doch auch andere Engel versuchten es.
Es gab allerdings auch eine kleine Gruppe, die sich von alle dem fernhielt. Eine kleine Gruppe, die verdammt nochmal nachdachte. Eine kleine Gruppe, die mir nacheiferte und mich als ihren Anführer sah. Ich hatte nicht darum gebeten und Verantwortung war auch nichts für mich, doch ich müsste lügen, um zu behaupten, dass mir das nicht gefiel.
Trotz dem ganzen Trubel, der in meiner Familie herrschte, hatte ich Chester natürlich nicht vergessen. Hin und wieder, wenn ich eine freie Sekunde hatte, nahm ich mir Zeit, ihn zu beobachten, oder ihm kleine Geschenke zu machen. Ich hatte immer ein Auge auf ihn und darauf, ob es ihm gut ging. Das hatte oberste Priorität für mich. Deshalb bemerkte ich es sofort, als sich etwas veränderte.
Im einen Moment beobachtete ich ihn noch dabei, wie er sich über meine Rosen freute, doch im nächsten zerfiel er einfach zu Staub. Doch nicht nur er. Nein, er war erst der Anfang. Die Leute und ihre Umgebung zerfielen einfach so zu dunkler Asche, so als hätten sie niemals existiert.
Es dauerte nicht lange, nur etwa fünf Minuten, in denen sich alles veränderte. Die Erde war quasi leer, es gab keine Zivilisation mehr, keine Menschen, nichts. Die Welt war ein einziger Trümmerhaufen und all das hatte nur einen Auslöser haben können: Chesters Tod.
DU LIEST GERADE
Only We
Fantasy-Ich erkannte in seinem Blick, dass da noch so viel mehr war. So viel mehr, das er mir sagen und bewusst machen wollte, doch er stand einfach nur knapp vor mir und sah mich intensiv an, sodass es sich so anfühlte, als entfachte er ein wärmendes Lage...