(35) Probieren geht über studieren

508 16 0
                                    

Ich hatte nur noch geduscht und mich dann in mein Zimmer zurückgezogen. Meine Gedanken waren noch bei den anderen, obwohl ich versuchte möglichst bald einschlafen zu können.

"Averie", hörte ich plötzlich Magnus Stimme, die leise zu mir von der Tür aus herüberschwebte. 

"Ja?", fragte ich noch in die Decken eingemummelt. Eigentlich wollte ich meinen Gedanken durch Schlafen entfliehen, allerdings funktionierte dies bisher noch nicht so richtig gut, weshalb Magnus Unterbrechung vielleicht ganz gut war. 

"Hast du einen kurzen Moment für mich?", erkundigte er sich und ich sah wie seine Gestalt sich aus dem Türspalt, durch den ein wenig Licht ins Zimmer kam, herausbewegte und langsam auf mich zukam.

"Klar. Was ist denn?", ich drückte auf den Knopf von meiner Nachttischlampe, damit ihr Licht den Raum zumindest etwas mehr erleuchten konnte, als die nur leicht offenstehende Tür es bereits tat. Dadurch konnte ich nun auch Magnus besser erkennen und den besorgten Gesichtsausdruck, den er trug.

"Ich wollte kurz mit dir reden, weil ich vorhin keine Möglichkeit dazu sah", erklärte er und setzte sich auf mein Bett, während ich mich ebenfalls aufsetzte, damit wir ein ordentliches Gespräch führen konnten.

"Worüber?", erkundigte ich mich, obwohl mir bereits eine böse Ahnung vorschwebte. Ich verstand selbst nicht, warum ich ungern darüber sprechen wollte. Magnus war einer der wenigen, der zumindest etwas an Informationen liefern konnte, die mir auf dem Weg diese Gabe zu erkunden, hilfreich sein könnten. Vielleicht war es Angst vor dem Versagen oder Scham, dass ich nicht die tollen Dinge vollbringen konnte, die ich können sollten und statt zu helfen nur noch mehr Probleme bereitete.

"Meinst du, dass wir dieses Gespräch ins Wohnzimmer verlagern können?", wollte er nun wissen und wartete geduldig auf eine Antwort, die ich ihm allerdings nicht verbal gab, sondern einfach die Decke von meinen Beinen schlug und dann neben mein Bett hüpfte. Anhand meines Energielevels hatte ich eh gewusst, dass so schnell für mich nicht an schlafen zu denken gewesen war.

Schnell stellte ich noch die Lampe aus, bevor wir uns ins Wohnzimmer bewegten, dass durch den Schein der vielen Lampen erhellt war. Im Kontrast dazu schien die Nacht noch düsterer zu sein, als ich sie je erlebt hatte. Aber vielleicht empfand ich sie auch nur als so düster, weil ich mir Sorgen machte um meine Freunde, die gerade in diesem Moment vermutlich noch gegen Dämonen kämpften.

"Ich glaube, dass ich dir einige Antworten schuldig bin", begann Magnus seine Rede, sobald wir uns beide gegenüber voneinander auf die Sofas niedergelassen hatten. Interessiert sah ich ihn an und hoffte, dass ich nun diese Antworten erlangen könnte.

"Das Problem ist nur, dass ich die Antworten nicht habe. Seitdem ich den Verdacht hatte nach eurem ersten Besuch, habe ich überall nach Aufzeichnungen darüber gesucht, aber es gibt einfach kaum welche. Bis auf diese eine Schrift, die ich von Tekins Vater bekommen hatte, gibt es keine Aufzeichnungen über dich und deine Familie. Ich kann dir leider nicht sagen, was du alles kannst und was für Folgen deine Handlungen haben mögen. Wir müssen es gemeinsam herausfinden, denn die Einzigen, die noch Antworten haben könnten", er stockte kurz und ich konnte den Schmerz des Verrates noch immer in seinem Gesicht sehen, "sind Tekin und Valentin"

Ich atmete tief durch, um diese Informationen verdauen zu können. Es war nicht gerade das, was ich mir erhofft hatte, aber ich war dennoch froh, nun zu wissen, wie viel Vorschusswissen mir zur Verfügung stand und wie viel ich mir selbst erlennen musste. 

"Ich glaube, dass dieser Prozess ziemlich anstrengend und aufwühlend werden kann, also würde ich dich bitten, dass wir von nun an, völlig ehrlich sind. Jede Information, die ich oder du erlangen, wird dem anderen mitgeteilt, damit wir möglichst schnell Theorien aufstellen können. Ich bin mir sicher, dass du deine Gabe gut in den Griff bekommen wirst, aber das braucht vermutlich viel Training", erklärte er weiter die Gedanken, die er sich gemacht hatte.

"Also, bist du dabei?", erkundigte er sich, woraufhin ich erst zögerlich und dann immer selbstbewusster nickte. 

"Gut. Dann beginne ich mal. Deine Gabe war dafür gedacht Unterweltler zu "heilen", wenn diese Verbrechen begingen und Shadowhunter gleichzeitig kontrollierbarer zu machen. In den ursprünglichen Zeiten lebten ihre Besitzer noch in Alacante, um dort den Rat zu unterstützen. Was womöglich auch für dich der Fall sein wird, wenn sie von deiner Existenz erfahren", warf er kurz ein, bevor er fortfuhr,

"Allerdings soll es einer Legende nach einen Brand gegeben haben, der die Familie vernichtet haben soll. Vermutlich deine Ururgroßeltern haben damals geschafft zu fliehen und haben dabei nur eine Schrift mitgenommen, die sie dann Tekins Vater zum Schutz und zur Aufbewahrung überlassen haben, bevor sie untergetaucht sind"

"Aber warum? Wenn ihre Gabe so hilfreich war, warum sind sie dann nach dem Brand geflohen oder sind sogar untergetaucht", hinterfragte ich die Handlungen meiner Vorfahren. 

"Vielleicht gab es Probleme in Alacante, die nicht überliefert sind. Die Fähigkeit Gedanken zu lesen, ist eine überaus mächtige Gabe, weshalb es sicherlich viele Schwierigkeiten gab. Obwohl kaum jemand von deiner Existenz wusste, hast du doch auch Probleme mit Valentin. Jetzt stell dir mal vor wie viel größer diese wären, wenn jedes Schattenwesen, jeder Schadowhunter und jedes andere Lebewesen in dieser Welt von deiner Existenz wissen würde. Deshalb müssen wir besonders auf dich acht geben, weil man nie weiß, wer von dir bereits weiß und was für Absichten derjenige hat", erklärte er ausführlich, was mir half die Maßnahmen und das Verhalten von ihm und meinen Freunden aus dem Institut besser zu verstehen.

"Jetzt hab ich dir alles erzählt, was ich weiß, also bitte erzähle mir nun alles, was du weißt. Vielleicht die Geschehnisse von heute?"

Verwirrt blickte ich ihn an und überlegt woher er davon nur wissen konnte. Hatte ihm Alec etwa davon erzählt? Hatte ich mit ihm nun auch noch ein Hühnchen zu rupfen?

"Alec?", fragte ich, woraufhin er nur lächelte und sagte: "Du kannst mir auch von Alec erzählen, aber eigentlich meinte ich die Dinge bezüglich deiner Gabe. Du wirktest vorhin sehr aufgewühlt, weshalb ich vermutet habe, dass etwas besonderes passiert ist"

Erleichtert atmete ich aus und erzählte ihm dann von meinen Taten heute und die Angst, die ich wegen eben diesen empfand. Ich wusste nicht genau wo ich anfangen sollte mit der Aufarbeitung, aber Magnus leitete das Gespräch so, dass ich ihm alles genau erklären konnte.

"Ok, ich bin mir aber sicher, dass du die Frau nicht negativ beeinflusst hast. Wenn ich Menschen ihre Erinnerungen genommen habe, hat sie das auch nicht direkt verrückt gemacht und viele merken nie, dass überhaupt etwas passiert ist, weil sie sich ja nicht daran erinnern", erklärte er.

"Aber ich denke, dass es für dich an der Zeit ist, dass du das Öffnen und Schließen in der realen Welt übst. Der Traum ist vermutlich neben der Simulation ebenfalls in der Lage deine Kräfte soweit abzuschwächen, dass viele Dinge wesentlich einfacher sind, als wenn man sie in der Realität mit mehr Macht versucht", fuhr er fort und erleuchtete damit etwas meine verzwickten Gedanken. 

"Probiere es an mir aus. Keine Sorge, ich bin mir sicher, dass du mir keinen Schaden zufügen wirst", versuchte er mich zu ermutigen, sodass ich begann an ihm das Öffnen und Schließen zu üben. Es war verdammt anstrengend, aber ich war mir sicher, dass diese Übungszeit mir helfen würde besser zu werden und mehr Selbstbewusstsein zu erlangen.

Es vergingen einige Stunden, in denen ich unnachgiebig übte und bald schon merkte wie ausgelaugt ich war. Ich machte gerade eine von Magnus angeorderte Zwangspause, als er eine Feuernachricht erhielt. Seine Gesichtsausdruck änderte sich für einen Bruchteil einer Sekunde minimal, bevor er sich mir zuwandte und sagte:

"Es tut mir leid, aber das wird vermutlich noch eine lange Nacht für dich. Du wirst im Institut gebraucht und das jetzt sofort"

HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt