Ruhig stand ich vor den Tischen, auf denen Raphael und Chad lagen. Silas stand dazwischen, hatte jeweils eine Hand auf ihren Köpfen und konzentriert die Augen geschlossen. Vor etwa einer Stunde hatten wir Raphael und Chad das Sedativum verabreicht, in einer derart hohen Dosis, dass es die beiden nach wenigen Minuten umgehauen hatte.
Silas hatte mich dann darum gebeten, aufzupassen, dass wir nicht gestört wurden und immer wieder alle Vitalfunktionen zu checken.
Um das Ganze durchzuführen, waren wir im Kerker geblieben, da uns die Gefahr, dass Chad abhauen würde zu groß gewesen war, beziehungsweise wir uns nicht die Mühe machen wollten, ihn Bewusstlos die ganzen Treppen nach oben zu schleppen.
Ich war hier unten also alleine mit drei abwesenden Personen und dem Höllenkrieger, dem wir diesen ganzen Schlamassel zu verdanken hatten.
Er saß auf seinem Zellenboden und lehnte dort entspannt an die Wand, von wo aus er uns sehr gut beobachten konnte.
„Wenn das klappt, kommt Luzifer dann wieder zurück?", hakte er nach einer Weile nach und schaute mich neugierig an.
Ich blickte auf ihn herab und schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich nicht. Wir wissen nicht, wie weit Luzifer weg ist, also erreicht Silas Chads Seele vielleicht, bevor sie bei Luzifer angekommen ist"
„Mhm" Alvar nickte verstehend. „Also bleibt Luzifer weg?"
Ich verdrehte die Augen. „Ja, Luzifer bleibt weg! Wir wissen, dass du deshalb sterben wirst und das tut mir auch echt leid für dich, aber das hat echt keine Priorität grade!"
Ich war angespannt und ließ es an Alvar aus, doch mir erschloss sich auch kein Grund, warum ich es nicht tun sollte. Er war immerhin gerade als einziger hier und unser Gefangener. Trotzdem fühlte ich mich irgendwie schlecht ihm gegenüber, wohl vor allem, weil mir klar war, dass wir keinen Finger rühren würden, um ihm das Leben zu retten. Warum sollten wir ihn denn auch stark machen, nur damit er uns schaden konnte? Mein einziges Problem war nur, dass Alvar mir absolut nicht wie der Böse in dieser Geschichte rüberkam und zusätzlich zu all den anderen Problemen, verwirrte mich das auch noch enorm.
„Dale", meinte Alvar nach einer weiteren stillen Zeit ruhig, stand auf und stellte sich so nah wie möglich an die Gitter ran, um mit mir zu reden. Obwohl ich ihn nicht ansah, redete er weiter.
„Wir brauchen Luzifer, das ist dir klar, oder?"
Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, ich drehte mich zu ihm und ließ meine Freunde dadurch aus den Augen.
„Du brauchst Luzifer, wir sind nicht abhängig von seiner Energie..."
„Nein, aber von seiner Macht", eindringlich unterbrach er mich. „Sobald Jay sich mit Austin verbunden hat, verlischt sein Schutz vor den Engeln, sie werden wissen, wo er ist und Besitz von ihm ergreifen wollen..."
„Wozu?", fragte ich.
Alvar schüttelte den Kopf leicht. „Kannst du dir das nicht denken? Die Engel haben schon mal das Ende der Welt herbeigeführt. Das hier, deine Gegenwart, ist die Vergangenheit und die Engel werden nicht zulassen, dass ihr jemals wieder eine Zukunft habt, vor allem nicht, nach dem, was Raphael und Silas da gerade machen."
„Woher willst du das wissen? Wieso erzählst du mir das?"
Alvar atmete tief durch. „Ich kann dir das nicht sagen, ich kann es keinem sagen, aber ich will, dass du weißt, dass euch der Krieg mit dem Himmel bevorsteht, sobald Chads Seele wieder in seinem Körper ist. Und ohne Luzifer habt ihr keine Chance, ihn zu gewinnen"
„Wieder erzählst du mir das?!", wiederholte ich drängender und ging auf ihn zu.
„Weil du der einzige bist, der mir glauben würde. Du spürst, dass ich nicht lüge, zumindest nicht jetzt. Du weißt, dass ich einmal ein Mensch war, das heißt, deine Kraft wirkt bei mir. Ich werde deine Freunde nicht überzeugen können, aber du schon."
Ich schluckte, schüttelte den Kopf, da ich Alvar nicht glauben wollte, jedoch hatte er recht. Ich spürte, dass er die Wahrheit sagte.
„Wieso sollte ich dir vertrauen?", fragte ich zweifelnd. Wenn ich ehrlich war, hatte ich auch etwas Angst vor dem, was uns laut seiner Aussage bevorstand. „Und warum rückst du erst jetzt damit raus?"
„Du hast keinen Grund, mir zu vertrauen", sagte er, sah mich dabei ernst an. „Aber vertraue auf dich und dein Gefühl." Seine Stimme, sein Blick, seine Art, mich zu überzeugen und vor allem sein Benehmen stimmten mich eher misstrauisch als alles andere.
„Bist du ein Höllenkrieger?", fragte ich direkt, völlig aus dem Zusammenhang gerissen.
Er schüttelte den Kopf. "Nein"
„Was bist du?"
Wieder schüttelte er den Kopf, lächelte aber dabei. „Alles zu seiner Zeit, Dale. Alles zu seiner Zeit"
Die Frustration und die Angst in meinem Inneren machten es mir nicht grade leicht, geduldig zu sein, doch bevor ich Alvar anschnauzen konnte, dass er nun endlich mit der vollen Wahrheit rausrücken sollte, hörte ich ein Geräusch hinter mir und drehte mich schnell dorthin.
Während Raphael noch ruhig auf dem Tisch saß, zerrte Chad an den Ketten, mit denen wir ihn am Tisch befestigt hatten und Silas' Mimik war verzerrt. Er murmelte irgendetwas, doch ich verstand es nicht. Er wurde immer lauter.
„Dale, beruhige ihn!", schrie er schließlich, noch immer ohne die Augen zu öffnen.
Ohne zu verstehen, was hier grade überhaupt passierte, stürzte ich zu meinem Bruder, beugte mich über ihn und strich durch seine Haare. „Hei, hei, hei, ganz ruhig, großer Bruder. Es ist okay, ich bin da" Auf ihn einzureden brachte nichts, also begann ich das Lied zu singen, das er mir immer vorgesungen hatte und das ich ihm vorgesunden hatte, nachdem ich ihn erstochen hatte. Mit der Zeit schien er wirklich ruhiger zu werden. Schließlich lag er einfach nur noch da und wirkte so, als würde er mir entspannt lauschen und es genießen, obwohl mein Gesang wirklich schrecklich klang.
Eine Zeit lang passierte dann gar nichts mehr, bis Silas plötzlich die Augen aufriss und zu schreien begann. Das ließ mich aufschrecken, ich wollte zu ihm, nach ihm sehen, doch sein gesamter Körper schien unter Spannung zu stehen, goldene Adern bildeten sich auf seiner Haut ab und goldenes Licht trat aus seinen Augen hervor.
Er klang sehr schmerzerfüllt und ich wollte irgendwie helfen, aber ich wusste nicht wie.
Schlagartig streckte Chad den Körper durch, verkrampfte und begann ebenfalls zu schreien und sich zu winden.
Es war schrecklich, mir das alles mit anzusehen und nichts tun zu können, um ihnen zu helfen.
„Shit, was passiert hier? Was zum Teufel passiert hier?", zischte ich panisch.
Meine Angst schränkte meine Aufmerksamkeit derartig ein, dass ich nicht bemerkte, wie jemand zu uns trat und nach Silas und Chad fasste, bis beide wieder ruhig wurden und das goldene Leuchten langsam von Silas auf Chad überging.
Fassungslos sah ich zu Alvars Zelle, von der einige Gitter einfach geschmolzen waren und dann zu ihm, wie er plötzlich total verändert aussehend vor mir stand und mir zuzwinkerte, während er Chad und Silas half.
Nach kurzer Zeit ließ er von beiden ab, lächelte mich an und meinte: „Gern geschehen"
Mein Mund stand offen, eine Reaktion blieb aus, ich starrte ihn einfach nur an.
Dann hörte ich jemanden tief die Luft einziehen und sah nach meinem Bruder, der langsam die Augen öffnete. „Dale?", murmelte er benommen, wollte sich bewegen, doch konnte nicht wegen der Fesseln. „Was ist hier los?"
Ohne groß nachzudenken, fiel ich ihm um den Hals, sah dabei aber Alvar in die Augen und konnte nicht aufhören darüber nachzudenken wer oder was er war.
Wer oder was ist Alvar wohl wirklich?
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Only We
Fantasy-Ich erkannte in seinem Blick, dass da noch so viel mehr war. So viel mehr, das er mir sagen und bewusst machen wollte, doch er stand einfach nur knapp vor mir und sah mich intensiv an, sodass es sich so anfühlte, als entfachte er ein wärmendes Lage...