Ein lautes Klopfen riss mich schließlich aus meinem Schlaf und müde versuchte ich mich etwas aufzusetzen. Mein Körper und mein Geist waren erschöpft und ich spürte bereits beim Liegen wie schlapp meine Muskeln waren. Ich brauchte definitiv noch mehr Schlaf, damit ich wieder studenlang in dem Traum nach der Erlösung suchen konnte.
"Guten Morgen", erklang eine raue Stimme, die ich augenblicklich Valentin zuordnete. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich war gleichermaßen erfreut und verängstigt, dass ich der Tür abgewandt lag und ihn nun nicht sehen konnte.
"Wie geht es dir? Bist du jetzt wieder ausgeruht? Können wir gleich weitermachen?", erklang seine Stimme erneut und wieder verwehrte ich ihm eine Antwort, was ihn offensichtlich nicht sonderlich erfreute. Er schnaubte verachtend aus.
"Deine Mutter war genauso wie du. Genauso eingebildet. Scheinbar hast du doch mehr von ihr als ich zuerst dachte"
"Wage es nicht meine Mutter mit rein zu ziehen", antwortete ich nun und versuchte meine aufkeimende Wut unter Kontrolle zu halten.
"Weißt du was, ihre Arroganz war auch der Grund, warum sie schließlich sterben musste und dein Vater war auch noch so dumm, das verhindern zu wollen. Also lerne besser aus den Fehlern deiner Vorfahren und mache dich bereit für die nächste Erkundungstour"
"Nur über meine Leiche. Ich werde dir ganz sicher nicht helfen. Weder jetzt noch in der Zukunft", entgegnete ich und klang nicht ganz so eingeschüchtert wie ich mich eigentlich fühlte.
"Warum bist du so zickig drauf? Soll ich jemanden holen, der dich wieder auf den Pfad stößt? Alexander Lightwood zum Beispiel oder Isabell Lightwood? Hast du dich nicht mit den beiden angefreundet?", scherzte er, aber ich konnte genau erkennen, dass er alles dafür tun würde, dass ich ihm zur Vefügung stand. Ob nun freiwillig oder mit Zwang. Die Hauptsache war, dass ich ihm bei was auch immer half.
Mir rollten stumm Tränen der Verzweiflung über die Wangen, aber ich zeigte ihm noch immer nicht die geringsten Anzeichen darauf, dass ich auch nur meinen kleinen Finger rühren würde, weil ich zu verzweifelt war und weder ein noch aus wusste. Ich schaffte es nur noch rechtzeitig meine Tränen versiegen zu lassen, bevor es weiterging.
Er rief schließlich drei Typen herbei, die mich unsanft aus dem Bett zogen, mich durch die Gänge schleiften und mich schließlich wieder auf der Liege fest banden. Ich atmete tief durch und versuchte alle negativen Gedanken zur Seite zu schieben. Ich hatte zwar noch immer keine Ahnung wie ich mich aus dieser Situation befreien bzw. verhalten sollte, aber Emotionalität würde mir so oder so nicht sonderlich hilfreich sein.
"Hallo Averie, wie geht es dir?", erklang Tekins Stimme im Raum und ich öffnete meine Augen wieder. Ich hatte sie geschlossen, um mich auf die Kontrolle meiner Emotionen zu konzentrieren, aber nun öffnete ich sie automatisch wieder. Er war für mich immer noch ein kleines Ästchen, an das ich mich gedanklich klammerte, damit ich nicht die Klippe hinabstürzte. Obwohl er Magnus und mich belogen hatte und nun ausnutzte, war er für mich noch immer ein sicherer Hafen. Zumindest sichererer als die anderen, die um mich herum waren.
"Ich fühl mich schlapp", entgegnete ich und atmete tief durch und versuchte meine Handgelenke etwas zu bewegen, aber sie waren heute noch viel fester gezogen worden, obwohl ich sowieso keine Chance hatte zu fliehen.
"Ok, wir werden immer wieder Pausen machen, damit du dich ausruhen kannst", meinte er und schenkte mir einen aufmunternden Blick, den ich nicht so richtig einzuordnen wusste.
"Pff, sie muss erstmal ein Zwischenziel erreichen, bevor sie sich ausruhen kann. Tekin, ich möchte, dass du sie tiefer in den Traum beförderst, damit es schneller geht", schnaubte Valentin fordernd und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.
"Sie ist die einzige, die sich tiefer in den Traum fallen lassen kann. Ich kann nur den Start und den Endpunkt festlegen, aber alles andere muss sie sich selbst erarbeiten", erklärte Tekin es ihm und auch in gewisser Weise mir. Ich hatte genauso wenig Ahnung wie Valentin offensichtlich auch. Jedoch hatte er einen deutlichen Vorteil, er hatte die Macht über mich.
"Gut, dann machen wir das so. Averie, du ahnst hoffentlich, dass ich noch mehr Spione im Institut habe, die ebenso wie Tekin für mich arbeiten. Also würde ich dir raten, dass du jetzt gefälligst erste Handfeste Ergebnisse uns zu präsentieren weist, sonst solltest du dich auf die Suche nach neuen Freunden im Institut machen", meinte er und sah mich dabei grinsend an, was mir irgendwie erneut einen Kälteschauer über meinen Rücken schickte. Sie würden sich zu verteidigen wissen, aber allein die Drohung, die sich ernster anhörte und der Gedanke daran, dass sie wegen mir in Gefahr gerieten, schmerzte mir. Ich hatte sie alle so lieb gewonnen. Auch Alec oder vielleicht sogar gerade Alec.
Ich nickte, schloss meine Augen und bereitete mich darauf vor, in den Traum befördert zu werden. Ich musste mich fallen lassen, tiefere Level erkennen, den Nebel über den Gesichtern lösen und die Töne verstehen. Alle diese Aufgaben schienen mich allerdings sofort zu überfordern, weshalb ich spürte wie sich meine Muskeln verkrampften, während ich den Traum durchlebte. Alle bereits gesammelten Informationen blieben erhalten, aber ich konnte einfach nicht tiefer sinken. Zu sehr schwebten mir meine Freunde vor dem inneren Auge. Zu sehr sorgte ich mich um sie. So würde das Ganze sicherlich nicht seine Zufriedenheit erlangen.
Alecs p.o.v.
Ich hatte das Gefühl bald der völligen Verzweiflung ausgeliefert zu sein. Wir kamen einfach nicht mit der Suche nach Averie weiter und meine Sorgen zerfraßen mich immer mehr. Und dennoch musste ich versuchen die Kontrolle zu behalten und weise Entscheidungen treffen zu können. Jace, Izzy und Clary hatten sich ebenfalls unfassbar reingehängt und auch Magnus hatte sich wieder auf die Suche begeben. Dieses Mal nur nicht nach den Hintergründen von Averies Vergangenheit sondern nach ihr selbst.
"Alec, es gibt einen Dämonenangriff", rief Izzy mir zu und ich sah sie nur an. Ich konnte nichts sagen und wusste nicht, was ich machen sollte.
"Alec! Komm!", rief nun mein Parabatei und versuchte mich mit zu den Waffen zu zerren.
"Was? Wir können nicht einfach hier alles stehen und liegen lassen. Wir müssen Averie finden!", antwortete ich mit einer bebenden Stimme.
"Alec, wir müssen die Dämonen wieder zurück nach Edom befördern, bevor sie noch weiteres Unheil anrichten", entgegnete meine kleine Schwester und drückte mir meinen Bogen entgegen.
"Nein. Das können doch die anderen machen. Wir müssen nach Averie suchen. Habt ihr schon vergessen, dass ihre Zeit mit jeder weiteren Minute verstreicht", wurde ich nun immer lauter, um neben den Hin und Her Gewusel zu meinen Geschwistern und Freuden durchzudringen.
"Alec, die anderen kommen mit uns. Es sind so viele Dämonen auf einmal aufgetaucht, sodass jeder verfügbare Shadowhunter gebraucht wird, bevor sie noch mehr Menschen töten. Magnus versucht sie zu finden und wir können sowieso im Moment nur warten. Also komm, wir müssen die Mundies retten", versuchte mir Clary ins Gewissen zu reden.
"Ja, deine Mundiefreunde. Aber was ist mit meinen Freunden. Die müssen auch gerettet werden", blaffte ich sie harsch an, weshalb Jace mir sofort entgegnete:
"Ich weiß, dass du sie unbedingt finden willst, Alec, aber du kannst im Moment nichts anderes als deine Pflicht erfüllen. War das nicht immer deine höchste Priorität?!"
"Meine höchste Priorität war es immer meine Familie zu schützen und sie ist nun ein Teil unserer Familie, also werde ich sie nicht einfach so bei Valentin zurücklassen", entgegnete ich und versuchte Tränen vor Frust zu unterdrücken. Ich konnte es nicht fassen, dass ich vor eine entweder-oder-Entscheidung gestellt wurde. Ich wollte die Menschen beschützen, das wollte ich schon immer, aber in diesem Moment verlor dieser Aspekt völlig an Gewicht, denn nur eine Person war gerade in meinen Gedanken: Averie.
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Hunter
FanfictionAverie Clark ist eine 19-jährige Waise, die nach Brooklyn gezogen ist, um hier ihr Jurastudium zu absolvieren. Sie lebt für Gerechtigkeit und den Schutz für Opfer, da ihre Eltern in ihrem Kindesalter ermordet wurden. Jedoch wandelt sich ihr Leben sc...