77. Silas: Unterbewusstsein

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Michael stieß zu uns, als wir Charlie und Boris bereits über unsere Erkenntnisse aufgeklärt hatten uns nun über ein mögliches Vorgehens diskutierten.

„Wenn Boris seine Visionen hatte, wie konntest du dann auch daran teilnehmen?", fragte ich Charlie. Mir war klar, dass es gerade nicht leicht für ihn war und er vermutlich ganz andere Dinge im Kopf hatte, aber wir brauchten diese Informationen und konnten ihm damit vielleicht sogar helfen.

„Meistens hat er sie ja, wenn er schläft. Ich bin davon oft aufgewacht, weil ich seine Unruhe gespürt habe, habe ihn in den Arm genommen und... ich weiß auch nicht... ich habe mich auf unsere Verbindung konzentriert, weil ich ihm zeigen wollte, dass ich für ihn da bin und ihn stark machen wollte und irgendwie habe ich dann auch einiges von seinen Visionen mitbekommen. Aber wieso wollt ihr das wissen? Was hat das mit eurer Situation zu tun?"

„Austin hat gesagt, meine Kraft ist Unterbewusst stärker, was ja auch Sinn macht, da ich sie, seit ich sie in diesem Ausmaß spüre, versuche zu kontrollieren und zurückzudrängen. Um Chads Seele aber über seinen Körper zu erreichen, brauche ich das volle Ausmaß meiner Kräfte und das kann ich nur mit Silas erreichen. Wir haben uns überlegt, dass einer von uns dem anderen sein Unterbewusstsein und somit die Kraft zur Verfügung stellt und der andere dieses dann quasi lenkt und somit wollten wir Chads Seele dazu zwingen, zurückzukommen.", erklärte Raphael und lächelte mich dabei kurz an, so als sei er ein wenig aufgeregt, das zu tun.

Ich schmunzelte ebenfalls und nahm seine Hand. „Weil Raphaels Unterbewusstsein seine meiste Kraft verbirgt, haben wir beschlossen, dass er es mir zur Verfügung stellt und ich dann Chads Geist so manipuliere, dass er unserem Willen folgt. Die Frage ist nur, wie ich die Kontrolle über Raphaels Unterbewusstsein bekommen kann und wie ich seine Kraft zügeln soll."

Charlie und Boris nickten verstehend, ehe Boris nachdenklich ergänzte. „Du hast doch gesagt, ihr teilt euch manchmal träume, beziehungsweise schaut einander dabei zu. Träume finden auch im Unterbewusstsein statt, das heißt, ihr solltest vielleicht daran anknüpfen..."

„Leute", unterbrach Michael all unsere Überlegungen, ich sah zu ihm, erkannte, wie er energisch den Kopf schüttelte. „Wollt ihr das wirklich riskieren? Ihr spielt ihr mit den tiefsten Ebenen des menschlichen Verstandes. Ich will euch echt nicht verletzen, aber ich bezweifle, dass ihr dem gewachsen seid. Und was, wenn was schiefläuft? Dann könnte Chads Seele irgendwo im Universum verloren sein, ohne Rast und ohne Ziel. Wieso töten wir seinen Körper nicht einfach wieder und schicken seine Seele in den Himmel, sobald Luzifer sie mitbringt? Bzw. wer versichert uns, dass er sie überhaupt identifizieren kann und nicht absorbiert, weil er sie für einen Teil von sich hält? Wir sollten das wirklich lassen..." Michael sah uns bedauernd an, beinahe so, als habe er die Entscheidung für uns gefällt, einfach nichts zu tun. Nein, Chad umzubringen.

„Nein", widersprach Raphael jedoch. „Wir werden nicht einfach so aufgeben ohne irgendetwas versucht zu haben. Chad ist unser Freund und sein Leben lag in meiner Verantwortung. Meine Kräfte müssen endlich mal zu etwas Gutem nutze sein. Immerhin hast du selbst gesagt, dass aus mir mal ein Engel wird..."

„Ja, in tausenden von Jahren, Raphael. Deine Energie steigt in dieser Zeit exponentiell und das wird dich zu einem Engel machen, einem verdammt mächtigen, aber jetzt bist du nur ein Vampir-Jäger-Mischling und im Vergleich zu der Macht, die ihr dazu braucht, was ihr vorhabt, hast du grade so die eines Menschen" Michael wirkte aufgebracht, er achtete nicht mal mehr darauf, was er sagte, sondern ließ seinen Gedanken einfach freien Lauf. „Du bist vielleicht das mächtigste Wesen auf dieser Erde, doch was ihr vorhabt, übersteigt eure Grenzen bei weitem. Lass dir deine Position nicht zu Kopf steigen"

„Es geht doch gar nicht darum!", erwiderte Raphael ungehalten. „Es geht darum, das Leben eines Freundes zu retten, es geht um Familie! Dafür ist kein Risiko zu hoch, aber klar, dass du einer wie du das nicht versteht!"

„Raphael", Ich unterbrach meinen Verlobten schon lange bevor er die richtig verletzenden Dinge aussprach, die gerade in seinem Kopf herumschwirrten und beruhigte ihn, indem ich seine Hand fest drückte und ihn warnend ansah.

Er atmete tief durch und versuchte, sich zusammen zu reißen. „Tut mir leid", murmelte er dann. „Das war nicht so gemeint..."

Michael schnaubte nur, seine Arme waren verschränkt und seine gesamte Haltung abweisend. „Natürlich war es so gemeint und ich weiß auch sehr gut, dass du recht hast. Aber das ist kein Grund so angreifend zu werden, immerhin versuche ich bloß, euch zu helfen"

„Dann hör auf, uns ausreden zu wollen, Chad zu helfen. Wir werden das tun, ob mit oder ohne deine Unterstützung"

Michael nickte, nachdem Raphael ihm das, nun im deutlich ruhigeren Ton, klargemacht hatte und stimmte schließlich zu, uns nun unterstützen zu wollen.

„Also, wie ist der Plan?", fragte ich in die Runde, um wieder im eigentlichen Thema zu kommen.

„Als erstes sollten wir die Mauer abreißen, die unsere Gedanken trennt", überlegte Raphael. „Dann sollte ich ziemlich tief schlafen, sodass ich nicht aufwache, bis du fertig bist und mein Unterbewusstsein übernimmt. Dann musst du es irgendwie dazu bringen, dir zu gehorchen, meine Kraft anwenden und Chad damit beeinflussen"

Ich nickte zustimmend, dachte jedoch nach dabei. „Der Anfang klingt schon mal ganz gut, aber wie soll ich es konkret schaffen, dich zu überzeugen? Soll ich dein Unterbewusstsein manipulieren oder eher auf unsere Verbindung bauen? Wie mache ich das Ganze dann mit Chad, er wird sich bestimmt auch dagegen wehren..."

Als Boris zu grinsen bin und ich ein Leuchten in seinen Augen sah, stockte ich und sah ihn in einer bösen Vorahnung an. „Was hast du vor?"

Er kicherte leicht. „Naja, wir sind in einem Krankenhaus... Wir könnten ein bisschen Sedativum mitgehen lassen und das mit dem Schlafen hat sich schon mal erledigt für Raphael und Chad."

„Das ist eine gute Idee", ich war tatsächlich überrascht davon, dass Boris darauf gekommen war, jedoch hatte ich an seinem Plan etwas auszusetzen. „Wir müssen das Sedativum aber nicht klauen, wir haben genug Geld, es zu kaufen..."

„Aber klauen ist kostenlos und macht Spaß..."

„Und ist illegal", widersprach ich, als Boris zu schmollen begann.

„Es für private Zwecke zu erwerben doch auch"

„Wir könnten auch einen Mitarbeiter so manipulieren, dass er es uns einfach gibt", warf Raphael ein.

„Das ist ja langweilig", meinte Boris richtig enttäuscht und sah Charlie mit einem Schmollmund an, weshalb dieser lachte „Du bist so süß!", quietschte und ihm kurz die Haare wuschelte.

Da ich das von Charlie absolut nicht kannte, war ich etwas überrascht und Raphael und Michael schien das genauso zu gehen, jedoch kommentierte keiner sein Verhalten.

„Wir kaufen es, alles andere lässt sich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren", beschloss ich und sah Raphael bittend an. Er wusste, dass ich nicht gerne im Verstand von anderen Leuten herumspielte und das zu tun, um Straftaten für uns zu begehen, ging mir entschieden zu weit. Wir würden so Leute in unsere Probleme mit reinziehen, die damit absolut nichts zu tun hatten...

„Ja gut", stimmte er also zu.

Wir grübelten noch ein wenig weiter, bis wir davon überzeugt waren, den perfekten Plan vorliegen zu haben und machten uns dann sofort an die Umsetzung, denn wir hatten keine Zeit zu verlieren.

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