71. Raphael: Kuscheln

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Erschöpft seufzend drückte ich auf Omas Klingel und verbrachte meine Wartezeit, bis jemand öffnete mit einem ausgiebigen Gähnen. Just in dem Moment, als ich den Mund wieder schloss, öffnete sich die Tür und Oma stand mir gegenüber. Sie umarmte mich herzlich und ließ mich dann sofort rein.

„Silas ist auch schon da", teilte sie mir mit.

Bei der Nennung seines Namens, hüpfte mein Herz kurz und ich fühlte ein Kribbeln in der Magengegend. Ich hatte ihn die letzte Zeit nicht viel gesehen und nun war ich irgendwie nervös, wieder auf ihn zu treffen. Wir waren verlobt, es war lächerlich, das wusste ich, aber ich war noch immer so verliebt in Silas wie am Anfang unserer Beziehung, nur, dass ich jetzt zusätzlich dazu eine viel tiefere Bindung zu ihm hatte, die alle Gefühle noch mehr verstärkte.

Ich stoppte im Türrahmen zum Esszimmer, lehnte mich dagegen und sah Silas dabei zu, wie er den kleinen Callum spielerisch mit seinem Babybrei fütterte. Die beiden hatten so viel Spaß, dass das Essen eher vernachlässigt wurde und auch Chloe, die mit am Tisch saß und etwas malte, kicherte fleißig mit. Kein Wunder, das Baby hatte das ganze Essen in seinem gesamten Gesicht verteilt und auch Silas' Oberteil war dem Brei zum Opfer gefallen.

„Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber ich glaube, das Essen soll in das Baby. Am besten oral", grinste ich, als ich mich vom Türrahmen abstieß und auf meinen Verlobten zuging. Er erschreckte sich dabei etwas und der Brei landete auf seiner Hose.

„Oh äh hi", Silas lächelte mich an, wurde leicht rot dabei und rubbelte an seiner Hose herum. Er war ein wenig überfordert und ich freute mich darüber, ihn noch so aus der Fassung bringen zu können.

Als ich bei ihm angekommen war, beugte ich mich herunter, nahm sein Gesicht in die Hände und gab ihm einen ausgiebigen Kuss, der dafür sorgte, dass es sich kurz so anfühlte, als würde es auf der ganzen Welt nur uns beide geben. Danach löste ich mich widerwillig von ihm und begegnete seinem verträumt lächelnden Gesicht.

Ich ließ erst wieder komplett von ihm ab, als das Baby zu meckern begann und machte Silas Platz, sodass er es weiter füttern konnte, diesmal etwas weniger belustigend. Um die beiden nicht weiter zu stören, ging ich um den Tisch herum und setzte mich zu Chloe.

„Hi, Kleines"

„Hallo, Raphael" Sie winkte mir zu, obwohl ich direkt neben ihr saß und widmete sich dann wieder fleißig ihrem Bild.

„Was malst du denn da?" Für mich sah das nach einem fliegenden, leicht behinderten Schaf aus...

„Das bin ich" Sie zeigte auf ein kleines Mädchen auf einer Wiese. „Das ist Chrissi", nun deutete sie auf eine größerw Figur, die aussah wie ein Junge, und machte beim Erklären so weiter. „Das ist Oma, das ist Silas mit Cally und das ist meine Mama im Himmel" Zuletzt deutete sie auf eine Person, sie auf dem fliegenden, leicht behinderten Schaf, sie nannte es Wolke, lag und auf die anderen runter sah.

Das Bild löste etwas in mir aus, doch so richtig konnte ich nicht sagen, was es war. War es Enttäuschung, weil ich nicht mit drauf war? War es Trauer, weil die Kleine ihre Mum offensichtlich vermisste? War es Faszination, weil sie das so verarbeitete? Ich hatte keine Ahnung.

„Das ist wirklich hübsch", meinte ich, lächelte Chloe dabei an, obwohl sie nur auf ihr Papier sah.

„Wo ist denn dein großer Bruder?", hakte ich dann neugierig nach, als mir auffiel, dass hier jemand fehlte.

Chloe zuckte bloß mit den Schultern, daher antwortete Silas. „In seinem, naja meinem Zimmer. Er kommt da eigentlich nur raus, wenn er auf Klo muss. Dale ist bei Briana, bevor du fragst"

Das wäre tatsächlich meine nächste Frage gewesen, denn eigentlich spielte Dale hier die Nanny und nicht Silas, auch wenn er beinahe jede freie Sekunde mit den Kindern verbrachte.

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