72. Dale: Verhör

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Mein Herz schlug stark in meiner Brust, so deutlich wie ich es noch nie vernommen hatte. Es pumpte mein Blut stetig durch meine Adern, ein Blut, für das mich diese Leute hier, Vampire, verabscheuten.

Mir war durchaus klar, dass es keine geniale Idee gewesen war, darauf zu bestehen, dass ich bei Chads erstem Verhör dabei war, doch etwas Anderes war für mich gar nicht in Frage gekommen.

Alles, was er getan hatte, ging auf meine Kappe. Für jeden seiner Morde war ich verantwortlich. Er selbst konnte nichts dafür, was er tat, seit er ohne Seele unterwegs war, denn er hatte nichts, das ihm sagte, was das Richtige war und kein Gewissen, das ihn davon abhielt, das Falsche zu tun. Es lag also in meiner Verantwortung, diese Miesere wieder in Ordnung zu bringen und ich war meinen Freunden so unendlich dankbar, dass sie mir dabei halfen.

Kaum zu glauben, aber für mich waren sie wirklich Freunde geworden. Ein paar hochrangige Vampire, die ich eigentlich hätte gefangen nehmen oder töten sollen und ein paar abtrünnige Jäger, die in meiner Familie keinen guten Ruf gehabt hatten. Trotzdem war ich diesen Leuten mehr verbunden als meiner Familie jemals, denn wo ich bei dieser bestraft worden wäre, durch die schlimmste Folter, traf ich bei ihnen auf Verständnis.

„Du kannst jederzeit gehen, wenn es dir zu viel wird" Michael sah mich eindringlich an und klopfte dabei auf meine Schulter, während wir anhielten und warten mussten, bis Raphael die Tür zum Keller öffnete, wo sich der Kerker befand.

Ich nickte bloß, sah ihn dankend an und warf Boris dann einen fragenden Blick zu. „Bist du dir sicher, dass du das möchtest?"

Der sonst so fröhliche und sorglos wirkende junge Mann presste seine Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Absolut nicht." Etwas ging in ihm vor, etwas, das ihn schrecklich zu quälen schien, also stellte ich mich nah an ihn heran und nahm seine Hand, um ihm beizustehen.

Boris schloss für einen kurzen Moment die Augen und atmete tief durch, ehe er mich dankend ansah und Raphael die Tür vor uns öffnete. Er wies uns erneut darauf hin, lieber ihn und Michael reden zu lassen und, dass wir uns daran erinnern sollten, dass das da unten nicht unser Chad war.

Boris ließ meine Hand wieder los, um hinter Raphael die Treppen herunter zu gehen, Michael und ich folgten ihnen sofort.

Je weiter wir nach unten kamen, desto kälter wurde es, desto unangenehmer der Geruch und auch die Stimmung. Das hier war ein waschechter Kerker in einem waschechten Palast mit einem waschechten Gefangenen.

Als wir unten ankamen, liefen wir an einigen Zellen vorbei, die leer waren, bis wir zu der kamen, in der mein Bruder untergebracht war. Ich hörte ein dunkles, raues Lachen, als wir näher kamen, und dann Ketten rascheln. Etwas bewegte sich im dunkelsten Eck der Zelle. Etwa einen Meter vor den silbernen Gitterstäben blieben wir stehen und sahen Chad dabei zu, wie er sich erhob und so nah an uns herantrat wie es ihm mit den Ketten an seinen Füßen möglich war. Dadurch trat er in das Licht, das durch die Fackeln an den Wänden erzeugt wurde, und wir erkannten sehr gut sein böses Grinsen.

„Ich dachte schon, ihr habt mich vergessen"

Obwohl er hier gefangen war und keine Möglichkeit hatte zu entkommen, außer wir ließen ihn frei, behandelte er uns dennoch als habe er nach wie vor alle Karten in der Hand. Als sei er freiwillig hier und könnte jederzeit rausspazieren.

Keiner von uns ging auf seine Aussage ein. Wir standen nur in einer Reihe vor ihm und starrten ihn an.

Es tat mir unglaublich weh, Chad so zu sehen. Es war, als sei er das absolute Gegenteil von sich selbst, dem Mann, den ich kannte und liebte. Aber ich glaubte, am meisten schmerzte es mich, die Wunden an seinem Körper zu sehen. Blutungen an seinen Fäusten, da er auf die Steinmauern eingeschlagen hatte, eine Platzwunde am Kopf, weil er diesen gegen die Stäbe geschlagen hatte, Wunden an der Brust, die er sich mit den Krallen hineingeschnitten hatte. Er hatte sich selbst ziemlich übel zugerichtet und das nur, weil er wusste, dass er uns damit wehtat, vor allem mir.

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