(22) Der Fund

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Alecs p.o.v.

Erschöpft lies ich mich auf den Boden fallen. Ich hatte in den letzten 44 Stunden kaum geschlafen und Energie zu mir genommen, weshalb mein Körper nun sich nach irgendeiner Art von Energie zerrte. Ich musste unbedingt mal meine Augen für einen Moment schließen, auch wenn mich die Sorge um Averie vermutlich nicht schlafen lassen würde. Die Sorge darum, dass wir sie nicht rechzeitig finden würden, bevor Valentins Experimente sie umbrachten.

"Alec?", erklang plötzlich die sanfte Stimme meiner Schwester.

Ich blickte zu ihr, wie sie auf mich zukam und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. Sie machte sich Sorgen um mich, obwohl ich hier in Sicherheit war. Mir ging es gut.

"Alec, komm wir sollten schnell zurück ins Institut, damit du endlich mal wieder schlafen kannst. Du bist doch kurz vor dem Zusammenbrechen", meinte sie und half mir wieder auf die Beine.

"Mir geht es gut, Izzy. Wirklich. Aber du hast recht, wir sollten keine Zeit verlieren. Wer weiß wie viel Zeit uns überhaupt noch bleibt", entgegnete ich und wollte schon losstiefeln, als ich einen Druck an meinem Arm spürte.

"Wir werden sie finden, Alec. Aber du musst dich unbedingt vorher etwas ausruhen. In diesem Zustand kannst du ihr nicht helfen und gefährdest dich nur", erklang wieder ihre ruhige Stimme.

Ich blickte sie an und versuchte krampfhaft mich darauf einzulassen. Was auch immer passierte. Izzy hatte vermutlich recht damit, dass wir uns für einige Stunden ausruhen mussten, damit wir eine erfolgreiche Rettungsaktion starten konnten.

Wir stützen uns gegenseitig, während wir vier wieder zurück zum Institut liefen. Die Straßen war noch immer in das Dunkel der Nacht getaucht, auch wenn die Laternen dem entgegensteuerten. Diese Stadt schlief wirklich nie. 

Als wir im Laternenschein schließlich nur noch einige Schritte vom Institut entfernt waren und bereits kurz vor dem Zusammenbrechen waren, erkannte ich etwas oder besser gesagt  jemanden, der auf dem Boden lag. Sofort versuchte ich mich wieder aufzurichten, zog meine Seraphklinge und machte die anderen darauf aufmerksam, sodass sie die Umgebung im Auge behalten konnten, während ich mich der Person nähern konnte. Erst als ich direkt über ihr stand erkannte ich sie, weshalb es sofort mir einen Schauer über den Körper jagte und ich mich zu ihr runterbeugte.

"Averie? Hey, wach auf. Averie? Hörst du mich?", sprach ich sie an und versuchte sie durch ein leichtes Schütteln aufzuwecken. Dann suchte ich nach einem Puls, aber fand ihn nicht. Panisch rief ich Izzy, Jace und Clary zu mir, die sofort Magnus Bescheid gaben, während ich die junge Frau, mit der ich in den vergangenen Wochen so viel Zeit verbracht hatte, auf die Krankenstation brachte. 

Meine Augen wanderten über ihren Körper, der durch kleine Wunden und ihre fehlende Spannung gezeichnet war. Ihr gesamtes System schien vollkommen heruntergefahren zu sein.

"Komm schon, Averie. Wenn sich jemand heilen kann, dann doch du", sagte ich verzweifelt, während ich mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung startete. Ich hatte keine Ahnung, ob es ihr helfen würde, aber ich wollte möglichst alles machen, was in diesem Moment in meiner Hand lag und da ihr Puls noch immer nicht zurückgekehrt war, schien mir dies die beste Option zu sein.

"Komm Averie, du bist doch eine Kämpferin. Gib nicht auf!", versuchte ich sie weiter anzuspornen, damit sie wieder zurückkam. Zu mir, zu uns. In unserer gemeinsamen Zeit habe ich sie mehr lieb gewonnen, als ich das verkraften konnte, weshalb mir ihr Verlust rücksichtslos das Herz zerreißen würde. Aber ich wollte sie noch nicht aufgeben. Dafür war es noch viel zu früh. Sie würde es schaffen, daran glaubte ich ganz fest.

"Wie sieht es aus?", kam plötzlich meine Schwester hektisch herein und stellte sich auf die andere Seite des Bettes, in das ich sie gelegt hatte.

"Ich weiß es nicht, scheiße, ich weiß nicht was ich machen kann", begann ich verzweifelt zu fluchen. Ich war verdammt nochmal nicht in der Lage ihr zu helfen. Und so ein Gefühl war der blanke Horror.

"Hat sie einen Puls gehabt?", fragte Izzy.

"Keine Ahnung, Izzy. Wo bleibt Magnus?", entgegnete ich, während ich mich versuchte weiter auf die Herzdruckmassage zu konzentrieren.

"Er müsste jeden Augenblick hier sein", erwiderte sie in einem ähnlichen Tonfall. Offensichtlich hatte die Panik auch sie nicht verschont.

"Averie?", erklang Magnus Stimme und sofort machte ich wiederwillig Platz für ihn.

"Was ist passiert?", fragte er, während er mit seinen Händen bereits blauen Nebel über ihren Körper verteilte.

"Wir haben sie so gefunden. Ich konnte keinen Puls bei ihr spüren", sprach ich und versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Jetzt sobald ich etwas aus der aktiven Handlung herausgegangen war, überkam mich ein Schwall an Emotionen, die ich krampfhaft versuchte zu unterdrücken. Welche Aussichten es gab, konnte in diesem Moment schließlich noch keiner sagen.

"Ok, hier die Sachen brauche ich und Ruhe. Morgen früh werden wir mehr wissen", sagte er, bevor er uns mit einer Liste an Dingen, die wir besorgen sollten, herausschickte, um sich um Averie zu kümmern. 

Bewegungsunfähig stand ich im Flur und wusste nicht was ich machen sollte. Jace war sofort mit Clary auf die Suche nach den Stoffen aufgebrochen, aber meine Aufgabe und mein Ziel, das ich die ganze Zeit verfolgt hatte, war gerade in Luft aufgelöst worden. Ich hatte versagt. Keiner konnte sagen, ob Averie die Nacht überleben würde und selbst wenn, dann konnte noch keiner sagen in welcher Verfassung sie das tat.

"Sie wird das hinkriegen. Sie ist zu so einer starken Frau geworden und ich bin mir sicher, dass was auch immer passiert ist, sie das überleben wird. Magnus gibt sein bestes und wir beide sollten uns eine Mütze voll Schlaf besorgen, damit wir fit genug sind, wenn es wieder Angriffe gibt", versuchte mich Izzy etwas aufzumuntern.

"Wir müssen ihn töten, Izzy", murmelte ich und starrte an die Tür, hinter der Magnus um Averies Leben kämpfte.

"Alec, du musst schlafen, damit du uns helfen kannst bei allem, was jetzt auf uns zukommt. Wer weiß welchen Plan Valentin verfolgt, aber wir müssen uns bestmöglich auf einen Angriff von ihm vorbereiten. Und dafür ist Schlaf eine wichtige Komponente, also bitte leg dich mit mir aufs Ohr", sprach sie in einem ruhigen Tonfall. 

Ich war mir sicher, dass sie Recht hatte, aber meine Emotionen hatten viel zu viel Kontrolle über meine Gedankengänge, sodass ich nur mit aller Willenskraft es schaffte, meinen Blick von der Tür loszureißen und Izzy zu gestatten mich wegziehen zu lassen.

Averie würde diese Nacht kämpfen müssen und in Gedanken war ich die ganze Zeit bei ihr, um sie zu unterstützen, auch wenn mein Körper Ruhe hatte. Sie würde es schaffen und dann konnten wir es mit ihrer Hilfe schaffen Valentin zu besiegen. Wie auch immer unsere persönliche Geschichte weitergehen würde, eines war mir klar: Averie war mächtiger, als wir alle dachten.


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