70. Charlie: Böses Erwachen

356 52 6
                                    

Ich sah noch Schwärze vor meinen Augen, als ich bereits ferne Stimmen hörte.

„Wie kann das denn sein?"

„Ich weiß es nicht. Wir müssen Chad befragen, er muss irgendetwas mit ihm gemacht haben"

„Boris", ich hörte mich selbst seinen Namen murmeln, bevor ich leicht zu husten anfing und sofort ein Stechen in der Lunge spürte.

„Charlie"

Mein Bett sank ein wenig ein, als Boris sich neben mich setzte, dabei meine Hand drückte und mich ungläubig, aber auch besorgt ansah.

„Hei, mein Großer" Boris begann zu lächeln, seine mit Tränen gefüllten Augen funkelten vor Glück.

„Hei", ich schloss die Augen wieder, als ich das sagte, ebenfalls schwach lächelnd und drückte dabei Boris' Hand.

„Holst du bitte einen Arzt?", Boris sprach mit irgendwem, ich hatte seine Stimme vorher nicht erkannt, daher konnte ich nicht sagen, wer es war. Ich vernahm nur Schritte und wie kurz darauf die Tür geräuschvoll zufiel.

„Hei, schön wachbleiben" Boris strich mir über die Wange.

„Ich bin müde", murmelte ich schwach, doch genoss seine Berührungen sehr.

„Ich weiß, aber jetzt musst du dem Arzt zeigen, dass du aufgewacht bist, danach kannst du meinetwegen fünf Tage durchschlafen, okay? Öffne die Augen, für mich"

Sein letzter Satz überzeugte mich, es kostete mich jedoch eine enorme Anstrengung, meine Augenlider nach oben zu schieben und sie dort zu halten.

„Na schau, geht doch", lächelte Boris.

Erschöpft lächelte ich, da er keine Ahnung hatte, wie anstrengend das grade für mich war, doch ich wagte es nicht, mich zu beschweren oder ihm Vorwürfe zu machen. Stattdessen versuchte ich zu verstehen, was genau gerade los war. Bevor ich aber so wirklich dazu kommen konnte, öffnete sich die Tür wieder und ein Paar Leute kamen rein. Raphael, zwei Ärzte und eine Krankenschwester.

Raphael wirkte aufgeregt, während er hinter den Ärzten stand und versuchte zu mir durchzublicken. Die beiden hatten sich vor meinem Bett versammelt, der eine hörte meine Lunge ab und der andere musterte mich bloß, er begann erst zu reden, als der andere mit dem Abhören fertig war.

„Guten Tag, Mister Hamilton. Mein Kollege und ich haben Sie operiert, nachdem Sie mit einer offenen Wunde in der Brust bei uns eingeliefert wurden. Ihre Lunge wurde dabei schwer verletzt, ebenso wie ein Teil Ihres Herzens..." Der Arzt erklärte mir, was im OP passiert war, welche Komplikationen es gegeben hatte und was sie nun weiterhin für mich geplant hatten. Erst dann fragte er mich, wie ich mich im Moment fühlte.

„Müde", antwortete ich mit rauer Stimme. „Hungrig." Dabei zog ich die Augenbrauen leicht zusammen und sah verwirrt zu Boris. Er jedoch wich meinem Blick aus, so wie immer, wenn er mir etwas verheimlichte. Er machte das nicht oft, wenn dann eigentlich nur, wenn es darum ging, dass er mal wieder heimlich die ganze Schokolade gegessen hatte oder sowas in der Art.

Die Ärzte erkundigten sich danach, welches Blut ich bräuchte und Raphael wandte ein, dass er sich darum kümmern würde. Danach verschwanden sie wieder und meinten, später nochmal vorbei zu schauen, ihre stille Krankenschwester nahmen sie wieder mit.

Es war ruhig, nachdem ich mit Raphael und Boris alleine war. Beide wichen meinen Blicken aus und ich kam nicht um das Gefühl herum, dass hier etwas ganz Schräges abging.

„Ich gehe mal kurz das Blut aus dem Wagen holen" Raphael entzog sich der Situation schnell und ließ mich mit Boris hier zurück, der zunehmend nervöser zu werden schien.

„Was ist los, Boris? Was hast du angestellt?"

„Nichts, ich habe damit nichts zu tun!", stieß er sofort aus und raufte sich dann mit der noch freien Hand die Haare. „Lass uns einfach abwarten und sehen, ob sich unsere Vermutung bestätigt"

Ich wollte nicht widersprechen, da es mich ziemlich anstrengte zu reden, also richtete ich bloß das Bett weiter auf und wartete still ab. Nur mein knurrender Magen gab Laute von sich.

Raphael kam zurück und hielt mir einen Blutshake hin, erklärte, dass er das für mich passende Blut in einer Kühlbox im Wagen bebunkert hatte für den Fall, dass ich aufwachte.

Ich bedankte mich zwar, aber begeistert war ich nicht, als ich den Shake erstmal in der Hand hielt. Raphael und Boris sahen mich so abwartend an, so gespannt, dass es mir total unangenehm war, überhaupt irgendetwas zu tun. Ich fühlte mich so unter Druck gesetzt, das kannte ich gar nicht.

„Könntet ihr bitte aufhören, mich anzustarren?"

Beide räusperten sich und sahen schnell, beinahe panisch, weg, doch ihr Blick sprang immer wieder neugierig zu mir. Ich verdrehte die Augen, setzte den Strohhalm an meine Lippen und zog ein wenig daran, bis ich Blut schmeckte. Jedoch fühlte sich das weder befriedigend noch sättigend an. Es ekelte mich einfach nur an und daher spuckte ich es reflexartig aus.

„Was ist das denn?" Angewidert stellte ich den Shake weg und sah Raphael vorwurfsvoll an. Er jedoch war sehr ruhig, zu ruhig.

„Okay ihr zwei" So unangenehm und schmerzhaft es auch war, ich richtete mich auf und sah die beiden streng an. „Ihr sagt mir jetzt sofort, was hier los ist!"

Raphael und Boris warfen sich Blicke zu, die ihre stille Diskussion bewiesen, ehe Boris frustriert aufstöhnte und sich wieder mir zuwandte.

„Erinnerst du dich noch an deinen Kampf mit Chad?"

Ich nickte.

„Hat er da irgendetwas... Ungewöhnliches getan?"

Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, als ich Boris in seiner Nervosität musterte.

„Keine Ahnung, alles an ihm war doch irgendwie ungewöhnlich. Wieso? Was hat er getan?"

Boris seufzte, er schloss kurz die Augen, sah mich dann aber intensiv an und umklammerte meine Hand fester, als er sagte: „Er hat dich menschlich gemacht", so als könne er es selbst nicht ganz glauben.

Ich lachte kurz auf, da ich es für einen Witz hielt, doch verstummte schnell wieder, zum Einen weil ich ziemliche Schmerzen dabei hatte und zum anderen, weil Raphael und Boris todernst dabei wirkten.

„Was soll das heißen?", fragte ich dümmlich nach. Entweder fehlte meinem Hirn noch eine ausreichende Sauerstoffversorgung oder ich wollte es einfach nicht verstehen.

„Du bist kein Vampir mehr" Raphael übernahm das Antworten, kam zu uns und blieb vor meinen Füßen stehen. „Wir wissen nicht, was Chad gemacht hat und auch nicht wieso, aber du bist wieder ein Mensch"

Ich wollte widersprechen, sagen, dass das nicht möglich war, weigerte mich zu glauben, meine Kraft verloren zu haben, spürte die Panik durch meine Adern kriechen, nicht zu wissen, wie ich mit der Situation umgehen sollte und was das alles bedeutete. Ich fühle so unbeschreiblich viel im Moment, was für mich als Beweis meiner Menschlichkeit bereits ausreichen sollte...











Wer hats erwartet?

Wie ist das passiert.

Wie geht es weiter?

Only WeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt