46. Briana: Erlösung

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Michael saß mir gegenüber und schaute mich schuldbewusst an. Er sah dabei aus wie ein kleiner, schüchterner Welpe. Am liebsten wollte ich ihn in den Arm nehmen und ihm durch die Haare kraulen, doch ich hatte auch einen ziemlich großen Stolz und der veranlasste mich dazu, dass ich einfach hier sitzen blieb und ihn herabwürdigend ansah.

„Du wolltest reden, dann rede"

Luzifer hatte mich kontaktiert und mich davon überzeugt, mit Michael zu reden. Er meinte, es gäbe eine Erklärung für sein Verhalten und es täte ihm unfassbar leid. Ich sah ihm an, dass es so war, doch das änderte nichts daran, wie er mit mir umgegangen war.

„Zuerst will ich mich entschuldigen. Es gibt nichts, womit ich es rechtfertigen könnte, so mit dir umgegangen zu sein, das weiß ich. Aber ich möchte es dir dennoch erklären. Ich bin mir sicher, danach willst du ohnehin nichts mehr mit mir zu tun haben. Es tut mir auch leid, dass ich nicht von Anfang an reinen Tisch gemacht habe..."

„Komm zum Punkt, Michael. Mich interessieren deine Entschuldigungen nicht."

Michael stockte, da ich ihn so kalt unterbrochen hatte, doch schließlich nickte er und atmete tief durch. Er saß mir gegenüber, die Ellbogen auf den Knien abgestellt. Als er sich die Haare raufte, bewegten sich die Muskeln an seinem Arm und ich verfluchte mich dafür, dass ich ihn nach wie vor so anziehend fand.

„Ich bin kein Engel mehr."

Meine Augenbrauen schossen hoch, als er das sagte. Er sah mich an. Ich erkannte den Schmerz über diese Tatsache in seinem Blick, aber seltsamerweise auch sowas wie Erleichterung.

„Als mein Vater meine Brüder und mich erschaffen hat, hatte er immer etwas an uns auszusetzen, deshalb hat er es ja weiter versucht. Mein Defekt sind meine Gefühle... Ich habe sehr lange versucht, sie in den Hintergrund zu drängen und Vaters Erwartungen zu entsprechen. Das habe ich geschafft, Billionen von Jahren lang. Aber genau das war es, was aus mir gemacht hat, was ich heute bin."

„Was bist du?", fragte ich. In mir herrschte eine Mischung aus Anspannung, Neugier und Angst.  Meine Stimme drückte genau das aus. 

„Lass mich erklären", bat Michael. Nein, er flehte es. Ich seufzte also, doch nickte als Zustimmung.

„Aufgrund meines Defekts ist meine Energie sehr instabil. Ich war ein mächtiger Engel, der stärkste von allen. Deshalb hat es so lange gedauert, bis ich mich komplett verändert habe. Ich befürchte ausschlaggebend waren die Dinge, die ich Luzifer angetan habe. Ich habe ihm damals die Flügel ausgerissen und ihn in die Hölle verbannt. Ich habe ihn belogen, was seinen Deal anging. Ich habe ihn umgebracht. Zwar hat das alles auf Vaters Befehl stattgefunden, doch ich habe ihn ausgeführt. Jede Tat, die ich vollbracht habe, für die ich mich schäme, für die ich mich verabscheue, hat mich ein Stücken mehr zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Doch die Hölle hat mich gelehrt, damit umzugehen und ich habe es akzeptiert. Es ist nur... Keiner würde es verstehen. Ihr Menschen habt eure Vorstellungen vom Himmel, von Engeln, von Gott, von Gut und Böse. Sie haben nichts mit der Realität zu tun, doch, sobald etwas nicht euren Erwartungen entspricht, tut ihr es als Lügen ab, plädiert dabei auch euren Glauben, auf die Bibel, einem Märchenbuch von verzweifelten Seelen." Michael schüttelte den Kopf. „Luzifer wäre der einzige, der mich verstehen könnte, doch ich möchte seinen Respekt nicht verlieren. Also wollte ich es für mich behalten, und versuchen, es selbst in den Griff zu bekommen." Er presste die Zähne zusammen, sodass seine Kieferknochen hervortraten.

„Wünschst du dir deshalb menschlich zu sein? Eine Familie zu haben, die dich wirklich liebt?"

Michael nickte, er lächelte mich an, doch hatte sehr feuchte Augen. „Deine Kraft ist wunderschön, Briana. Sie passt zu dir. Zu dir und diesem hoffnungsvollen Lächeln. Diesen süßen, unschuldigen Augen... Aber Wünsche sind nun mal deshalb Wünsche, weil man ihre Inhalte in der Realität nicht haben kann. Ich will menschlich sein, ja. Ich will Gefühle haben und sie zulassen dürfen. Ich will frei sein. Doch ich bin an den Himmel gebunden, selbst, wenn er mich so niemals akzeptieren würde. Nicht mit dieser Dunkelheit in mir"

„Wieso glaubst du das?"

„Ich weiß es", beteuerte Michael. „Meine Gefühle entscheiden, was ich bin. Früher als Engel war ich stolz, stark, vielleicht auch selbstverliebt. Doch die ganze Schuld in mir hat mich Stück für Stück zu einem Dämon gemacht und somit zum Erzfeind Nummer eins für meine Brüder"

Meine Augen wurden so groß, dass ich Angst hatte, mir würden die Augäpfel einfach so rausfallen. „Ein Dämon?"

Michael nickte, er sah zu Boden.

Plötzlich herrschte Stille. Michael gab mir Zeit zum Verarbeiten, zum Nachdenken. Das tat ich. Jedoch löste das nur reine Verwirrung in mir aus.

„Sollten Dämonen nicht böse sein?", fragte ich Michael ruhig.

Er hob den Blick wieder, wirkte überrascht, ehe er den Kopf hin und her neigte. „Menschliche Seelen, die zu Dämonen werden, ja. Aber bei ihnen ist es ein ganz anderer Prozess. Ich war ein Engel, meine Energie und Kraft passt sich wegen des Defekts im Grunde meinen Gefühlen und somit meiner personellen Präsenz an. Ich bin kein Dämon, weil ich das Böse in mir trage, sondern, weil ich Böses getan habe, das ich bereue. Es ist etwa mit dem Prozess vergleichbar, wie ein reines Herz verunreinigt werden kann, nur, dass bei Menschen das Herz rein bleibt, wenn man schlechte Taten im richten Ausmaß bereut und meine Energie sich eben verändert..."

„Heißt das, wenn du ein kaltblütiger Mistkerl wärst, wärst du noch ein Engel?"

Michael schmunzelte leicht darüber, wie ich seine Aussage zusammenfasste, doch er nickte.

„Allerdings lässt mein Defekt..."

Ich unterbrach ihn schneidend. „Hör auf, es deinen Defekt zu nennen, Michael. Deine Gefühle machen dich zu dem, was du bist. Einem liebenswerten Mann, nicht mehr und nicht weniger."

Er lächelte deshalb leicht, doch wirkte auch ein wenig verlegen. Wie konnte man das bitte als Defekt ansehen? Es machte ihn perfekt, sonst nichts.

„Weil das alles wegen meinen Gefühlen passiert ist, kann ich es wieder rückgängig machen. Ich muss nur irgendwie Erlösung finden... Verzeihung"

„Willst du das denn?", fragte ich Michael ungläubig. „Wieder ein Engel sein?"

Er schüttelte ohne groß nachzudenken den Kopf. „Ich will nur... Ich will nicht mehr in den Spiegel sehen und hassen müssen, was ich da sehe."










Hallöchen zusammen!

Es tut mir leid, dass zur Zeit so unregelmäßige Updates kommen. Leider kann ich da keine Besserung versprechen, weil das ziemlich davon abhängt, wie ich wegen der Schule zum Schreiben komme.

Außerdem wollte ich mal nachfragen, wer von euch diese Entwicklung(en) erwartet/vorhergesehen hat.

Unser Michael ist ein Dämon... Macht ihn das jetzt böse? Glauben wir ihm?

Danke fürs Lesen♥

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