40. Briana: Freier Wille

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„Ich gehe dann jetzt. Kommst du mit?" Jay formulierte es nicht wirklich als Frage, sondern schaute mich auffordernd an und deutete mit einem Nicken zur Tür. Er ging davon aus, ich tanzte nach seiner Pfeife.

Deshalb war er auch so überrascht, als ich verneinte. „Ich bleibe noch, bis Dale und Luzi wieder da sind. Aber du kannst schon mal gehen"

„Ich würde dich eigentlich ungern hier lassen" Jay sah vielsagend zu Michael, der direkt neben mir saß, da ich mich eben noch mit ihm unterhalten hatte.

Mich brachte das zum Kichern. Auf die anderen wirkte er vielleicht gruselig und angsteinflößend, doch ich fand ihn ganz harmlos. Man konnte sich gut mit ihm unterhalten und es war absolut süß, wie er manche Anspielungen nicht verstand, weil sie einfach zu menschlich waren.

„Dann geh nicht" Ich zuckte mit den Schultern und sah Jay abwartend an, da er nur diese beiden Möglichkeiten hatte. Ich würde aber sicherlich nicht gehen, nur, weil Jay das jetzt wollte. Meiner Meinung nach bekam dieser Rotzlöffel viel zu oft einfach so seinen Willen, aber nicht mit mir.

„Gut, dann ich gehe ich halt alleine. Lass dich nicht abschlachten" Er verabschiedete sich noch von Boris, ließ alle anderen aber links liegen und ging. Ich verdrehte bloß die Augen und wandte mich zurück an Michael.

Er sah mich bereits an, doch blickte schnell weg, als ich seinen Blick erwiderte. Dann räusperte er sich. „Du und Jay... Wart ihr... Also hattet ihr... Ehm" Er legte sich die Hand in den Nacken und wirkte nervös.

Ich schmunzelte. „Ja, Jay und ich hatten mal was zusammen. Unseren ersten Kuss. Und das war's dann auch schon. Er ist mein Cousin und ich liebe ihn, aber er nervt mich auch meistens einfach nur"

„Achso" Michael lächelte leicht und ich erwiderte es.

„Also wo waren wir stehen geblieben?"

Kurz überlegte ich. „Du meintest, dass du den Sinn von Fernsehen nicht verstehst"

„So hab ich das bestimmt nicht formuliert", schnaubte Michael sofort und schüttelte den Kopf.

Ich lachte darüber. „Aber das hast du gesagt, wenn auch nicht mit diesen Worten"

„Na schön", brummte er.

Ich kicherte weiter, da es auf mich so wirkte, als würde er schmollen, jedoch bekam ich dafür einen bösen Blick von Raphael. „Könnt ihr zum Turteln woanders hingehen? Wir wollen hier nämlich fernsehen und es ist mir egal, ob ihr den Sinn davon versteht oder nicht"

„Lass uns hochgehen", schlug Michael vor. Sofort ging ich ihm hinterher und wünschte Raphael und Silas „Viel Spaß beim Fernsehen", dabei wusste ich genau, dass sie jetzt einfach nur rummachen würden.

Ich folgte Michael in das Zimmer, in das er zusammen mit Luzi gezogen war, und schaute mich amüsiert um. Viel Mühe, es einzurichten hatten sie sich ja nicht gemacht.

„Wie ist das eigentlich so, auf der Erde zu sein? Du bist das ja gar nicht gewohnt..."

Michael setzte sich auf die Bettkante und verfolgte mich mit seinem Blick, während ich ein wenig im Zimmer herumschlenderte.  „Wenn ich ehrlich bin, ist diese Zeit gerade die beste meines Lebens."

Ich drehte mich überrascht zu ihm um, doch erkannte keinen Schalk in seiner Stimme, Gestik oder Mimik. Er meinte das echt ernst.

„Wieso?" Neugierig setzte ich mich neben ihn.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin frei. Ihr Menschen wisst gar nicht zu schätzen, wie wertvoll das ist. Ein freier Wille, Handlungsfreiheit... Als Engel gehörst du nicht mal dir selbst. Du gehörst dem Himmel, Gott. Du hast zu tun, was er dir befielt. Wir sind zwar seine Kinder, doch bei uns ist das anders als bei euch. Er ist nicht unser Vater, um auf uns achtzugeben. Seine Kinder zu sein bedeutet für uns, seine Soldaten zu sein, seinen Befehlen Folge zu leisten. Versagen ist dabei keine Option."

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