38. Luzifer: Blutrot

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Schmunzelnd betrachtete ich Michael, der eine angeregte Diskussion mit Briana führte. Er war immer wieder sprachlos und wusste, dass er eigentlich keine Chance gegen sie hatte, doch er versuchte es weiter, einfach, weil er sich diese Blöße nicht geben wollte.

Jay und Austin starrten sich gegenseitig an, Austin dabei grinsend und Jay beinahe so, als würde er jeden Moment explodieren.

Boris und Silas hatten es endlich hinbekommen, den Grill aufzubauen, doch nun versuchten sie, ihn anzubekommen. Charlie half ihnen dabei, weshalb es wenigstens etwas voranging.

Ich war entspannt heute. Es war ein schöner Tag. Ich freute mich auf das Training später, da ich es immer wieder gern beobachtete, wie Chester sich mittlerweile über seine kleinen Erfolge freute.
Meistens saß ich einfach nur da und sah ihm bei seinem Training zu. Alles, was Michael mir aufgetragen hatte, konnte ich einwandfrei. Ich war bereit, mich auf die Suche nach meinem Licht zu begeben, jedoch musste ich diese Welt dafür verlassen, doch war noch nicht bereit zu gehen.

Mitten in meinen Gedankengängen klingelte mein Handy. Es war Dale.

„Was ist los?", wollte ich wissen.

Er klang aufgewühlt. „Da waren drei Vampire... Wir... Ich... Es ging so schnell... Er..."

Ich richtete mich sofort auf und hörte Dale aufmerksam zu. „Beruhige dich, Dale. Was willst du mir sagen?"

„Chad braucht dich. Schnell."

Mehr Informationen waren nicht nötig. Ich legte auf, schloss die Augen und konzentrierte mich darauf, die kraftvollste Seele dieser Erde zu finden. Ich war besorgt, so besorgt, dass ich alles andere ausblendete und einen Teil meiner Energie dafür verbrauchte, in Sekundenschnelle bei ihm zu sein.

Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich Chester vor mir auf dem Boden liegen, er war voller Blut, vor allem am Oberkörper und den Armen. Dale kniete neben ihm, seine Hände ebenfalls in Blut getränkt, während er Chester versicherte, dass ich gleich da sei, dass alles gut werden würde und er jetzt nur nicht schlappmachen durfte.

Ich kniete mich zu ihnen, ignorierte Dales Blick, weil ich schon da war und schaute mir die Kratzspuren an Chads Hals an. Sie waren sehr tief und er hatte eine Menge Blut verloren, so viel, dass es unmöglich war, dass er noch am Leben sein konnte.

Er jedoch brachte es sogar noch zu Stande zu lächeln und nach mir zu greifen. Dabei schmierte er mich zwar mit seinem Blut voll, aber es war mir egal.

Ich ließ keine Gedanken daran zu, dass es unmöglich war, dass er noch lebte in Anbetracht dessen, dass diese Wunden von Vampirkrallen stammten, sondern setzte mich hinter ihn, sodass sein Oberkörper gegen meinen lehnte und ich ihm mein Handgelenk vor den Mund halten konnte.

Chad biss hinein, er war kraftlos, doch musste nur ein paar Mal saugen, bis er wieder kräftiger wurde. Während er von mir trank, hielt ich ihn fest. Ich konnte nicht anders, ich musste ihm einfach einen Kuss auf den Kopf geben und murmelte dabei, dass er sich so viel nehmen sollte, wie er brauchte. Er war fast ausgeblutet, doch trank trotzdem nicht gierig, sondern langsam, geduldig, so als würde er seine Mahlzeit mehr als genießen. Er hatte bisher nur einmal Blut von mir getrunken, mehr hatte er einfach nicht gebraucht. Es war also etwas Besonderes.

Es war seltsam, doch je mehr er trank, desto weniger blutete er, es war beinahe so, als schlossen sich die Wunden so weit von selbst, dass sie nicht mehr lebensgefährlich für Chester waren. Nachdem er die Zähne aus meiner Haut nahm und auch die Lippen von mir löste, schob er meine Hand von seinem Gesicht weg. Er hatte wohl genug.

„Danke", hauchte er dabei und schloss lächelnd die Augen, beinahe so als genoss er das Gefühl, das mein Blut in ihm auslöste. Er machte keine Anstalten, sich aus meiner Umklammerung zu lösen, obwohl ich ihn noch näher an mich zog. Eine Zeit verging einfach in Stille, bis wir nicht länger alleine waren.

Austin und Charlie waren ebenfalls hier und Austin kniete sich ohne zu zögern zu uns, um sein Blut auf Chesters Wunden zu haben, damit sie vollständig heilten.

„Was zur Hölle ist hier passiert?" Charlie sah sich um. Nachdem Austin Chester auf die Beine gezogen hatte, um sich anzusehen, ob er sonst noch irgendwo Wunden hatte, richtete auch ich mich wieder auf und sah mich um.

Es lagen drei Leichen hier, alles Vampire mit einem Loch in der Brust, genau da, wo das Herz sein sollte. Mein Blick fiel auf Dale, der nach wie vor auf dem Boden saß und auf den Fleck an, an dem Chester gerade noch um sein Leben gekämpft hatte.

Ich kniete mich vor ihn und legte die Hand auf seine Wange, die nicht voll mit Blut war, um ihn eindringlich anzusehen. „Es geht ihm gut, Dale. Du hast ihn gerettet"

Er schluckte heftig und ließ sich von mir aufhelfen. Er hatte einige Kratzspuren, doch keine schien wirklich lebensgefährlich zu sein. Neben ihm lag sein Silberdolch, der nicht länger silber war, sondern rot. Blutrot.

„Was machen wir mit den Leichen?", fragte Charlie in die Runde. Austin umsorgte Dales Verletzungen, während dieser antwortete: „Ich kümmere mich darum"

„Was? Wie?"

„Ich rufe meine Familie an, sie regeln das. Dazu müsst ihr aber verschwinden"

„Ich lasse dich doch so nicht alleine", protestierte Chester und ging zu seinem Bruder. Dieser schüttelte jedoch den Kopf und deutete um sich. „Willst du so enden wie die?!"

Er wirkte aufgebracht, aber es war irgendwie klar, dass er nicht komplett ruhig und besonnen sein konnte in Anbetracht dessen, was gerade passiert war. Er hatte drei Vampire im Alleingang auszuschaltet und seinem Bruder beim Verbluten zugesehen.

„Ich bleibe bei ihm", versicherte ich Chester und legte Dale dabei meine Hand auf die Schulter.

Er sah mich für einen Moment an und ich erwiderte seinen Blick mit der Bitte, mir zu vertrauen. Schließlich nickte er, sah seinen Bruder nochmal leidend an, doch verließ dann mit Charlie und Austin diesen Horrorschauplatz.

Ich bat Dale, mir zu erzählen, was genau passiert war. Er war noch bei klarem Verstand, konnte alles schlüssig wiedergeben, doch wirkte so, als fand er das alles andere als schön.

„Einer von ihnen hat nichts gemacht... Er wollte fliehen, er hat gesagt, er erzählt keinem davon, aber ich..." Dale schüttelte den Kopf, er wirkte fassungslos. „Ich habe ihn trotzdem getötet. Ich wusste nicht, ob ich ihm glauben kann und wenn er geredet hätte..."

„Es ist okay, Dale. Du hast alles richtiggemacht", versicherte ich ihm.

Er wirkte nicht überzeugt davon, doch so als wolle er es gerne glauben.

Er gab seiner Familie Bescheid, dass er angegriffen worden war und drei Vampire ausgeschaltet hatte. Er bat um Hilfe, das Chaos wegzuräumen. Dann mussten wir warten.

„Er hätte tot sein müssen", sagte Dale in die Stille und starrte auf den Fleck voll mit Chads Blut.

Vampire starben entweder durch die Hand eines anderen Vampirs oder durch einen Mann mit reinem Herzen, der die richtige Waffe dazu mit sich führte. Unter diesen Bedingungen hätte Chester das niemals überleben können, nicht bei der Schwere seiner Verletzung. Ich wusste das genauso gut wie Dale.

„Ich weiß... Aber er ist kein herkömmlicher Vampir. Vielleicht kann er deshalb auch nicht unter den herkömmlichen Voraussetzungen sterben"

Dale nickte halb in Gedanken, halb aufmerksam. Es ging ihm gerade nicht gut genug, um darüber zu sprechen, das bemerkte ich natürlich. Ich beließ es also bei gedanklichen Diskussionen mit mir selbst und versuchte zu verstehen, was genau hier passiert war.

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