8. Silas: Überraschung

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„Jetzt raus mit euch, ich will meine Ruhe!" Oma schob Raphael und mich energisch zur Tür.

Wir lachten, doch folgten ihrem Befehl, uns endlich zu verziehen. Sie hatte uns eigentlich immer gerne zu Besuch da, wir verbrachten gerne Zeit zusammen, auch wenn wir ausgezogen waren, doch nun, nachdem wir schon zwei Tage bei ihr verbracht hatten, schien sie endlich wieder ihre Ruhe zu wollen. Trotzdem umarmte sie uns beide nochmal fest, bevor wir gingen. Sie liebte uns, selbst, wenn wir sie nervten.

„Eigentlich sollte sie doch froh sein, dass wir sie regelmäßig besuchen...", überlegte Raphael schmunzelnd und nahm meine Hand, während wir vom Hof liefen.

Lächelnd umschloss ich seine Finger fester und antwortete: „Sie ist doch nicht dumm. Sie weiß, dass wir es ziemlich ausnutzen, unsere Ruhe zu haben, wenn wir bei ihr sind"

Raphael brummte unzufrieden. „Wenigstens sind wir so rücksichtsvoll, es nicht lautstark zuhause zu tun, wenn alle anderen anwesend sind. Ich kann nicht versprechen, dass ich das mit Charlie und Boris noch lange mitmache, echt" Er schüttelte den Kopf und klang mächtig angepisst dabei.

Mich störte es auch, dass wir ihren harten, schmutzigen Sex auditiv quasi miterlebten, nein es VERSTÖRTE mich, aber trotzdem amüsierte mich Raphaels Art, sich darüber aufzuregen, sehr. Er versprach mir jedes Mal, den beiden eine fette Ansage zu machen, falls es nochmal vorkommen sollte, doch wir wussten beide, dass er das bei Charlie sicherlich nicht tun würde. Bei Boris hatten wir es schon zu Genüge versucht. Dieser Idiot schien auch noch stolz darauf zu sein, dass wir so unfreiwillig an seinem Sexleben teilnahmen.

„Ich kann ja nochmal mit Boris reden", schlug ich Raphael vor, um ihn zu beruhigen. Er nickte und grinste mich an. „Ich meine, ich verstehe die beiden schon irgendwie. Am liebsten würde ich dich 24/7 vernaschen" Plötzlich schnappte er nach mir, hielt mich fest im Griff und biss spielerisch in meinen Hals, während er dabei knurrte wie ein Tier.

Das alles passierte auf offener Straße, sodass uns ein älteres Paar missbilligend ansah und schnell weiterging. Ich kicherte trotzdem, versuchte aber, ihn wegzuschieben. „Hast du mich heute Nacht nicht genug vernascht?", fragte ich ihn etwas atemlos vom Lachen.

„Als könnte ich jemals genug von dir bekommen", gab er zurück. Er sah mich so liebevoll dabei an, dass er mein Herz dadurch beinahe zum Schmelzen brachte.

Zu einem sanften Kuss zog ich ihn zu mir herunter und lächelte ihn dann an, als ich seine Hand nahm und ihn hinter mir herzog. „Komm mit, du Spinner"

„Hast du noch irgendwas vor? Ich dachte, mir gehen nachhause" Raphael folgte mir verwirrt.

„Wir gehen auch nachhause, aber danach muss ich noch was erledigen" Nach außen hin wirkte ich, als sei es keine große Sache, doch im Inneren tanzte meine Nervosität aufmerksamkeitssuchend Tango.

„Dann lass es uns doch gleich machen" Raphael war nach wie vor verwirrt, vor allem, als ich den Kopf schüttelte. „Geht leider nicht, das muss ich alleine machen"

„Sag mal, betrügst du mich?" Er klang ehrlich betroffen dabei, sodass ich sofort den Kopf schüttelte. Mein Vorschlag, unsere Gedanken die meiste Zeit voneinander getrennt zu halten hatte ihn sehr verletzt. Er hatte behauptet, dadurch einen Teil des Gefühls zu verlieren, dass wir eins waren. Mit der Zeit hatte er jedoch verstanden, dass es besser für uns war, nicht die ganze Zeit im Kopf des anderen zu sein. Jedoch schien er das jetzt zu bereuen.

„Nein, Raphael", ich sah ihn eindringlich an. „Es ist eine Überraschung für dich, wenn dus genau wissen willst"

Seine Augen öffneten sich leicht. „Eine gute?"

„Ich hoffe doch", lachte ich, spürte dabei aber ein nervöses Kribbeln in meinem Magen.

Wir waren zwar seit 3 Jahren durch die Gefährtenverbindung vollständig anerkannte Lebenspartner in der Vampirwelt, doch sprachen immer wieder darüber zu heiraten, so dass es bei den Menschen und auch Vampiren offiziell anerkannt wurde. Um das aber tun zu können, mussten wir uns erstmal richtig verloben und genau das war der Plan. Ich hatte nichts groß Besonderes vor, ich wollte Blumen holen und Schokolade, ihm klarmachen, wie sehr ich ihn liebte und ihm den Ring meines Opas geben, den meine Oma mir gegeben hatte, als ich meinte, ich wolle ihm einen Antrag machen. Er war aus Silber gewesen, daher hatte ich ihn mit Weißgold überziehen lassen und an einen Anhänger gehängt, damit er es als Kette tragen konnte, da ich wusste, dass er Schmuck an seinen Händen und Armen nicht mochte.

Ich war mir sehr sicher, dass er sich freuen und ja sagen würden, doch nervös war ich trotzdem.

Zuhause angekommen, ging ich mit Raphael rein und wollte mich von ihm verabschieden, doch hielt inne, als ich seinen alarmierten Gesichtsausdruck sah. „irgendwas stimmt nicht", teilte er mir ernst mit und ging ohne weiteres ins Esszimmer.

Ich folgte ihm sofort und erkannte meine Mitbewohner mit mir bis dato zwei Fremden am Tisch sitzen.

Raphael ging zu einem der beiden hin und roch an ihm.

Ich suchte eine Erklärung in Boris' Blick, doch er schien einfach durch mich hindurch zu sehen, solange, bis er aufstand, zu mir kam und mich fest in seine Arme zog. „Ich werde nicht zulassen, dass dir was passiert. Niemals", versprach er, doch wirkte dabei so reumütig, dass es mir sofort Sorgen bereite.

„Was hast du angestellt, Boris?" Ich schob ihn von mir und sah ihn ernst an.

Er stand den Tränen nahe, als er seine Hand auf meine Wange legte, mich dabei ansah, als hätte er mich unglaublich vermisst. Er umarmte mich nochmal, ich hörte ihn sogar schniefen.

Ich hatte keine Ahnung, was hier los war, doch diesmal schob ich meinen Cousin nicht weg, sondern hielt ihn fest und begann ihn zu trösten, nichts ahnend, dass die Welt bereits auf dem Kopf stand.

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