76. Michael: Wahrheit

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„Leute, ich will mich echt nicht unnötig wichtig machen, aber wir wissen jetzt, was wir tun, um Chad zu helfen... also was tun wir, um mir zu helfen?" Jay schluckte nach dieser Frage und sah unsicher in die Runde, so als erwartete er, dass er zu hören bekam, dass er im Moment einfach nicht wichtig war. Doch dem war nicht so.

„Irgendwelche Ideen?", hakte Raphael nach und sah uns alle fragend an.

Mein Nicken zog seine Aufmerksamkeit auf mich. „Es gäbe ein paar Möglichkeiten, Jay zu heilen, doch sie alle erfordern einen gewissen Preis. Allerdings sollte es auch etwas geben, dass Jay UND Austin helfen kann"

Alle sahen mich aufmerksam an, warteten die Auflösung ab. Ich fand es sehr belustigend, dass sie selbst nicht auf diese Idee kamen. Naja, zumindest nicht alle von ihnen.

„Eine Gefährtenverbindung", murmelte Silas nachdenklich und sah dann zwischen Austin und Jay hin und her. „Falls ihr Gefährten seid und die Verbindung eingeht, werdet ihr beide um einiges stärker. Vielleicht funktionieren deine Kräfte dann wieder richtig und Jay ist geheilt, sowie Boris damals..."

„Aber er ist ein Mensch", widersprach Austin, den Kopf schüttelnd. „Glaubst du, er könnte der Energie standhalten?"

Ich lachte leicht, weshalb Austin mich verwirrt ansah. „Austin, Jaylin hat einen Erzengel in seinem Körper getragen, so ein bisschen Vampirkraft ist da nichts dagegen. Die Energie an sich wird also nicht das Problem sein. Das einzige, was mir Sorgen macht, ist sein krankes Herz, das die Energie wohl nicht verarbeiten können wird..."

„Äh, also was das angeht" Jay kratzte sich verlegen im Nacken, sein Kopf war ganz rot und er wich allen Blicken aus. „Mein Herz ist anscheinend kerngesund, so als hätte ich niemals was gehabt... Die Ärzte und meine Eltern waren auch ganz überrascht, als das nach meiner OP rauskam..."

„Das macht Sinn", meinte ich nachdenklich. „Uriel wird deinen Körper geheilt und ein wenig aufgerüstet haben. Je stärker seine Hülle ist, desto stärker ist auch er..."

Jay nickte nur verstehend, sagte aber nichts mehr dazu. Wir nahmen Austin und ihm das Versprechen ab, sie würden gemeinsam darüber nachdenken und sich der Konsequenzen des Ganzen bewusstwerden, bevor sie irgendetwas taten und dann verließen Raphael, Silas und ich, Alvar im Schlepptau Jaylins Haus.

Raphael und Silas wollten zu Charlie, um ihn auf den neusten Stand zu bringen, während ich Alvar in den Kerker verfrachten und dann nachkommen sollte.

Briana und ich verabschiedeten uns nur flüchtig voneinander, auch, wenn ich sehr gerne mehr Zeit mit ihr, vor allem alleine, verbracht hätte, doch im Moment war einfach zu viel zu tun.

Raphael und Silas setzten Alvar und mich kurz vor der Grenze zum Vampirreich ab und fuhren dann weiter zum Krankenhaus, während ich Alvar neben mir herzerrte. Er grinste die ganze Zeit und wirkte so seltsam sorglos, das war doch echt zum Kotzen.

„Warum grinst du so?", fragte ich ihn misstrauisch und abwertend.

„Ist doch ein schöner Tag", Alvar zuckte mit den Schultern. „Ich war schon so lange nicht mehr auf der Erde... Fast hätte ich vergessen, wie schön es hier ist" Die letzten beiden Sätze schien er eher zu sich selbst zu murmeln, doch natürlich bekam ich es mit und wurde hellhörig.

„Du warst schon mal auf der Erde?"

Alvar sah mich kurz etwas überrascht an, doch ließ sich seine innere Unruhe nicht anmerken. „Natürlich, ich bin eine menschliche Seele", schnaubte er bloß.

Wir beendeten das Gespräch, als wir das Vampirreich passierten und die Wachen uns musterten. Da sie mich schon kannten und Raphael meine Besuche hier autorisiert hatte, ließen sie uns weiter.

Alvar sah sich neugierig um und wirkte heiter dabei, was ich absolut nicht verstand. Er benahm sich nicht wie ein Höllenkrieger, also so gar nicht. Er war nicht auf einen Kampf aus, er ließ mich ihn gefangen nehmen, er plauderte gerne, er war die ganze Zeit so gut gelaunt...

„Schon witzig, wie sehr dir deine „Freunde" vertrauen. Was denkst du passiert wohl, wenn sie die Wahrheit erfahren, mh?"

Aufgebracht durch seine Provokation stieß ich Alvar in die Zelle, als wir im Kerker angekommen waren und schloss sofort hinter ihm die Gitter. „Hör zu", zischte ich ihm zu und näherte mich dem Gitter an, um möglichst leise zu sprechen. „Ich weiß, dass du auch nicht der bist, für den du dich ausgibst, also halte lieber mal den Ball flach"

Alvar zog nur amüsiert die Augenbrauen hoch. „Ein Mann in deiner Position sollte mir nicht drohen, Michael. Wenn deine Freunde erfahren wer und was ich bin, werden sie mir wohlgesonnener sein, als wenn deine Lügen aufgedeckt werden, also überleg dir gut, mit wem du dich anlegst."

Er stand selbstsicher vor mir, voller Stolz und ohne einen Hauch Respekt vor mir oder der Gesamtsituation. Es interessierte ihn nicht, dass er gefangen war und mich ließ das Gefühl nicht los, dass dem so war, weil er hier einfach rausspazieren könnte, wollte er es. Er schien ein mächtiges Wesen zu sein, das nahm ich deutlich war, doch ich konnte nicht entschlüsseln was. Seine Energie wirkte jung, frisch, aber irgendwie verschlüsselt und ich konnte mir nicht erklären, warum er sich in solch eine schwache Rolle begeben sollte. Doch mir war klar, dass ich die anderen darüber nicht aufklären konnte, denn dann würde er nicht lange dichthalten und ich wäre aufgeflogen. Das konnte ich nicht riskieren.

Auf meinem Weg ins Krankenhaus grübelte ich weiter darüber, was ich nur tun sollte, um dieser aussichtslosen Situation zu entkommen. Die Wahrheit sagen stand außer Frage, um Hilfe bitten konnte ich nicht, denn dazu müsste ich die Wahrheit sagen. Alleine war ich dem sicherlich nicht gewachsen, also blieb mir nur die Möglichkeit, weiter zu machen wie zuvor und zu hoffen, dass alles gut werden würde.












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