(11) Pfeil und Bogen

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Als wir bei Magnus endlich ankamen, waren nur noch die Reste unserer Wunden an unserer Kleidung zu sehen. Diese war teils zerrissen und mit Blut befleckt, während unsere Wunden am Körper bereits verheilt waren. 

"Da seid ihr ja, ich hoffe, dass ihr gut", begrüßte uns Magnus, als er uns überschwänglich die Tür öffnete und dann verwirrt uns ansah. Die Überreste des Kampfes waren unübersichtlich, was wohl auch Magnus nicht entgangen war.

"Ja alles gut, Magnus. Also was hast du herausfinden können?", fragte Alec und drängte sich währenddessen an Magnus vorbei ins Wohnzimmer, in dem sich bereits Tekin befand.

"Tekin hat ein Buch gefunden, was uns vielleicht helfen könnte. Aber danach sind wir noch auf der Suche. Es soll darin wohl um eine Art Vampire gehen", erklärte er.

"Vampire?", fragte ich leicht abgestoßen. Ich hatte nie gewusst, dass ich ein Nachtwesen sein sollte, aber ein Vampir erschien mir dann doch als zu viel des Guten.

"Ja, so etwas in der Art. Jemanden wie dich gibt es nicht so häufig wie Vampire oder Werwölfe. Da kann eine Identifizierung schon etwas länger dauern", versuchte Tekin mich zu beschwichtigen. Ich nickte nur trocken und lies mich dann neben Alec auf die Coach fallen, der aus dem Augenwinkel meine Wunden einmal abzuscannen schien, bevor er sich wieder Tekin und Magnus zuwandte.

"Könnte es noch etwas anderes sein?", fragte er nun interessiert mit einem Hauch von Zweifel. Ich merkte, dass er Tekin misstraute, so wie mir ebenfalls am Anfang misstraut hatte. Wenn ich ehrlich war, konnte ich nicht einmal genau sagen, wann er mir begonnen hatte zu vertrauen. Aber vermutlich tat er das auch noch nicht vollends. Wie sollte er das auch. Er war in dieser verrückten Welt aufgewachsen, in der man sterben konnte, wenn man den falschen Lebewesen vertraute.

"Es können noch eine Reihe anderer Sachen sein, aber eine ist unwahrscheinlicher als die andere. Wir müssen noch die richtigen Bücher finden, aber um es mir etwas leichter zu machen, würde ich dich gerne nochmal sprechen", sagte er. Sofort wollte ich mich erheben und merkte, dass Alec es auch tat, bis Tekin hinzufügte: "Allein"

Ich sah Alec beschwichtigend an, der dem Ganzen noch immer nicht traute, aber mich nun ohne seine Überwachung mit Tekin mitgehen lies. Er überreichte mir ein Getränk, nachdem wir es uns in einem Nebenraum bequem gemacht hatten, das ich erst etwas kritische beäugte. Interessiert nippte ich schließlich daran und verspürte gleich einen leckeren Geschmack, weshalb ich einige weitere Schlücke davon nahm, bevor ich Tekins Stimme wahrnahm.

"Also? Hast du irgendwelche Symptome bemerkt?", fragte Tekin und sah mich fragend an.

"Symptome? Wie soll ich denn welche erkennen, wenn ich nicht weiß, wonach ich suchen muss", erzählte ich, was ihm offensichtlich ein kleines Schmunzeln abverlangte.

"Du bist doch 19 Jahre alt, oder?", fragte er, woraufhin ich stumm nickte.

"Hattest du in den letzten ein- zwei Jahren irgendwelche Veränderungen, die sich langsam in dein Leben integriert haben?", fragte er, woraufhin ich überlegen musste.

"Ich weiß nicht, ob das wichtig ist", begann ich, woraufhin er sofort antwortete: "Alles kann wichtig sein. Bitte sage es mir"

"Ich habe seit meinem 18. Geburtstag immer so einen wilden Albtraum. Ich weiß nicht so recht, was da vor sich geht, aber inzwischen habe ich ihn fast jede Nacht", erzählte ich, was er interessierte sich notierte.

"Und sonst noch irgendetwas? Hast du heute bei dem Angriff irgendetwas gehört oder gespürt?", bohrte er weiter nach.

"Nein, ich weiß nicht. Tut mir leid", antwortete ich und blickte leicht enttäuscht zu Boden. Ich hatte gehofft, dass ich eine größere Hilfe sein würde.

"Nein, alles gut. Vielen Dank, Averie. Ich glaube, dass das schon helfen wird", erklärte er lächelnd, bevor er mich wieder zurück zu Alec und Magnus begleitete. Als ich dort ankam, ergriff Alec sofort meinen Arm und zog mich in seine Nähe. Ich war von seiner Handlung völlig überrumpelt und auch er schien es sich nochmal überlegt zu haben, weil er sofort wieder den Körperkontakt unterbrach und sich räusperte.

"Seid ihr schon fertig?", erklang Magnus überraschte Stimme, der ich mich sofort zuwandte.

"Ja, wir sollten die beiden nun nach Hause geleiten. Du, Averie, solltest in den nächsten Tagen nicht das Institut verlassen. Ich komme nochmal vorbei und werde mit dir einige Gespräche führen und Tests machen, ok?", erklärte Tekin warm lächelnd, voraufhin ich nickte.

"Warum? Was ist die Prognose?", fragte Alec etwas zu schroff meiner Auffassung nach.

"Die Prognose ist, dass ich noch etwas weiter graben muss und mir die Erkenntnisse von heute hoffentlich dabei helfen. Alles weitere werde ich sehen, wenn ich ins Institut kommen werde", erklärte ihm Tekin freundlich. Allerdings bildete ich mir ein, einen leicht bissigen Unterton herauszuhören.

Magnus erschaffte uns ein Portal zum Institut auf Tekins Wunsch hin, sodass wir kurz danach wieder die Waffen abluden. Mein Blick war stumm auf diese gelegt, als ich Alecs Stimme erklingen hörte:

"Meinst du, dass du bereit bist an einer neuen Waffe etwas zu lernen?"

Sofort drehte ich mich gespannt zu ihm um und erkannte sein amüsiertes Lächeln, das durch seine leicht feurig strahlenden Augen einen ganz besonderen Unterton bekam. 

"Von welcher neuen Waffe sprechen wir?", fragte ich verschmitzt und bewegte mich langsam einige Schritte auf ihn zu. Zum Glück war kein anderer der Shadowhunter auch nur in der Nähe von uns, sonst wäre diese Situation sicherlich unfassbar peinlich gewesen.

"Oh, hat Madam noch Ansprüche?", fragte er breit lachend, aber ich sah den Schalk in seinen Augen aufblitzen und auch sein Lachen wurde immer vielschichtiger.

"Nein, Madam möchte sich nur nicht blind in die Hände einer wohlmöglich tödlichen Situation begeben", antwortete ich und versuchte mir dabei möglichst mein Lächeln zu verkneifen, was allerdings eher weniger gut funktionierte.

"Keine Sorge, Madam sind in meiner Nähe immer sicher", entgegnete er und ergriff meine Hand, die er mit seiner Hand umschlossen hielt und dann eine leichte Verbeugung antäuschte. In diesem Moment schien uns irgendein Band zu verbinden, dass scheinbar eine Freundschaft zulassen könnte. Er war nicht mehr so furchtbar kalt. Er konnte scheinbar auch ganz anders, obwohl auch diese Situation seinen Stempel aufgedrückt bekommen hatte.

Er hielt mir einen Bogen hin, den ich vorsichtig annahm und ihn begutachtete. Bisher hatte ich nur Alecs Bogen aus nächster Nähe gesehen, aber dieser hier war anders. Auch wenn ich noch nicht genau sagen konnte wie genau er es war. Dafür fehlte mir definitiv die Expertise.

Er zeigte mir wie ich richtig zu stehen hatte, wie ich meine Arme und Hände drehen und bewegen musste, bevor ich den ersten Schuss absetzte.

"Dafür, dass du angeblich noch nie mit einem Bogen geschossen hast, war das sehr gut", meinte er anerkennend und übergab mir dabei einen neuen Pfeil, den ich auf die Zielscheibe schießen sollte. Mit leicht zitternden Händen legte ich ihn ein, zog die Sehne zurück und ließ den Pfeil dann durch die Luft sausen. Auch dieser verfehlte die Mitte des Zieles nur knapp.

"Also entweder du bist eine ziemliche gute Lügnerin oder du hast ein Dauerabo vom Glück", entgegnete Alec und drehte sich mir fast schon anerkennend nickend zu.

"Vielleicht bin ich auch einfach ein Naturtalent, Mister Lightwood", sprach ich lächend gegenan.

"Na, ich würde mich mal nicht zu weit aus dem Fenster legen, Miss Clark, es gibt keinen der sie vor dem Sturz bewahren könnte", erwiderte er und kam noch näher auf mich zu, sodass wir nun ganz nah voreinander standen. Er überragte mich etwas, aber ich konnte trotzdem klar in seine glänzenden Augen sehen. Und wie auch immer wir es anstellten, wir sprachen nicht mehr, sondern sahen uns nur gegenseitig erst noch herausfordernd und nachher immer weicher blickend in die Augen. Und wieder spürte ich wie dieses Band sich festigte. Es fühlte sich furchtbar vetraut an in seiner Nähe zu sein. Wer weiß, vielleicht entstand da gerade wirklich eine echt gute Freundschaft. 

"Hier seid ihr. Wir haben euch schon gesucht", erklang plötzlich eine Stimme hinter uns, sodass wir uns sofort umdrehten und einem erst verwirrt und dann verschmitzt dreinschauenden Hodge ins Gesicht zu blicken. Und so schnell war dieser Moment wieder vorbei.

HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt