27. Silas: Team

508 63 5
                                    

Raphael und ich hatten gestern noch sehr lange darüber geredet, was wir alles erfahren hatten. Er hatte sich tausend Mal entschuldigt, dafür, dass er mich verlassen und meinen Tod nicht verhindert hatte. Er fühlte sich schlecht deshalb, doch ich sah keinen Grund dazu. Das alles war in einer Zukunft passiert, die niemals Realität werden würde.

Dass ich in dieser Zeit tot gewesen sein würde, wunderte mich nicht. Ich hatte mich schon, seit sich Boris' erste Vision bestätigt hatte, mit meinem Tod abgefunden und ehrlich gesagt fand ich, es gab nichts Schöneres, als für den Mann zu sterben, den ich liebte. Mein Tod hatte eine Bedeutung gehabt, das konnte nicht jeder von sich behaupten.

Nachdem ich Raphael davon überzeugt hatte, hatte er sich etwas beruhigt und wir konnten über diese Engelssache reden. Das brach er jedoch sehr schnell ab. Er wollte davon nichts hören, nichts wissen. Er war einfach noch nicht bereit dazu und das war ja auch völlig in Ordnung. Noch lebte er als Raphael der Halbvampir-Halbjäger an meiner Seite. Der Raphael als Erzengel hatte noch genug Zeit, auf sich warten zu lassen.

Am nächsten Morgen, nachdem wir die Nacht über hauptsächlich gekuschelt und geredet hatten, trafen Raphael und ich beim Frühstück auf Luzifer und Boris, die gerade dabei gewesen waren, sich zu unterhalten.

„Lasst euch nicht stören", meinte ich und zog Raphael mit mir in die Küche. Während ich mir einen Orangensaft aus dem Kühlschrank holte, schmiegte sich mein Verlobter von hinten an mich ran.

„Kann ich was von dir haben?", flüsterte er im süßen Ton in mein Ohr.

„Vom Orangensaft?"

„Nein, das andere"

„Sperma?"

„Nein, das andere" Raphael klang ein wenig genervt davon, weil ich mich so dumm stellte, aber das verging ihm schnell, als ich mich zu ihm drehte und ihn breit angrinste. „Natürlich. Als hätte ich jemals nein gesagt"

Dankbar lächelte er mich an und meinte, ich solle zuerst Frühstücken, ehe er mein Blut trank. Wir setzten uns zu Boris und Luzifer an den Tisch, die ihr Gespräch deshalb beendeten. Boris klopfe Luzifer dafür ein paar Mal auf den Oberarm und meinte: „Das wird schon".

Luzifer atmete tief durch, nickte, doch wirkte ziemlich fertig dabei.

„Was ist los?" Neugierig, aber auch etwas besorgt schaute ich den Engel an, obwohl es durch das Beenden des Gespräches ziemlich deutlich geworden war, dass es mich nichts anging.

Luzifer schüttelte den Kopf. „Nichts, das man irgendwie ändern könnte."

Ich sah ihn weiterhin abwartend an, sodass er seufzte und weitersprach, während er an seinen Fingerkuppen herumpulte. „Chester und ich waren in der Zukunft ein Paar... Es tut einfach weh zu wissen, dass es nie mehr so sein wird"

„Chester?", hakte ich vorsichtig nach. „Chad", erklärte Boris und sah mich so an, als wolle er Luzifers Leid bestätigen. Ich sah zurück zu ihm, doch wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Es klärte jedoch einiges.

„Wieso versuchst du nicht einfach, ihn wieder für dich zu gewinnen?", fragte Raphael nüchtern. Er konnte sich nicht Recht mit Luzifers Anwesenheit in unserem Haushalt abfinden und ich denke, die Tatsache, dass er ihn beschwört hatte, um unsere Verbindung zu lösen, machte das nicht besser.

Luzifer hob den Blick und sah meinen Verlobten an, als sei er komplett durchgeknallt. „Ich habe absolut keine Ahnung davon, wie man jemanden für sich gewinnt, von dem man nicht nur Sex will. Und wo soll ich die Zeit und Kraft hernehmen, die ich dafür bräuchte?" Er schüttele den Kopf.

Raphael zuckte mit den Schultern, als interessiere es ihn nicht weiter. „Dann kann es dir gar nicht so wichtig sein"

Luzifers Mund öffnete sich, doch ihm entkam kein Ton. Für einen Moment sah er Raphael einfach an, dann stand er auf und ging zügig aus dem Raum. Durch die Art, wie er diesen Auftritt hinlegte, wurde der deutlich, wie verletzt er war.

Strafend schaute ich Raphael an.

„Was?", fragte er ahnungslos und verschränkte die Arme. „Er ist der Teufel, er soll hier mal nicht so rumjammern..."

„Er ist vielleicht der Teufel, aber er hat auch ein Herz, Raphael. Es geht ihm schon schlecht genug, ohne, dass du seine Gefühle auch noch verletzt" Boris erhob sich ebenfalls und sah Raphael wütend an. „Dieser Mann hat für uns gekämpft. Er ist für uns gestorben. Du solltest anfangen, ihn zu respektieren, selbst, wenn du ihn nicht so kennst, wie ich es tue. Lass deinen Frust nicht an ihm aus, er kann nichts dafür." Somit ging auch Boris und ließ mich mit Raphael alleine.

„Als ob das jetzt so schlimm war", schnaubte er und sah mich an, als erwarte er meine Zustimmung.

Ich seufzte, drehte mich zu ihm und legte meine Hand auf seine Wange. „Wie fühlst du dich, wenn du daran denkst, dass ich gestorben bin?"

Sofort sanken seine verstränkten Arme und seine gesamte Mimik sprach von Pein und Leid. Er musste ich nicht antworten, sein Anblick reichte mir.

„Genauso fühlt sich Luzifer gerade. Nur, dass seine tote Liebe jeden Tag vor ihm herumläuft und ihn dadurch unglaublich quält. Er vermisst Chad, obwohl er direkt vor ihm steht. Für ihn dreht sich die Welt nur um ihn, obwohl Chad keines seiner Gefühle erwidert. Und trotzdem setzt er sich dieser Qual weiterhin aus, um uns den Arsch zu retten. Du bist nicht fair zu ihm, Raphael. Er hat das nicht verdient"

„Tut mir leid", hauchte er sofort und umarmte mich fest. Er drückte zu, doch obwohl ich dadurch Schwierigkeiten beim Atmen hatte, ließ ich es zu. „Dafür musst du dich nicht bei mir entschuldigen" Ich strich beruhigend durch seine Haare und gab ihm einen Kuss auf den Kopf.

Es war sehr viel für uns alle, doch ich war der Meinung, es war das wichtigste, dass wir einander nicht aus den Augen verloren, denn, wenn man alleine war, hatte man keinen, der vielleicht noch die Möglichkeit hatte, einen zu retten. Gemeinsam konnten wir viel erreichen, doch dafür mussten wir auch ein echtes Team sein. Wir mussten einander verstehen und vertrauen. Ich denke, das war das schwerste an alle dem.

Only WeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt