Ich war bereits einige Zeit wach, aber da Lotta noch schlief und ich an der Unterbrechung ihrer Nacht schuld war, verhielt ich mich ruhig. In 30 Minuten würde Nadine sie wecken. Ich betrachte die kleine schlafende Gestalt, im halbdunkel, neben mir und strich ihr vorsichtig ihre lange blonden Haare aus dem Gesicht. Mama flüsterte sie leise und kuschelte sich noch näher an mich. Ihr Traum war wohl deutlich positiver. Vorsichtig legte ich meinen Arm um sie und streichelte ihren Rücken. Es klopfte leise und Nadine kam ins Zimmer. „Guten Morgen." Flüsterte sie uns zu und ich erwiderte mit einem leichten lächeln. Sie hockte sich neben mein Bett und streichelte Lotta über den Arm um sie zu wecken. Nadine lächelte leicht und sah dann zu mir rüber. „Keine Gute Nacht gehabt?" Ich schloss verlegen die Augen und schüttelte den Kopf. „Okay. Ich werfe mal die Anderen aus dem Bett und wir reden später." Ich nickte leicht. Sie sprach Lotta etwas lauter an und zog ihr ein bisschen die Decke weg. „Aufstehen Schätzchen!" Lotta stöhnte wie immer genervt. „Ich bin wach." „Wunderbar." Erwiderte Nadine mit einem lächeln. „Dann mach dich fertig, wir sehen uns zum Frühstück." Lotta brummte vor sich hin und sah zu mir hoch. „Du bist auch schon wach?" „Ja schon eine ganze Zeit." „Mhh." Machte sie und gähnte herzhaft. „An deiner Stelle würde ich den ganzen Tag schlafen." Ich grinste sie an und setzte mich auf. Sie schwang sich aus meinem Bett. „Viel Spaß in der Schule!" Rief ich ihr nach und sie streckte mir die Zunge raus und ließ die Tür hinter sich etwas lauter ins Schloss fallen. Ich stand auf stellte leise mein Radio an und legte mich wieder auf mein Bett. Nächste Woche würde ich auch wieder zur Schule gehen. Eine Mischung aus Freude und Angst, breitete sich in mir aus. Vorsichtig strich ich über meinen Bauch. Der Arzt würde morgen wohl keine Einwende finden, klar zwickte es mal hier und da, aber die Narben sahen gut aus, soweit ich das beurteilen konnte und die Schmerzmittel hatte ich auch nicht gebraucht. Als die 7.00 Uhr Nachrichten im Radio liefen beschloss ich aufzustehen und mich fertig zu machen. Als ich runter ins Esszimmer kam, lag Anke im Jogger mit einer Wärmflasche auf dem Bauch auf der Couch. Sonst war niemand zu sehen. „Hi, bist du krank?" Anke schüttelte den Kopf und stand von der Couch auf und setzte sich zu mir an den Tisch. „Hast du schon gefrühstückt?" „Nee, aber gib mir auch eine Schüssel." Gemeinsam saßen wir am Tisch und verspeisten unsere Cornflakes. Ich sah zu Anke. „Also was hast du?" Anke lächelte schief. „Meine Tage." „Oh." Gab ich von mir. Wusste nicht so recht was ich dazu sagen sollte. „Hast du die schon?" Fragte sie mich. Ich schüttelte den Kopf. „Nein."
>Zum Glück noch nicht<
Anke nickte. „Voll scheiße, eine Frau zu sein." „Ach was. So schlimm ist das auch nicht. Du gewöhnst dich daran." Sagte Nadine die den Raum betrat und ihr kurz eine Hand auf die Schulter legte. Sie nahm sich eine Kaffeetasse und kam mit ihrem Kaffee zu uns an den Tisch. Ich stand auf und räumte den Tisch ab und wollte in mein Zimmer verschwinden. „Du kannst an unserem Frauengespräch ruhig teilnehmen." Sagte Nadine und Anke sah mich bittend an. Ich zuckte unsicher mit den Schultern und setzte mich wieder auf meinen Platz. Anke lächelte Nadine an. „Aber kein Gespräch über Bienchen und Blümchen." Ich musste grinsen und auch Nadine lächelte und schüttelte den Kopf. Sie sah zu mir. „Du hast deine Periode noch nicht?" Ich schüttelte den Kopf und sah auf den Tisch vor mir. „Naja so lange wird es bei dir auch nicht mehr dauern." Ich hoffte inständig das sie unrecht haben würde. Nadine erzählte allgemein etwas zum Ablauf der Periode, über Tampons und Binden und was so im Körper vor sich ging und das auch Stimmungsschwankungen normal seien. Innerlich grinste ich, da das bei Anke in den letzten Tagen deutlich spürbar gewesen war. Sie beantwortete die Fragen von Anke und räumte mit ein paar Mythen und Unwahrheiten auf, die jeder so aus der Mädchen- Clique kannte. Ich nickte an den richtigen Stellen, schwieg jedoch sonst. Es überraschte mich wie locker Nadine darüber sprach und auch das es Anke anscheinend nicht peinlich war, ganz im Gegensatz zu mir. Ich wusste über die Körperlichenvorgänge Bescheid, im Biologie Unterricht war es bereits Thema gewesen, aber alles was darüber hinaus ging ekelte mich einfach nur.
>Sex...kommt nicht in Frage<
Ich verstand das Interesse meiner Klassenkameraden daran nicht, aber was sollte ich dazu auch sagen. Alles was ich erlebt hatte war mit Schmerz und Angst verbunden.
Als ich aus meinen Gedanken zurück in die Realität fand, unterhielten Nadine und Anke sich grade angeregt über Mode. Ich schüttelte kurz den Kopf, wie waren sie so vom Thema abgekommen, aber mir sollte es recht sein. Nadine versuchte mich einzubeziehen und fragte nach der gestrigen Shoppingtour mit Birte. Ich erzählte was ich bekommen hatte und lächelte zufrieden. Anke stieß mich an und lachte. „Aber keine weiße Jeans." Und kicherte vor sich hin. Ich schüttelte den Kopf und verstand nicht so ganz was daran so lustig war. Sie bemerkte meinen Blick und rollte mit den Augen. „Wenn du deine Tage bekommst, ist weiß ungünstig." „Ach so." Gab ich gedehnt von mir und lächelte gezwungen. „So Mädels, wenn noch Fragen sind könnt ihr natürlich immer gern zu uns kommen." Sie stand langsam auf. „Ich hätte dann noch was zu erledigen." Wir nickten und Anke beschloss sich in ihr Zimmer zurück zu ziehen. Ich tat es ihr gleich, setzte mich an den Schreibtisch und kramte meine Schulsachen hervor. Ich wollte mir keine weiteren Gedanken dazu machen, also lenkten ich mich mit Französisch und Englisch Vokabeln ab. Ich hatte mit Sprachen kein Problem und war immer ein bisschen weiter als meine Klassenkameraden. Ich lernte gern auswendig, es gab mir halt, mir Dinge immer wieder vorzusagen. Das tat ich schon von klein auf und es half mir mich in eine andere Welt zu flüchten. Raus aus meinem Körper, wenn Er mit mir tat was ihm gefiel.
>Nicht genauer dran denken<
Früher waren es in unzähligen Nächten die Reihen des Einmaleins und später dann Vokabeln und Formeln in Mathe oder Physik. Es klopfte und Anke kam in mein Zimmer. Sie sah mich von der Seite an und schüttelte den Kopf. „Du lernst nicht wirklich oder?" Ich lächelte schief und zuckte mit den Achseln. Sie schmiss sich in den Sessel in der Ecke und drückte sich die Wärmflasche wieder auf den Bauch. „Echt jetzt? Du lernst freiwillig." Ich drehte mich zu ihr und lächelte halb entschuldigend. „Ja, ich mach das ganz gern." Gab ich leise zu. Sie lachte auf. „Okay Streber. Das erklärt dann warum du aufs Gymnasium gehst."
Sie lehnte sich vor und sah sich meine Bücher an. „Du hast alle Harry Potter Bände! Cool. Und was findest du besser Buch oder Film?" Ich zuckte mit den Achseln und stotterte kurz. „Ähm ich hab die Filme nicht gesehen." Anke machte große Augen. „Echt nicht?" Ich schüttelte den Kopf. Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Dann weiß ich was wir jetzt machen. Komm mit!" Sie stand auf und ging zur Tür. Ich sah ihr fragend nach. „Na komm schon!" Langsam erhob ich mich von meinen Stuhl und folgte ihr runter ins Wohnzimmer. Sie deutete auf die Couch und suchte eine DVD aus dem Schrank. Sie hielt sie hoch und lächelte. „Wir gucken Harry Potter!" Ich setzte mich in die eine Ecke der Couch und Anke streckte sich auf der anderen Seite aus und startete den Film. Carsten kam irgendwann dazu und begann mit den Essensvorbereitungen. „Becca, kennt die Film nicht, kannst du dir das Vorstellen?" Sagte sie zu Carsten. Er sah mich mitleidig an und zwinkerte mir zu. „Dann wird es aber höchste Zeit, diese Lücke zu füllen." Ich konnte nicht leugnen das der Film mich voll und ganz in seinen Bann gezogen hatte.
>Ich war ihr dankbar für das Erlebnis<
Nur wiederwillig unterbrachen wir ihn, um Mittag zu essen. Auch dabei ging es um Harry Potter, jeder am Tisch außer mir kannte die Filme. Nach dem Essen begaben wir uns sofort wieder auf die Couch und sahen den ersten Teil zu Ende und den zweiten Teil gleich danach. Caro und Lotta kamen nach den Hausaufgaben dazu und so verbrachten wir den Nachmittag auf der Couch. Selbst Ben gesellte sich eine Zeitlang dazu ohne abfällige Kommentare zu machen. Nur Jason warf mir kurz einen seltsamen Blick zu, den ich aber nicht zu deuten wusste und verzog sich bis zum Abendessen in sein Zimmer. Nachdem wir den halben Tag DVD geschaut hatten, entscheiden wir uns nach dem Abendessen für eine Revenge bei Mensch ärger dich nicht.
Als es Zeit war ins Bett zu gehen, zog ich mich um, räumte meine Schulsachen zusammen und nahm mir mein Englischbuch mit ins Bett. Ich lernte Vokabeln und ging sie im Kopf immer wieder durch bis ich darüber einschlief. Als ich grade eingeschlafen war, rüttelte mich jemand am Arm, müde öffnete ich die Augen und Lotta stand vor meinem Bett. Ich sah sie etwas verwirrt an. „Hab ich schon wieder geschrien?" Lotta schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht schlafen, darf ich zu dir?" Ich Rückte an die Wand und sie schlüpfte unter meine Decke. Ich legte den Arm um sie und streichelte ihren Rücken. „Erzählst du mir eine Geschichte?" Ich stockte kurz und überlegte. Dann erzählte ich ihr eine abwandelte Form von Bibi undTina auf dem Reiterhof. Als ich geendet hatte atmete sie ruhig und war eingeschlafen.
>So musste es sich anfühlen einer Schwester zu haben<

DU LIEST GERADE
Chance
Romansagirlxgirl Story Dunkel, voller Gewalt und Angst war ihre Kindheit und frühe Jugend. In den Händen des Systems fand sie einen Weg hinaus aus der Dunkelheit, zu sich selbst und mehr noch, sie fand Menschen die an ihrer Seite standen, zu ihr standen...