Ich öffnete mühevoll und in mehreren Anläufen die Augen. Als ich mich endlich an die Helligkeit gewöhnt hatte die vom Fenster zu meiner linken kam, realisiert ich das ich mich in einem Bett in einem Sterilen weißen Raum befand. Mein Blick schweifte umher gegenüber von meinem Bett ein farbenfrohes Landschaftsbild, darunter ein Tisch mit zwei Stühlen, ein alter Fernsehe der mittig an der Wand befestigt war und rechts von mir ein weiteres unbenutztes Bett. An der Wand rechts waren zwei kleine Schränke. Dann folgte links von den Schränken ein kleiner Flur mit zwei Türen. Links neben mir ein Ständer mit einem Beutel daran dessen Schlauch über eine Nadel in meinem Arm endete.
>Ich bin in einem Krankenhaus<
Ich hatte dieses Erkenntnis kaum richtig verarbeitet, da ging auch schon die Tür rechts von mir auf und schloss sich leise wieder. Birte, ich erkannte sie sofort. Sie war eine große, schlanke Frau, in den vierzigern, mit großen aufrichtigen Augen, die immer wärme ausstrahlten. Ihr Haar trug sie stets strubbelig und kurz. Ich mochte sie sehr gern, ihre liebevolle und witzige Art, wenn sie bei uns zu Besuch war. Seit vielen Jahren war sie eine gute Freundin und Arbeitskollegin meiner Mutter. Sie eilte zu mir ans Bett und griff nach meiner Hand. Sofort sah ich das sie den Tränen nah war und auch ihre sorgenvolle Miene konnte sie unter dem kleinen Lächeln was sie versuchte nicht verbergen. „Du bist wach."
Auch ihre Stimme klang erstickt. „Ja." Meine Stimme war kaum mehr als ein kratzen in meinem Hals. „Ich bin im Krankenhaus." Mehr eine Feststellung als eine Frage, trotzdem nickte Birte. „Welcher Tag ist heute?" „Montag." Sie sah mich aufmerksam an. „Warum bin ich hier? Und wo ist Mama?" Sie zog sich einen Stuhl an mein Bett und setzte sich zu mir, liebevoll streichelte sie meine Hand. Sie schluckte schwer und schüttelte den Kopf. „Hast du schmerzen?" Ich schüttelte unmerklich den Kopf und heftete meinen Blick auf sie und musste mich räuspern, sie hielt mir ein Stäbchen hin, was sie in Wasser getaucht hatte. Ich betrachtete es fragen. „Du darfst noch nichts trinken, aber du kannst damit deinen Mund befeuchten." Ich tat wie geheißen und stellte das Stäbchen wieder ins Glas. Ich wiederholte meine Frage. „Birte, was ist los und warum ist Mama nicht hier?" Sie atmete lang und schwer aus. „Oh Kind, was ist nur geschehen. Warum hab ich es nicht bemerkt. Wie...." Flüsterte sie, brach ab und eine Träne rollte über ihre Wange. Ich konnte meine Mitmenschen nie gut leiden sehen und so versuchte ich ein kleines lächeln. „Ich hab kaum schmerzen, also kann es doch nicht so schlimm sein?!" Sie richtete den Blick wieder auf mich und schüttelte wieder mit dem Kopf. „Du bist so stark!" Ich wurde langsam unruhig was war denn überhaupt passiert, warum lag ich im Krankenhaus und wo war meine Mutter. „Birte was ist passiert?" Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Hose hervor und wischte sich die Tränen weg. Sie schwieg einen Moment. „Dir ist der Blinddarm entfernt worden, es war kurz vor knapp, sonst hättest du einen Blinddarmdurchbruch gehabt. Deine Mutter..." Sie stockte und ich konnte sehen wie sie die Augen schloss, die Augenbrauen skeptisch zusammen zog und kurz den Kopf schüttelte. „Deine Mutter hat dich hergebracht und da es so knapp war kamst du sofort in den OP und wurdest Operiert."
Ich atmete tief aus, aus der Schule wusste ich das es eigentlich nichts Lebensbedrohliches war. Klassenkameraden hatte diese OP schon im Kindesalter und nicht mehr als eine kleine Narbe zurück behalten.
>Narbe<
Das Wort allein jagte mir eine Gänsehaut über den gesamten Körper und ich konnte an nichts anderes mehr denken. Kurz schloss ich die Augen und sah an mir runter. Ich trug ein typisches OP-Hemdchen. „Mama hat mich hergebracht?" Birte nickte zustimmend und ließ den Blick durch den Raum wandern. Sie schien zu bemerken das ich langsam verstand.
„Hat sie mich begleitet..." Birte schüttelte den Kopf. „Becky es musste alles ganz schnell gehen, du wurdest von der Notaufnahme sofort in den OP gebracht und dort haben unsere Kollegen sich um dich gekümmert." Wie vom Blitz getroffen, überkam mich die Erkenntnis was passiert war und warum Birte dort wie ein Häufchen Elend saß, obwohl die OP nicht schlimm gewesen war. Ich starrte sie an und sie richtete ihren Blick von unseren Händen wieder auf mein Gesicht, mit der linken Hand strich sie mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.

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Chance
Romancegirlxgirl Story Dunkel, voller Gewalt und Angst war ihre Kindheit und frühe Jugend. In den Händen des Systems fand sie einen Weg hinaus aus der Dunkelheit, zu sich selbst und mehr noch, sie fand Menschen die an ihrer Seite standen, zu ihr standen...