(74) Plötzlicher Verbündeter

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Das Adrenalin pumpte sich durch meine Adern und ein Sturm an Emotionen und Gedanken wüstete in meinem Kopf, während wir uns durch die Gänge des Gebäudes bewegten. Alles schien so schwer und einfach zugleich zu sein und ich hatte jegliches Gefühl für diesen Moment verloren. Dennoch versuchte ich meine Fokussierung wieder etwas aufzubauen, damit ich nicht vollends wegdämmerte.

"Kommt raus, kommt raus. Wir haben ein kleines Geschenk für euch", rief Valentin immer wieder in die Stille hinein und ich wusste nicht, ob ich hoffen sollte, dass man seinen Worten Folge leistete oder nicht. 

Wir erklommen ein paar Stufen, bevor schließlich jemand vor uns stand. Aber nicht irgendjemand, es war Alexander. Seine Haare waren ziemlich verwuschelt und er sah erschöpft aus, dennoch trug er ein Lächeln auf den Lippen. Er betrachtete erst Valentin, bevor er für den Bruchteil einer Sekunde seine Aufmerksamkeit zu mir wandern ließ.

Bedacht auf seine Wandlung vor unserer Ankunft in Alicante öffnete ich schnell mein Ventil und warf einen Blick auf seine Gedanken. 

Averie, deine Tante ist in Sicherheit. Mach dir keine Sorgen um sie. Halte nur noch etwas weiter durch, damit wir Valentin besiegen können

Seine Gedanken waren klar verständlich und dennoch so verwirrend. War er schlussendlich vollends auf die Seite der Shadowhunter konvertiert? War es ein weiterer Test? Was sollte ich jetzt mit den Informationen anfangen? Sollte ich ihnen vertrauen? Konnte ich ihnen überhaupt vertrauen? 

Ich hasste es wie bereits wieder ein Haufen an neuen Fragen sich zu den vielen anderen, den überströmenden Gedanken und Emotionen gesellten. Welch eine Freude es doch war in so einer wichtigen Situation sich von so etwas ablenken zu lassen.

Sie ist wirklich in Sicherheit. Ich habe mit Alec gesprochen und es ist Teil des Planes, das ich gerade hier bin. Du musst mir nicht vertrauen, aber bitte vertraue auf deine Freunde aus dem Institut und auf Magnus

Er spürte genau wie sehr ich zweifelte und legte deshalb erneut nach:

Du kannst dich doch sicherlich noch daran erinnern, dass Alec einst sagte, dass kämpfen wie ein gemeinsamer Tanz ist. Er hat mir davon erzählt, damit du weißt, dass ich es ernst meine. Lass uns jetzt bitte den letzten Kampf gemeinsam tanzen. Wir schaffen das

Diese Worte bedeuteten mir viel und erzeugten sofort die gewünschte Wirkung. Ich vertraute ihm. Nicht ohne jegliche Zweifel, er konnte uns noch immer rücklings erdolchen, aber immerhin schien er kein von Valentin geschickte Spion zu sein wie der Letzte es gewesen war. Dennoch war ich verwundert, dass meine Gedankenmodifikation so effektiv und nachhaltig ihn beeinflusst hatte. Vielleicht hatte es schon immer etwas gegeben, dass ich durch diese Gedanken angestoßen hatte.

Unauffällig nickte ich, woraufhin er sich endlich vollständig Valentin zuwandte und ihm erklärte:

"Wir konnten die Inquisitorin noch nicht lokalisieren, aber wir haben einen Raum, in dem andere hoch angesehene Clave sich verstecken. Sollen wir den stürmen?"

Valentin begann zu grinsen und antwortete dann:

"Haben die sich alle in ein Loch verkrochen in der Hoffnung, dass wir sie nicht finden werden? Das ist wieder typisch Clave. Wollen regieren, aber übernehmen keinerlei Verantwortung. Gut. Bringe uns bitte zu diesem Raum" 

Erneut blickte er aus dem Augenwinkel zu mir und sprach zu mir in seinen Gedanken:

Wir müssen das Messer entfernen, damit dein Körper sich selbst heilen kann. Bist du sonst irgendwo verletzt? Brauchen wir Magnus?

Schnell webte ich die Antworten auf diese Fragen in seine Gedanken ein, sodass wir uns danach auf die Bewältigung der Aufgaben konzentrieren konnten und Alexander schien da bereits eine Idee zu haben:

"Valentin, wenn wir den Raum mit den Clave gestürmt haben, dann sollte die Gedankentante fit sein, um die Gedanken jener vor Ort zu verändern. Ich habe eben festgestellt, dass sie in keinem guten Zustand zu sein scheint"

Valentin blieb ruckartig stehen und mir wurde sofort bewusst, dass ich nun die Auswirkungen des Messer in meinem Bauch noch besser zur Geltung bringen musste. Er musste sehen, dass ich mich wirklich in keiner so recht guten Verfassung befand, damit er Schritte, die mir helfen würden zu heilen, erwägen würde. 

Seine Augen starrten mich nieder, während ich meinen Blick etwas verwässern lies und auch meine Atmung noch unregelmäßiger machte. Es dauerte einen kurzen Moment der intensiven Prüfung, bevor er schließlich erklärte:

"Na schön, zieht es raus. Tekin, du weißt aber Bescheid. Du hast jederzeit meine Erlaubnis"

Verwirrt von seinen Worten blickte ich zu Alexander, dem Besorgnis ins Gesicht geschrieben war und wurde schließlich von dem Schmerz überrascht, als das Messer aus mir entfernt wurde. Sofort strömte eine ganze Menge an Blut aus meinem Bauch, sodass einer von den Kreismitgliedern an meinen Seiten sich einen Stofffetzen krallten und ihn mir in die Hand drückten, damit ich mit diesem Druck auf die Wunde ausüben konnte. Zumindest solange wie es dauern würde, bis mein Körper sie geheilt hatte.

"Kommt, lasst uns die Clave fertigmachen", rief er freudig auf, bevor wir nun im erhöhten Tempo Alexander durch Gänge folgten und immer wieder einige Menschen auf dem Boden liegen sahen. Ich war mir nicht sicher, ob es Shadowhunter oder Kreismitglieder waren, aber mit jedem Meter, dem wir näher zu diesem ominösen Raum kamen, verstreuten sich immer mehr von ihnen über den Boden. War das wirklich ein Teil des Planes? Sollte das genau so sein oder war doch noch etwas schiefgelaufen?

Alexanders Gedanken zeigten kein bisschen diese Zweifel, weshalb ich mir sicher war, dass es Teil des Planes sein musste. Wenn man Valentin glauben ließ, dass er dabei war zu gewinnen, würde er unaufmerksamer werden, weil ihn die Euphorie packen würde. Das wäre ein klarer Vorteil für unsere Seite. 

Trotzdem machten mir Alexanders Gedanken Sorge und ich war mir nicht sicher, ob er mir bewusst die Nachrichten mitteilen wollte oder ob ihm entfallen war, dass ich noch immer mitlesen konnte. Denn im Gegensatz zu den anderen Gedanken von Valentin, Tekin und den restlichen Kreismitgliedern waren Alexanders Gedanken extrem fürsorglich. Er hatte keinen Hauch von Euphorie in ihnen wie es die anderen hatten. Seine klagen fast schon ängstlich: 

Wir müssen ihr den Arm aufschneiden und es rausholen, bevor er es aktivieren kann. Wer weiß was Valentin da wieder reingetan hat. Wir können sie nicht verlieren. Ich kann sie nicht verlieren. Nicht nach dem, was sie für mich getan hat.


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