61. Austin: Beschwörung

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„Wie hast du es gemacht?", fragte ich, nachdem wir in unserem Schock alle still gewesen waren. Dale hatte sich mehrmals entschuldigt und uns versichert, dass er keine Ahnung gehabt hatte, was er da anrichtete. Auch ohne, dass er uns genau sagte, warum er es getan hatte, verstand ich ihn. Chad war alles für ihn gewesen. Er hatte versucht, seinen Mord rückgängig zu machen. Ich konnte ihm deshalb nicht böse sein, auch wenn ich es schade fand, dass er das alleine durchgezogen hatte. Er hätte mit uns reden können, vielleicht hätten wir zusammen eine Lösung gefunden.

Dale atmete tief durch und strich sich die Tränen aus dem Gesicht, ehe er auf meine Frage antwortete. „Ich habe ein Ritual gemacht, das ich in einem der Jägeraufzeichnungen gefunden habe, um einen Engel zu beschwören. Ich dachte eigentlich nicht, dass das echt funktioniert, aber es hat geklappt. Er hat mir versichert, dass der Tod kein unüberwindbares Hindernis ist und ich Chad zurückbekommen kann..."

„Welches Ritual?", unterbrach Michael Dale. Er klang ernst dabei, alarmiert, besorgt.

Dale schüttelte leicht den Kopf. „Ich weiß es nicht mehr genau. Es war irgendwas mit einem Pentagramm, Rabenknochen, Blut und einem lateinischen Spruch"

„Oh Dale" Michael fasste sich ungläubig an die Stirn. „Du kannst unmöglich so unwissend gewesen sein."

Dale schluckte. „Natürlich war ich misstrauisch. Warum sollte es sowas brauchen, um einen Engel zu beschwören? Und wenn es so einfach ist, wieso haben meine Eltern dann jahrelang so einen Aufstand gemacht? Aber ich wollte daran glauben, ich hatte keine andere Wahl"

„Man hat immer eine Wahl", widersprach Charlie. „Ich verstehe, warum du deine getroffen hast, aber ich hoffe für dich, du bist auch bereit, Opfer zu erbringen, um das wieder grade zu biegen"

Dale reagierte nicht.

„Du hast einen Höllenkrieger beschworen, Dale." Michael klang vorwurfsvoll dabei und was er sagte, besorgte mich sehr.

„Was ist einHöllenkrieger?"

Michael seufzte. „Luzifer hat damals aus einer Wut heraus aus menschlichen Seelen erbarmungslose Krieger gemacht, um eine Armee zu erschaffen, mit der den Himmel stürzen kann. Er hat jedem von ihnen einen kleinen Teil seiner Stärke gegeben, wodurch sie extrem mächtig wurden. Es gibt nicht viele von ihnen, die meisten sind verkümmert, weil Luzifer sich von ihnen abgewandt oder ihnen die Kraft wieder entzogen hat, aber ein paar existieren noch und mit denen ist nicht zu spaßen."

Dale atmete tief durch, er wirkte ungläubig und vor allem sehr erschöpft.

„Was wollte er von dir als Gegenleistung?", wollte Michael drängend wissen.

Dale schüttelte den Kopf. „Nichts."

„Das kann nicht sein", widersprach Michael. „Er hat dir mit Sicherheit nicht geholfen, weil er ein gutes Herz hat. Was wollte er?"

„Nichts, Michael", wiederholte Dale deutlicher und sah Michael eindringlich an. „Er hat sich bedankt, weil ich ihn beschwört habe, weil ihm angeblich langweilig war in seinem Kerker in der Hölle. Er war wohl ziemlich einsam da..."

Michael schluckte und sah Dale aus großen Augen an. „Du hast ihn doch wieder zurück in die Hölle geschickt?"

Auch dessen Augen öffneten sich weit, er schüttelte zaghaft den Kopf. „Ich wusste nicht, dass ich das muss... Ich dachte das passiert automatisch..."

Charlie atmete hörbar aus. „Super, dann haben wir jetzt nicht nur einen seelenlosen Chad, sondern auch noch einen mächtigen Höllenkrieger."

Ich warf Charlie einen Blick zu, der ihn verstummen ließ. Dale jetzt Vorwürfe zu machen, brachte doch nichts. Wir mussten zusammenhalten, nur so konnten wir das vielleicht wieder in Ordnung bringen.

Ruhig wandte ich mich an Dale. „Hast du eine Ahnung, wo einer von den beiden ist?"

Er sah mich an, unsicher. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Chad es auf unsere Eltern abgesehen hat. Er ist zuhause eingebrochen und total ausgerastet, weil niemand da war. Er sucht sie seitdem. Ich habe versucht, ruhig mit ihm zu reden, aber er hört nicht zu. Es ist beinahe so als sei diese Rache das einzige, was ihn am Leben erhält und er hat gedroht, dass er keine Rücksicht auf jene nehmen wird, die sich ihm in den Weg stellen. Ich wollte ihn aufhalten, aber er... Er ist stärker als ich" Dale wirklich etwas ungläubig bei seinem letzten Satz und ehrlich gesagt überraschte es mich auch.

„Schon gut", beruhigte ich meinen Freund trotzdem. „Es war richtig von dir, dich an uns zu wenden. Zusammen haben wir schon ganz andere Sachen in Ordnung gebracht"

Dale nickte und schniefte etwas. „Was bedeutet in Ordnung bringen?"

Ich sah ihn bloß stumm an, da ich nicht derjenige sein wollte, der es aussprach. Dale schien meinen Blick aber richtig deuten zu können, denn er nickte bloß verstehend und sah schließlich weg.

„Wir sollten uns aufteilen", beschloss Raphael nach einer kurzen Zeit nachdenklich. „Charlie, Silas und Austin suchen nach Chad. Ihr versucht, ihn gefangen zu nehmen, möglichst ohne ihm wehzutun. Dann suchen wir nach einer Lösung. Dale, Michael, Boris und ich kümmern uns um diesen Höllenkrieger."

Mitten in Raphaels Ansage, beschwerte sich Briana. „Und ich? Soll ich wieder einfach nur zusehen?"

Raphael seufzte schwer. „Versteh mich nicht falsch, Briana, aber das alles ist echt gefährlich und du bist..."

„Eine Frau? Liegt es daran? Das ist lächerlich, ich hoffe, du weißt das. Ich kann mindestens genauso gut kämpfen wie Boris..."

„Hätte Boris seine Kräfte nicht, hätte ich ihn auch sehr ungerne dabei. Euch fehlt einfach die Kampferfahrung und das alles ist kein Spaß. Es geht um Leben und Tod..."

Briana schnaubte belustigt. „Denkst du nicht, ich weiß das, nachdem ich tagelang um das Leben meines Cousins bangen musste, während ihr euch versteckt habt wie Feiglinge?" Sie schüttelte den Kopf. „Ich werde mir von dir nicht sagen lassen, was ich zu tun habe, Raphael, nicht nochmal. Ihr Männer scheint ja alleine nichts auf die Reihe zu bekommen und wenn wir mal ehrlich sind, könnt ihr jede Hilfe brauchen, die ihr bekommen könnt"

„Briana...", begann Raphael wieder. Seine Stimme klang diesmal anders. Autoritärer.

„Lass sie helfen, Raphael", unterbrach Michael ihn. „In ihr steckt mehr als du ahnst. Sie ist stärker als normale Menschen und mit Sicherheit alles andere als hilflos. Sie soll mit nach Chad suchen"

Raphael presste kurz die Lippen zusammen, nickte dann aber. „Unter deiner Verantwortung"

Briana quietschte leise vor Freude, doch räusperte sich ernst, als Raphael ihr einen genervten Blick zuwarf.

„Du musst uns alles erzählen, was du weißt", begann Raphael nun an Dale gewandt. „Fang mit Chad an"

Dale nickte und erzählte davon, was ihm bisher mit Chad passiert war, dass er kaltblütig geworden war und mit Sicherheit keine Rücksicht auf Verluste nehmen würde. Außerdem betonte er immer wieder, wie dringend Chad seine Eltern finden wollte, also machten wir uns auf den Weg zu ihnen, da wir uns sicher waren, wenn wir seine Beute im Blick behielten, würde er uns irgendwann von selbst in die Arme laufen.

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