~Prolog~

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Gespannt schaute der junge Prinz zu seinem Vater. Denn dieser überbrachte gerade alles andere als positive Nachrichten.

"Der Tsunami hat die gesamte Südküste bis auf die letzte Hütte vollkommen zerstört. Wie viele Menschen wurden verletzt?", fragte er seinen Berater, der nur für diesen Anlass in das Schloss gekommen war. "Laut den Wachen, die gerade vor Ort sind, ist vor allem Kaste 6 bettoffen. Fast alle Fischer und Verkäufer des Fanges sind verstorben. Der Tsunami kam von einem Erdbeben der Stärke 8,1 aus dem Königreich Serpia im Osten. Momentan wurden über hunderttausend Tote gezählt. Und es gibt unzählige Verletzte", seufzte der Berater betroffen. "Bringt die Verletzten sofort in Lazarette im Innenland. Alle Menschen aus dieser Region sollen sofort in Sicherheit gebracht werden", befahl der ältere König harsch. "Zu Befehl, euer Majestät", verbeugte sich der Berater, bevor er den Thronsaal verließ.

"Wie können wir helfen, Vater?", fragte der junge Prinz verunsichert seinen Vater, den König von Aeros. "Erst einmal bringen wir alle Menschen in Sicherheit. Der Tsunami wird im Laufe der nächsten Woche erneute Wellen über die Regionen laufen lassen, da das Erdbeben sehr schlimm war, mein Kleiner", erklärte der König seinem Sohn alles. Immerhin würde dieser eines Tages ebenfalls mit Hilfe des Präsidenten das Land regieren. Und er wollte alles genau so toll wie sein Vater machen.

"Mach dir bitte keine Sorgen, mein Engel. Dein Onkel und ich werden nachher noch eine Ratssitzung mit Präsident Fuan halten. Es wird alles wieder gut", beruhigte der König seinen Sohn, während er ihm durch die schwarzen Haare wuschelte. "Du solltest das hier nicht machen müssen", seufzte er dann. "Geh und spiele ein wenig mit deinem Cousin, immerhin hast du gleich noch Unterricht im Schwertkampf." "Ja Vater, ich werde dich niemals enttäuschen!", rief der junge Prinz enthusiastisch aus, ehe er sich mit einer Verbeugung verabschiedete und die langen und großen Flure entlang rannte, um zu seinem Gemach zu kommen.

Leider war er ein wenig zu eilig unterwegs, da er mit Schwung in einen groß gebauten Mann lief. Am Armband erkannte er sofort, dass es sich um einen der Angestellten des Schlosses handeln musste. In römischen Zahlen stand die Nummer der Kaste auf dem Band, welches bei Angestellten immer um den linken Oberarm getragen werden musste. Er war aus Kaste Acht. Eine Reinigungskraft.

"Verzeigen Sie mir", rappelte der junge Prinz sich schnell auf, während er seine Uniform gerade rückte. "Nein, verzeiht Ihr mir, eure Majestät", verneigte sich die Reinigungskraft tief. "Ich habe Euch nicht kommen sehen", hauchte er. "Bitte, richten Sie sich auf. Sie sollten sich nicht entschuldigen, sondern viel eher ich mich bei Ihnen. Wäre ich nicht so gerannt, wäre das alles nicht passiert", lächelte der Prinz, während sich die Reinigungskraft aufstellte und lächelte. "Ihr haben ein großes Herz, euer Majestät", bedankte sich die Reinigungskraft, ehe sie ihre Putzsachen nahm und wieder ihrer Arbeit nachging.

Erneut lief der junge Prinz weiter, dieses Mal darauf bedacht, keine weitere Person umzurennen oder bei der Arbeit aufzuhalten. Immerhin würde die Person sonst große Probleme mit den Aufsehern oder den Wachen bekommen, so hatte es ihm sein Vater vor einiger Zeit erklärt.

Die Menschen wurden in diese Kasten geboren. Er selber war in Kaste Eins. In Kaste Eins waren aber auch nur die Familie des Königs. Und die Familie des Präsidenten. Dieser wurde jedoch in das Parlament vom Volke gewählt, weshalb er und seine Familie die einzige Ausnahme des Kastensystems war. Sobald die Amtszeit von fünf Jahren vorbei war, stieg die Familie in Kaste Zwei herab. In dieser befanden sich nämlich die wichtigen Politiker und adeligen Personen des Landes.
Direkt nach dieser Kaste kam Kaste Drei. In Kaste Drei lebten Personen mit wichtigen Berufen. Ärzte und Krankenpfleger fielen darunter, sowie Rettungskräfte und die Polizei. In Kaste Vier kamen die Berufe vor, die wichtig, aber nicht allzu wichtig waren. In dieser Kaste lebten Personen wie zum Beispiel Architekten oder Bauleute, ohne die das Land nicht so fortschrittlich wäre wie woanders.
In Kaste fünf fielen Personen, die wichtig für die Wirtschaft waren. Menschen, die in Büros arbeiteten oder einfache Arbeiter eines Supermarktes durften das Band der Kaste Fünf um den Arm tragen. Zu Kaste Sechs gehörten die Person, die die Kaste darüber belieferten. Farmer, Fischer und einfache Handelsleute unterstützten so die Wirtschaft des Landes und ihren erhalt. Sie alle waren sehr wichtig.
Kaste Sieben. Die Kaste der Arbeiter auf Straßen. Ohne diese Kaste wären die Straßen dreckig. Arbeiter der Kaste Sieben reinigten die Straßen mit Müllfahrzeugen und kümmerten sich um die Pflanzen. Sie waren sozusagen die Gärtner von ganz Aeros.
Darauf aufbauend folgt Kaste Acht. Diese Personen reinigten Aeros von innen heraus. Sie putzten Fenster oder wischten Staub, sie taten das, was ihre Arbeitgeber verlangten.
Unter dieser Kaste kam die Kaste Neun. Personen dieser Kaste taten all die Aufgaben, für die sich die Personen höherer Kasten zu schön waren. Sie konnte man überall einsetzen und sie waren die Kräftigsten ihrer Art. Dies war die einzige Kaste, die zwei Armbänder tragen durfte. Das erste Band war das mit der Kaste der Nummer Neun versehen. Darunter wurde das Armband befestigt, in welcher Kaste sie gerade arbeiteten. Waren sie mit dem Beruf fertig, wechselte man das Armband einfach für den nächsten Beruf aus.
Und als letztes folgte Kaste Zehn. Die Kastenlosen, wie sie im Volksmunde hießen. Verbrecher. Möder. Menschen gegen das Gesetz. Von der Welt verhasst und verstoßen. Sie lebten im Dreck, in Gefängnissen oder waren auf der Flucht. Von ihnen gab es nicht viele. Erkennen konnte man sie nicht, da sie oft die Armbänder von Menschen höherer Kasten stahlen und sich als Personen ihrer Art ausgaben. Deshalb achteten die Wachen besonders genau auf die Personen. Im Pass standen die Nummern auch.
Man wurde in eine bestimmte Kaste hineingeboren, konnte aber aufsteigen oder auch absteigen. Meistens stiegen die Personen eher ab, als dass sie aufstiegen. Dafür waren die Anforderungen einfach zu schwierig.

Kopfschüttelnd lief der junge Prinz weiter. Das System war einleuchtend für ihn, aber trotzdem schwer zu verstehen. Wer unter welche Kaste fiel und wie alles funktionierte, waren Rätsel für ihn. Aber er würde ja weiterhin alles über sein Land von seinen Lehrern beigebracht bekommen. Immerhin lernte er nicht umsonst volle zehn Stunden täglich alles über die Welt da draußen. Wenn er sie schon nicht sehen durfte, dann wollte er wenigstens alles über sie wissen. Nicht ohne Grund liebte er das Lesen von Büchern wie kein anderer. Denn in diesen Geschichten war alles möglich. Und er hoffte, dass es für ihn bald auch so wäre.

Endlich erreichte er seine Gemächer. Vor diesen wurde er auch schon von den beiden Wachen begrüßt, die Tag und Nacht vor diesen standen. Sein Vater wollte kein Risiko eingehen, weshalb der junge Prinz auch nie ohne einen triftigen Grund sowie einige Palastwachen aus dem Palast in den Garten durfte. Denn vor einigen Jahren wurde ihm so seine ältere Schwester genommen, da Rebellen sie im Garten erstochen haben, um den König zu stürzen. Und er selber bekam diese grauenvollen Bilder nicht mehr aus seinem Kopf. Er war doch erst vier Jahre alt gewesen, als das Unglück passiert war.

"Euer Majestät", verneigten sich die beiden Wachen vor ihm, weshalb er lächelte, bevor er sich ebenfalls verbeugte. "Vielen Dank", bedankte sich der Prinz, als eine der Wachen die enorme Flügeltür zu seinem Gemach öffnete. Alleine fiel es ihm doch ein wenig schwer, da er nicht allzu stark war. Warum sollte er auch? Er war ja noch jung und hatte genügend Zeit, um so machtvoll und kräftig wie sein Vater zu werden. Sobald die Palastwache die Tür wieder geschlossen hatte, fiel die gerade noch so straffe Haltung des jungen Prinzen in sich zusammen. Seufzend strich er sich die schwere Uniformsjacke von seinen schmerzenden Schultern, ehe diese auf den Boden fiel und dort liegenblieb. Ihm blieben noch wenige Minuten bis zu seinem Schwerttraining, weshalb er sich müde auf sein Bett warf. Prinz sein war anstrengend. Und das gewaltig. Er musste immer erhoben sein, höflich, aufmerkam und stets ein Lächeln im Gesicht tragen. Es war eine enorme Bürde, die er hatte. Aber er wollte seinem Vater zeigen, dass er es konnte. Deshalb strengte sich der junge Prinz so unglaublich an, obwohl er erst acht Jahre alt war. Er war doch erst ein Kind, aber schon sah das Volk einen machtvollen König in ihm. Und dieses Image müsste er aufrecht erhalten, kostete es, was es wollte.

Müde rollte er sich auf die Seite und blickte erschrocken auf seinen digitalen Wecker, der ihm anzeigte, dass er gleich schon zu seinem Training musste. Schnell eilte er durch sein Gemach in seinen begehbaren Kleiderschrank, ehe er nach einer Zofe rief, die ihm beim ankleiden helfen sollte. Diese ließ auch nicht lange auf sich warten, weshalb der junge Prinz nur wenige Minuten später in seinen Trainingsklamotten in der Mitte seines enorm großen Gemachs stand. Passend klopfte es an der großen Flügeltür, die nur einige Sekunden später von der Palastwache geöffnet wurde. Mit perfekter Haltung empfing der junge Prinz den Gast, seinen Schwerttrainer. "Euer Majestät", verbeugte er sich vor dem Jungen, "Ihr Training findet in einigen Minuten statt. Würden Sie mir die Ehre erweisen und mir folgen?" "Natürlich", lächelte der Prinz. "Ich wäre soweit. Vielen Dank, dass Sie mich abholen." Stillschweigend mit perfekter Haltung und dem ständigen Lächeln im Gesicht folgte der Prinz erhobenen Hauptes seinem Schwerttrainer, um zu den jüngeren Soldaten in die Halle zu kommen. Und wie er es hasste.

Royalty [{NamJin}]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt