(64) Des Rätsels Lösung

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Lustlos wurde mein Körper auf eine weiche Unterlage, vermutlich ein Bett, geschmissen und ich versuchte erschöpft meine Augen zu öffnen, um zu sehen, wo ich mich befand. Meine Erinnerungen an die letzte Zeit hingen an dünnen Fäden noch irgendwo in meinen Gedanken, aber ich konnte sie nicht so wirklich in meine Finger bekommen. Jedes Mal wenn ich dachte, dass ich einen der Fänden erwischt hätte, entglitt er mir sofort und verspottete mich dabei fast schon bei meiner verzweifelten Suche nach Antworten. 

"Wie kannst du nur immer noch so ein geringes Stresslevel haben? Wie soll das nur je etwas mit dir werden. Wenn der Chef dich nicht so unbedingt für seinen Plan haben wollen würde, hätten wir dich gleich beseitigt. Du bist doch die ganze Mühe und den Aufwand gar nicht wert", meckerte Alexander vor sich hin und schien dabei nicht zu merken, dass ich bereits wieder bei Bewusstsein war. Obwohl ich wusste, dass ihn das vermutlich sowieso nicht sonderlich gestört hätte. Ich hatte ihm schließlich den Hass mir gegenüber in seine Gedanken eingewebt. Sollte ich das jetzt besser rückgängig machen? 

"Wie gerne würde ich dir für all die Qualen, die ich bei euch durchstand, eine Abreibung verpassen, aber das würde er bestimmt nicht gutheißen. Verdient hättest du es trotzdem", murmelte er weiter voller Hass vor sich her, was in mir wieder die Angst etwas hervorholte. Dennoch versuchte ich sie bestmöglich zu unterdrücken und mein Ventil zu öffnen.

Ich hasse sie. Warum muss ich mich um sie kümmern? Wenn ich noch länger in ihrer Nähe sein muss, dann vergesse ich mich. Und das wäre dann wahrlich nicht mein Problem.

Vorsichtig versuchte ich nun einen neuen Gedanken in die seinen hinein zu weben, damit ich die nächsten Stunden möglichst ohne weitere Blessuren überstehen konnte. 

Obwohl ich sie hasse, verstehe ich auch, warum sie diese Dinge tut. Ich verstehe, dass sie die ihren schützen möchte. Das möchte ich auch

Das war der Anfang, der hoffentlich so gut funktionieren würde, dass ich ihn über die nächste Zeit zu anderen Dingen aufbringen konnte als mir wehzutun. Ich hasste die Tatsache, dass ich ihn durch die Veränderung der Gedanken zu etwas zwingen würde, was er gar nicht machen wollte, aber diese Entscheidung dafür war eben nicht für ihn und für mich, sondern für die gesamte Weltbevölkerung, ob nun Mundiewelt oder Schattenwelt, bedeutungsvoll.

Es blieb eine ganze Weile still und auch seine Gedanken fuhren emotional etwas weiter runter. Er war nicht mehr rasend vor Wut, sondern lies sich auf den neuen Gedanken ein. Wenn man bemerkte, dass der Feind genau die gleiche Motivation hatte wie man selbst und man sich dadurch mit ihm identifizieren konnte, wurde er plötzlich gar nicht mehr so schlimm. Genau das hoffte ich durch meine Aktion zu erreichen. Aber ob das so langanhaltend funktionieren würde, konnte ich noch nicht abschätzen. Dafür wusste ich auch zu wenig über die Langzeitfolgen meiner Einmischung in die Gedanken anderer.

"Hoffentlich wirst du bald wieder fit, damit wir weitermachen können und du bald mit dem Horror durch bist", murmelte er nun ruhig, was mich positiv überraschte. Ich sah mir seine Worte an, aber soweit ich das beurteilen konnte, sagte er die Wahrheit. Die Art wie die Worte leuchteten gab mir keinen Hinweis darauf, dass er lügen würde.

Neugier bewegte mich nun dazu meine Augen wieder leicht öffnen zu wollen und ihm aus dem Gesicht ablesen zu können, wie ernst er es meinte. Natürlich sollte ich gerade die Fähigkeit haben es auch ohne das lesen zu können, aber die visuelle Bestätigung des Gesichtsausdrucks war meiner Mundieseite doch lieb.

"Langsam", sagte er, sobald ich versuchte mich etwas aufzurappeln, wobei ich merkte, dass meine Selbstheilungskräfte den Stress nicht so unbedingt gut fanden. Da mussten sie nun aber durch, genauso wie ich.

"Brauchst du einen Schluck Wasser?", erkundigte er sich und klang dabei fast schon fürsorglich. War ich mit den Gedanken übers Ziel hinausgeschossen? Hatte er eine Vorgeschichte, die den Einfluss der Gedanken auf seine emotionale Wahrnehmung extrem beeinflusste? Ich hatte zwar noch nie darüber etwas gehört, aber was hatte ich auch schon über meine Gabe erfahren? Außerdem ergab diese Überlegung für mich Sinn und meine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen waren nun einmal so ziemlich alles, womit ich arbeiten konnte.

"Das wäre toll", krächzte ich etwas. Die Arbeit in Gedanken war unfassbar dehydrierend. Scheinbar egal ob diese in der Realität oder im Traum verrichtet wurde.

Er reichte mir eine Flasche, bei der er zuvor den Deckel für mich abgedreht hatte und seine Augen nun fokussiert auf mir lagen, während ich die Schönheit der Flüssigkeit genoss.

"Brauchst du noch etwas?", erkundigte er sich, nachdem ich die Flasche für eine Weile abgesetzt hatte und tief durchatmete. 

"Meine Freunde und meine Tante, aber ich denke nicht, dass du damit dienen kannst", erklärte ich, was sofort einen nachdenklichen Gesichtsausdruck auf seine Züge brachte.

"Das nicht, aber wie wäre es, wenn ich dir des Rätsels Lösung unterbreite", schlug er vor und setzte sich zu mir ans Bett. Die Auswirkungen mussten wirklich extrem stark sein, dachte ich mir, aber versuchte diese Verwirrung durch ein Lächeln zu überspielen.

"Ich habe dir, als ich noch in eurem Keller feststeckte, dass Rätsel von Valentin übergeben, mit dem er euch etwas beschäftigen wollte, bevor die finale Phase des Plans beginnen konnte. Fuchs, du hast die Gans gestohlen. Erinnerst du dich noch?"

Seine Worte beförderten mich sofort wieder in die Zeit zurück. In die Zeit des vielen Übens, der Verzweiflung und Verwirrung. Unweigerlich kam mir auch Alec wieder in den Sinn. Was er und die anderen wohl gerade machen würden? War meine Nachricht bei ihnen angekommen? Konnten sie mich dadurch vielleicht sogar bald finden?

Ich nickte sofort, aber schrak zusammen als ich ein lautes Donnern draußen hörte. Alexander sah kurz schockiert aus und erklärte dann gehetzt:

"Jeder der drei Figuren ist klar zuweisbar. Du bist die Gans, die Shadowhunter sind der Fuchs und Valentin ist der Jäger"

"Warte, bedeutet das.."

Er lies mich nicht ausreden, da er bereits auf dem Sprung zur Tür war und nur kurz bevor er durch die Tür verschwand klarstellte:

"Ja, die Shadowhunter sind so gut wie tot"


Alecs p.o.v.

Hoch motiviert war ich schließlich ins Institut zurückgekehrt, in dem nun wieder etwas mehr Leben herrschte. Scheinbar hatten sich alle von dem Schrecken gestern gut erholt und arbeiteten nun wieder unter Hochdruck an der Suche nach Valentin und ungewöhnlichen Aktivitäten, die wir auch in diesen Zeiten nicht vernachlässigen konnten. Zumal vielleicht auch diese ein Hinweis auf Valentin sein könnten.

"Warst du draußen frische Luft schnappen?", erkundigte sich meine liebe Schwester als ich sie in der Zentrale sah. Sie wandte sich kurz von den Bildschirmen ab und sah mich interessiert auf meine Antwort an.

"Nein, ich war bei Magnus. Aber das sollten wir vermutlich besser nicht hier besprechen", erklärte ich, wobei meine Augen immer wieder wachsam umherwanderten. Auch wenn ich den anderen Shadowhuntern vertraute, hatte mir Elyssias Seitenwechsel gezeigt, dass man es in Wirklichkeit nie wissen konnte. Leider.

Wir beide verschwanden in die Bibliothek, in der zur Zeit keiner war, um unsere Ruhe vor neugierigen Ohren und Augen zu haben.

"Also?", wollte sie nun gespannt wissen und ich begann sofort eindringlich:

"Die Gedanken müssen von Averie stammen. Sie ist nicht bei Magnus und Elyssia hat uns beide bewusst angelogen, damit wir nicht so schnell die Suche nach ihr beginnen"

"Warte was?", unterbrach sie mich, bevor ich unseren Plan erklären konnte.

"Ja, es mag schwer zu glauben sein, aber das ist die einzige Erklärung, die ich für diese Tatsache im Moment habe. Magnus und ich haben uns allerdings schon einen Plan einfallen lassen, mit dem wir hoffentlich mehr herausfinden können", fuhr ich möglichst unbeirrt fort.

Izzy kam gar nicht dazu mir zu antworten, da die Tür zur Bibliothek gerade aufgerissen wurde. In dieser stand nun Elyssia und sah abgehetzt aus. 

"In einem Restaurant in der Nähe der Freiheitsstatue geht irgendetwas merkwürdiges ab. Ich geh mir das ansehen", teilte sie uns mit, woraufhin ich sofort sagte:

"Dann kommen wir beiden mit"

Das war zwar nicht der Plan, aber schaden konnte es hoffentlich nicht. Elyssia sah uns forschend an, bevor ihr Lächeln zurückkehrte und sie sagte:

"Klar. Auf geht's. Ist lange her seit wir das letzte Mal zusammen draußen waren. Das wird sicher ein großer Spaß"

HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt