Ich war nicht davon ausgegangen, dass Chester mit mir kommen würde, ohne auf einen Aufstand zu machen. Jedoch schien er zu verstehen, dass er keine andere Wahl hatte. Es hatte seine Familie zwar nicht interessiert, dass er tot war, doch umso interessanter würde er werden, wenn er plötzlich wieder lebendig durch die Stadt spazierte.
Alle Probleme, die sich daraus ergeben konnten, dass er einfach so aus dem Leichenschauhaus verschwunden war, hatte ich dadurch beseitigt, dass ich es so aussehen lassen hatte, als wäre Chester versehentlich eingeäschert worden, es somit also keine Leiche mehr geben konnte. Der Pathologe hatte eine kleine Gehirnwäsche von mir bekommen. Jedoch wurde mir, je mehr ich von meiner Kraft anwandte, immer klarer, dass ich damit einen Gang zurückschalten musste. Ich hatte den maximalen Teil meiner Präsenz bei mir, doch das war viel zu wenig, um solche Spielereien durchzuführen. Es war notwendig gewesen, ich bereute es nicht, doch ich sollte es nicht wieder tun.
Nachdem wir in Chesters Wohnung fertig gewesen waren, hatten wir es so aussehen lassen, als seien wir nie dort gewesen. Es war schwer für ihn gewesen. Er liebte seine Anni sehr, doch er verstand, dass er nicht einfach so zu ihr zurückkonnte. Es hatte mich fertiggemacht, ihm deshalb gut zureden zu müssen, doch ich hatte keine andere Wahl gehabt. Ich liebte ihn, doch ich konnte es ihm nicht sagen und mir glauben, dass wir in der Zukunft ein Paar waren, würde er doch ohnehin nicht. Außerdem ging es im Moment auch nicht um meine Gefühle. Wir hatten so viele andere, größere Probleme, sodass meine Qual bedeutungslos wurde. Trotzdem wusste ich, dass es vermutlich niemals dazu kommen würde, dass Chester sich in mich verliebte. Wir hatten eine einzigartige Geschichte gehabt, die nun einfach wie wegradiert war. Vor allem mit dieser Grundlage, konnte ich nicht erwarten, dass es jemals wieder so weit kommen würde. Für Chester, für die Welt würde unsere Liebe niemals existent gewesen sein. Das begriff ich irgendwie erst jetzt so richtig.
„Alles okay?" Er musterte mich unsicher, da er nach wie vor keine Ahnung hatte, wie er mit mir umgehen sollte.
Ich seufzte und versuchte, meine Fassung wieder zu erlangen. „Ich bin nur erschöpft. Zeitreisen sind für Engel zwar möglich, aber sehr kräftezehrend, vor allem, weil ich mich die ganze Zeit darauf konzentrieren muss, dass mein Körper nicht auseinanderfällt..."
Er starrte mich aus großen Augen an, daher erklärte ich ihm schnell, dass Engel eigentlich nur in Hüllen auf die Erde kommen konnten, ich jedoch die Ausnahme war. Er verstand es, selbst wenn es ihm abstrakt vorkam.
„Was machen wir jetzt hier?" Chester nickte zu dem Haus, in dessen Nähe ich uns gebracht hatte. Wir standen nun schon eine Weile hier herum und warteten. Austin war zuhause, doch ihn brauchte ich nicht, zumindest nicht jetzt.
„Wir warten auf einen jungen Mann, der hier wohnt. Sein Name ist Boris Jenkins. Er ist..."
„...jägerblütig", vollendete Chester meinen Satz und nickte. „Ich weiß. Aber was wollen wir von ihm? Er ist kein Jäger, er ist mit einem Vampir liiert" Es schwang ein gewisser Vorwurf in seiner Stimme mit, wohl noch die Auswirkungen von dem, was ihm seine Familie 18 Jahre seines Lebens eingeredet hatte.
„Und du bist ein Vampir", sagte ich hinweisend. „Raphael, du kennst ihn unter Prinz Kian, ist dazu verpflichtet, dir zu helfen. Doch uns kann eigentlich nur Boris weiterhelfen. Er hat eine Verbindung zur Zukunft und vor allem zum Tod. Ich bin mir sicher, dass er gespürt haben muss, was passiert ist. Er wird der einzige sein, der uns glaubt..."
„Ich glaube uns selbst ja nicht mal", brummte Chester leise und sah zurück zur Haustür. Wir saßen auf einer Bank auf der gegenüberliegenden Straßenseite und warteten gemeinsam.
„Ich weiß, dass das schwer für dich ist", seufzte ich, weshalb Chester wieder zu mir sah. „Aber ich weiß, wie stark du bist. Ich verspreche dir, dass du es hinbekommst. Wenn nicht alleine, dann zumindest mit meiner Hilfe" Zuversichtlich sah ich ihn an.
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Only We
Fantasy-Ich erkannte in seinem Blick, dass da noch so viel mehr war. So viel mehr, das er mir sagen und bewusst machen wollte, doch er stand einfach nur knapp vor mir und sah mich intensiv an, sodass es sich so anfühlte, als entfachte er ein wärmendes Lage...