44. Silas: Verloren

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Seit wir von meinem Tod in der Zukunft erfahren hatte, war Raphael besonders anhänglich geworden. Mich störte es nicht, im Gegenteil: Ich liebte es, wie er mich umsorgte, die ganze Zeit meine Nähe suchte und meine Anwesenheit mehr zu schätzen wusste als je zuvor. Allein der Gedanke daran, dass ich einmal nicht mehr an seiner Seite sein würde, brachte Raphael beinahe um.

Ich konnte und wollte mir gar nicht vorstellen, wie es für mich sein würde, ihn zu verlieren. Unsere Verbindung war unglaublich stark. Obwohl wir unsere Gedanken voneinander abschotteten, war Raphael dennoch ein Teil von mir selbst. Ich vermisste ihn schon, wenn wir ein paar Minuten räumlich getrennt waren. Sein Tod wäre für mich unmöglich zu überleben.

Wir klebten ohnehin schon viel aneinander, seit wir zusammen und vor allem seit wir auch miteinander verbunden waren, doch die Neuigkeiten über die Zukunft veranlassten uns dazu, kaum mehr voneinander abzulassen. Die anderen waren davon ziemlich genervt, da sie ernsthaft versuchten, etwas bei ihrem Training zu erreichen und wir uns eher einen Spaß daraus machten.

Ich denke, Raphael und ich überschätzten uns ziemlich. Mein Verlobter war das mächtigste Wesen auf der Erde, zusammen waren wir unbesiegbar, bildeten wir uns ein. Wir waren verdammt stark, ja, aber nicht allmächtig. Da uns bisher aber keiner vom Gegenteil überzeugt hatte, war uns das nicht wirklich bewusst.

Unser Team machte kleine Fortschritte beim Training. Chad hatte keine Probleme mehr dabei, eine Kraft zu kopieren und für kurze Zeit selbst anzuwenden, er schaffte es sogar, mehrere zeitlich in sich zu tragen, doch es hielt nie lange an. Das Kopierte dann auf andere zu übertragen fiel ihm noch besonders schwer, doch er übte sehr fleißig und Luzifer redete ihm immer wieder gut zu und spornte ihn dazu an, weiter zu machen.

Dale hatte sich vor drei Tagen bei Chad gemeldet und gemeint, er bräuchte ein bisschen Zeit für sich, nach dem, was passiert war. Chad hatte ihm angeboten, vorbei zu kommen, damit sie reden konnten oder Dale zumindest nicht alleine war, doch der junge Jäger wollte lieber für sich sein. Es nahm ihn mit, dass er diese Vampire hatte töten müssen und ich kam auch nicht um das Gefühl herum, dass er befürchtete, wir sahen ihn deshalb mit anderen Augen.

Was Raphael und Charlie anging, war das auch so. Die beiden weigerten sich zu glauben, dass Vampire Jäger einfach so angriffen. Deshalb war Charlie heute bei Benedikt, um ihm zu erklären was passiert war. Die Vampire hatten immerhin einfach so über das Königsmal hinweggesehen. Noch weniger Respekt konnte mal Benedikt kaum gegenüber bringen. Charlie war der Meinung, das bewies, Benedikt hätte an Autorität eingebüßt, da die Vampire wussten, dass er bereits vor drei Jahren den Thorn hatte an Raphael abgeben wollen.

Dieser Sachverhalt machte meinem Verlobten allerdings noch mehr Druck. Er war noch nicht bereit dazu, König zu werden, das war er nie gewesen. Doch so wie es gerade aussah, würde man die Vampire nur zügeln können, indem man ihnen einen starken Anführer bot, der sich durchsetzen konnte. Jedoch befürchtete ich, dass es eher eine Schreckensherrschaft werden würde, wenn Raphael seinem Volk seine Stärke demonstrierte.

Und dann war da immer noch die Tatsache, dass er mit einem Jäger liiert war... Zwar wussten alle, dass ich nicht aktiv Jagt auf Vampire machte, doch sie rochen, dass ich einer der wenigen war, der ihnen schaden konnte. Sie hassten mich nicht, sie hatten einfach nur Angst vor mir. Und Angst verleitete Leute zu erschreckenden Maßnahmen.

„Verdammt, das ist kein Spaß hier! Hör auf zu lachen!" Als Michael das brüllte, zuckte ich leicht zusammen und sah zu der Szene, die sich in der Mitte der Halle abspielte. Michael trat auf Briana zu und sah einschüchternd von oben auf sie herab. „Du solltest endlich anfangen, das alles hier ernst zu nehmen, Briana. Dein Leben hängt davon ab. Denkst du, du kannst deine Gegner in einem Kampf einfach durch dein Lächeln verzaubern? Da muss ich dich enttäuschen, so läuft das nicht"

„Für dich hat's ja wohl gereicht", zischte sie zu ihm hoch und schubste ihn von sich weg. Er fing sich sehr schnell wieder, sein Blick verfinsterte sich noch mehr.

„Vergiss, was da passiert ist... Es war bedeutungslos"

Briana begann zu lachen, doch es klang alles andere als belustigt. „Du kannst jedem anderen hier etwas vormachen, Michael, aber mir nicht. Ich habe es gesehen in dieser Nacht. Ich habe gesehen, was du dir am meisten wünschst"

Michaels Mimik fiel in sich zusammen, er sah Briana mindestens so ungläubig an, wie wir anderen auch. War das ihre Kraft?

„Du hast keine Ahnung", knurrte er und ging bedrohlich auf sie zu. Bevor er sie aber erreichen konnte, stellte Jay sich dazwischen. „Das reicht jetzt. Entweder du redest normal mit ihr oder du lässt es!" Er legte dabei die Hand auf Michaels Brust und drückte ihn zurück.

Er jedoch schlug Jays Hand weg, wollte zurück zu Briana, aber ehe er sich versah, bekam er Jays Faust ab.

Raphael und ich warfen uns einen Blick zu, der bestätigte, dass er gerade genauso wenig verstand, was hier vor sich ging wie ich.

Auch Austin mischte sich nun ein. Er hielt Michael zurück und maulte Jay an. „Was soll der Scheiß, Jay? Kannst du dich nicht einfach raushalten?"

Jay schnaubte wütend. „Er hat nicht das recht so mit ihr umzugehen. Zum Ficken war sie ihm noch gut genug und jetzt geht er seit Tagen so scheiße mit ihr um. Denkst du, das schaue ich mir mit an?"

„Jay!", kreischte Briana entsetzt.

Er drehte sich zu ihr um. „Es weiß doch eh schon jeder, beruhig dich"

Sie presste die Lippen zusammen, hatte die Augen voller Tränen und stürmte aus dem Raum.

„Briana, warte!" Jay rannte ihr hinterher.

Austin ließ Michael wieder los. Beide sahen in die Richtung, in die die beiden Jugendlichen verschwunden waren, machten einen Schritt dahin. „Ich regle das" Austin stoppte Michael durch diesen Satz und verließ ebenfalls den Raum.

Luzifer ging zu Michael, der sich die Haare raufte und unruhig herumlief, während Boris und Chad sich zu meinem Verlobten und mir gesellten.

„Wusstet ihr, dass Michael und Briana was zusammen hatten?", hakte Boris nach.

Chad nickte als einziger. „Ich hab's vermutet... Briana tut mir echt leid"

„Wieso das?", wollte ich verwirrt wissen.

Chad sah zu Michael, wir alle folgten seinem Blick. „Seht ihn euch an. Er ist gebrochen. Das einzige, was passieren wird, wenn sie beiden zusammenkommen, ist, dass er sie runterzieht. Ich denke, er benimmt sich so, weil er das selbst begriffen hat..."

Ich beobachtete Michael weiter und wie Luzifer auf ihn einredete. Chad hatte recht. Michael wusste viel, er half uns so gut wie immer weiter, doch selbst schien er hinter all seinen Fassaden verloren zu sein.

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