Wir standen in unserem Garten. Jeder von uns hatte sich bereits von Luzifer verabschiedet. Die einen mit einer festen Umarmung, die anderen nur mit einem Händedruck. Chad war gerade an der Reihe.
Er hielt Luzifer an der Taille und sah ihn an. Selbst von hier aus erkannte ich, wie schwer es ihm fiel, ihn loszulassen.
Luzifer lächelte Chad an. Er hatte vorhin die Seelen der Hölle aus der Kugel absorbiert, um seine fehlende Energie auszugleichen. Lange konnte er aber deshalb nicht mehr auf der Erde bleiben. Alle wussten das.
Ich konnte nicht sagen, wie lange Luzifer und Chad sich still anstarrten, bis sich Chad näher an ihn heranstellte, sein Gesicht in die Hände nahm und ihm einen Kuss auf die Lippen gab. Er war kurz, nur wenige Sekunden. Danach sah man Luzifer extrem breit lächeln und Chad küsste ihn wieder, diesmal intensiver, länger, emotionaler.
Ich hörte ein genervtes Aufstöhnen von Jay, doch ignorierte ihn. Das, was sich da vor meinen Augen abspielte, war wunderschön. Nicht, weil es mich anmachte, wie die beiden sich küssten (Versteht mich nicht falsch, das natürlich auch), mich faszinierte eher, was währenddessen passierte.
Obwohl es mitten in der Nacht war, begann es zu strahlen. Nicht vom Himmel aus, sodass es der Mond sein konnte, nein, es war Luzifer. Zuerst wirkte es so, als leuchteten in ihm tausend Lampen, doch dann schien es, als würde er sich in diesem Licht auflösen und zu einer nebelartigen, leuchtenden Substanz zu werden. Sie stieg langsam nach oben, solange, bis sie sich etwa zwei Meter über dem Boden versammelt hatte und sich immer mehr verdichtete. Chad sah aus großen Augen dorthin, er ließ die Hände sinken und eine Träne rannte ihm die Wange hinab. In diesem Moment schoss die klitzekleine Lichtkugel in Richtung Himmel, sodass es nur einen Moment später so war, als sei sie nie hier gewesen.
Dale ging zu seinem Bruder und nahm ihn in den Arm. Auch ich wollte Chad etwas trösten, stellte mich dazu und strich ihm über den Rücken. Er löste sich relativ schnell wieder aus Dales Umarmung, hob eine Faust vor sich und öffnete sie langsam. In seiner Hand lag eine Kette, deren Anhänger im Inneren aus derselben Substanz bestehen zu schien wie Luzifer, nachdem er sich aufgelöst hatte.
"Was ist das?", schniefte Chad.
Michael sah lächelnd darauf und antwortete: „Sein Versprechen, zurückzukommen"
Chad schien sehr gerührt davon zu sein. Er hängte sich die Kette um, ließ aber die Hand darauf liegen und sah lächelnd in den Himmel. Mir gefiel diese Melancholie gerade, diese angenehme Stille, diese innere Ruhe. Ich war mir sicher, allen anderen ging es auch so. Aber es war irgendwie klar, dass jemand das Ganze unterbrechen musste.
„Okay, wenn wir jetzt hier fertig sind, verpisse ich mich dann mal. Bis Morgen, Leute" Jay hob die Hand, drehte sich um, ohne auf eine Erwiderung zu warten und ging ins Haus.
Briana schnaubte, schüttelte darüber den Kopf. Auch die anderen wirkten ungläubig, so als könnten sie es nicht fassen, dass ihn das dermaßen kalt ließ. Was mich betraf, war ich ohnehin schon sauer genug auf ihn, aber das brachte das Fass gerade zum Überlaufen. Es war so rücksichtslos von ihm.
Ohne groß nachzudenken, stürmte ich ihm hinterher. Er war gerade dabei, seine Jacke anzuziehen, als ich ihn erwischte. „Was machst du da?", fragte ich ihn aufgebracht.
„Gehen, wie angekündigt" Jay sah mich kalt an und wollte mich wegschieben, aber ich ließ es nicht zu.
„Ich meine dein Benehmen, den ganzen Abend schon! Was ist dein Problem?"
Jay wusste genau, wovon ich sprach, doch er wäre nicht er, wenn er jetzt versuchen würde, sich zu verteidigen. Stattdessen stellte er sich bloß mit verschränkten Armen und abfälligen Blick vor mich und starrte mich an.
„Jetzt sag schon! Ich bin nicht derjenige, der Gedanken lesen kann"
„Lass mich einfach gehen", sagte er ruhig. Zu ruhig. Er war kurz davor zu explodieren, ich war vermutlich der einzige, der ihn gut genug kannte, um das zu wissen.
„Niemals" Ich sah ihn entschlossen an. Er hatte es nicht so gemeint, wie ich es aufgefasst hatte, doch meine Antworte passte dennoch zu beiden möglichen Bedeutungen seiner Forderung.
„Ich habe dir versprochen, dass ich dich nicht verlassen werde, aber du musst es mir doch nicht so verdammt schwer machen oder?" Es strengte mich an, mit Jay zu streiten. Schon wieder. Ich mochte ihn zu sehr, um diese Spannung zwischen uns zu ertragen, diese Distanz. Jedoch war ich nicht derjenige, von dem diese ausging.
„Ich zwinge dich nicht dazu, Gefühle für mich zu haben, geschweigedenn, dich mit mir abzugeben. Das ist einzig und allein dein Problem" Mir wurde kalt unter seinem Blick, so kalt, dass ich das Gefühl hatte, mein Herz gefror zu Eis.
„Dann sag mir doch wenigstens, was ich falsch gemacht habe." Meine anfängliche Entschlossenheit, ihm sein Benehmen diesmal nicht durchgehen zu lassen, war der panischen Angst gewichen, ihn zu verlieren. Das konnte ich einfach nicht überspielen. Ich war nicht so ein guter Schauspieler wie er.
„Wo soll ich nur anfangen?!" Jay warf die Hände in die Luft, als hingen all seine Vorwürfe auf Plakaten neben ihm und ich durfte mir für den Anfang einen aussuchen.
„Wieso bist du mit diesem Vollidioten tanzen gegangen, mh? Du kannst mir nicht weismachen, dass dir das nicht gefallen hat... Wie er dich angefasst hat und..."
Er stoppte, als ich ungläubig lachte. „Ich wollte mit dir tanzen, aber du hattest ja Angst, man würde uns für ein Paar halten. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie sehr mich das verletzt? Bin ich so hässlich? Schämst du dich dafür, mich zu mögen? Magst du mich überhaupt? Was stört dich so an mir?"
Jay schüttelte den Kopf. „Du weißt genau, was es ist" Wieso wirkte er jetzt so, als sei er verletzt?
„Ich verstehe es einfach nicht. Hinter verschlossenen Türen ficken, aber in der Öffentlichkeit nicht mal tanzen? Was bin ich denn bitte für dich? Eine billige Affäre?"
„Für mich ist das nicht so einfach!", unterbrach er mich laut. Er schien wirklich so, als würde er mit sich ringen. „Du gehst mit diesem Lächeln durchs Leben, diesem Selbstbewusstsein, du..." Er verstummte und holte tief Luft, ehe er kraftloser weitersprach. „Für mich ist das alles ganz neu... Diese Gefühle, diese Art von Nähe, die Angst was Falsches zu machen... Ich will dich doch einfach nicht verlieren"
Ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Und deshalb spielst du so mit mir? Abweisen, anziehen, abweisen, anziehen, abweisen, anziehen... Ich verliere den Durchblick! Sag mir doch einfach klipp und klar, was du willst, ich mache dieses Hin und her nicht mehr mit"
Jay sah zu Boden, er gab mir eine Antwort, doch ich hörte sie nicht.
Seufzend ging ich auf ihn zu, blieb knapp vor ihm stehen und drückte sein Gesicht bestimmend am Kinn nach oben.
„Dich", wiederholte er, seine Hände griffen nach meinen Hüften. „Ich will dich, nur dich. Aber ich bin einfach noch nicht bereit, das allen zu zeigen. Ich muss das alles erstmal selbst verstehen, ich muss davon überzeugt sein, dass es das Richtige ist, bevor ich das öffentlich machen kann... Wenn du..." Er sah wieder nach unten. „Wenn du nicht solange warten willst, verstehe ich das. Du hast ohnehin jemand besseren verdient als mich"
„Das will ich nicht hören", bestimmte ich.
„Aber es ist so" Jay sah mich wieder an, verzweifelt. „Ich verletze dich doch die ganze Zeit nur. Ich will nicht der Grund dafür sein, dass du dieses wunderschöne Lächeln verlierst"
Sein Daumen strich über meine Lippen, wie auf Kommando begann ich zu lächeln. „Du bist der Grund dafür, dass es existiert", flüsterte ich. „Bitte nimm es mir nicht weg. Bleib bei mir. Und zusammen finden wir eine Lösung, die für uns beide passt"
Jays Blick sprang von meinen Lippen hoch in meine Augen. Er nickte zaghaft und hauchte: „Okay"
Langsam begann er mein Lächeln zu erwidern und ehe ich mich versah, hing er auch schon an meinem Hals, da er mich so fest umarmte. Ich legte ebenfalls die Arme um ihn und begann zu lachen, als ich ihn in mein Ohr flüstern hörte: „Wie wär's mit Versöhnungssex?"
Luzifer ist also weg... Was erwartet ihr euch von seiner Reise?
Und was glaubt ihr passiert in der Zwischenzeit mit den anderen?
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Only We
Fantasy-Ich erkannte in seinem Blick, dass da noch so viel mehr war. So viel mehr, das er mir sagen und bewusst machen wollte, doch er stand einfach nur knapp vor mir und sah mich intensiv an, sodass es sich so anfühlte, als entfachte er ein wärmendes Lage...